Im Lederwams gegen das Böse – „Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“

© The Walt Disney Company Germany GmbH

Nicht nur Lebkuchenduft in den Supermärkten und wachsende Spannungen in der Familie deuten darauf hin, dass es auf Weihnachten zugeht. Zuverlässig kommt auch kurz vor dem Fest der neue „Star Wars“-Film in die Kinos. Und wie immer hat man an alles gedacht: die volle Ladung Pyrotechnik, nicht enden wollende Raumschiffverfolgungsjagden, die standardisierte donnernde Fanfarenmusik. Alles da, wie immer.

Die altbewährte Space Opera geht mit ihrem neuesten Teil, dem neunten, „Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“, ins Finale, und alle sind sie natürlich wieder mit von der Partie (schnarch): der grunzende Zottelbär, der schlechte Witze machende goldglänzende Blechroboter, die niedlich fiependen Blechdosenroboter in Mülleimer-Optik und die Mittelalterkostüme und alberne Umhänge tragenden menschlichen Lichtschwertfuchtler. Überhaupt, das Lichtschwert: eine Art brummende Neonröhre mit Metallgriff, mit der gefochten wird. Wessen Idee das auch immer gewesen sein mag.

Das Beste an der US-amerikanischen Science-Fiction-Fantasy-Märchenfilmserie ist: Man muss nicht alle Teile der „größten Saga der Populärkultur“ („Tagesspiegel“) gesehen haben, um eine grobe Ahnung von der, na ja, Handlung zu bekommen. Man kann praktisch immer einsteigen, bei jedem beliebigen der insgesamt neun Filme.

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Es ist so: Die Guten, tendenziell pathetischen Käse quatschende Hippiefiguren, die meist weiße oder braune Leibchen und Lederwämser tragen, wehren sich gegen die Bösen, die angestrengt niederträchtig gucken und mit schwarzen langen Mänteln und Naziuniformen bekleidet sind. Dunkle Seite gegen helle Seite, „Jedi-Orden“ gegen „Sith-Imperium“.

Wie immer geht es um die Familie, die Tradition, irgendeinen altehrwürdigen Mythos und offene Abstammungsfragen (Wer ist mit wem wie verwandt? Wer sind wessen Eltern?), aber auch darum, dem familiär vorbestimmten Schicksal zu entkommen und unabhängig von diesem einem eigenen, selbst gewählten individuellen Lebensentwurf zu folgen. Und es geht um die Solidarität der vielen (eine Art diverse, multikulturelle, liberale Rebellencommunity) gegen das bitterböse Imperium, eine Art galaxisumspannendes Schweinesystem, das wiederum nicht nur aus den erwähnten schwarzuniformierten Superfieslingen besteht, sondern auch aus Heerscharen von gesichtslosen Soldaten in weißen Plastikrüstungen („Stormtroopers“). Wozu allerdings die weißen Plastikrüstungen dienen (sieht man einmal von ihrer formschönen 70er-Jahre-Pop-Art-Optik ab), ist nicht ganz ersichtlich: Werden die Soldaten, die in aller Regel entindividualisierte stumpfe Befehlsempfänger sind, von einem oder mehreren Schüssen getroffen, die die sinnlose Plastikrüstung durchschlagen, fallen sie prompt um wie Spielzeugsoldaten und sind anscheinend mausetot. Wobei niemals auch nur ein Tropfen Kunstblut zu sehen ist – schließlich haben wir es hier mit einem Machwerk des Disney-Konzerns zu tun, der heute die Rechte an „Star Wars“ besitzt und dessen Hauptgeschäftsfeld die Produktion und der Vertrieb reaktionärer Heile-Welt-Propaganda ist. Die Leinwand muss sauber bleiben, soll heißen: Es wird fortwährend allerlei digitaler Budenzauber und Feuerwerk veranstaltet, Raumschiffe explodieren mit großem Tamtam, volles Programm Computerspieloptik, doch Leid und Schmerz und Tod werden ausgeblendet.

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Unterlegt ist das Bummbumm mit dem immer gleichen tosenden Wagnerianischen Kitschfanfarengewummer und -gewimmer von John Williams, das jedem Menschen mit intaktem Gehör innerhalb kurzer Zeit gewaltig auf die Nerven geht, zumal es während 144 Minuten kaum eine Szene gibt, in der es nicht penetrant erklingt.

Die Handlung selbst ist in weiten Teilen eine vollkommen geistbefreite reine Nummernrevue (Helden diskutieren hektisch in ihrem Raumschiff, weil sie von den Bösen angegriffen werden; es folgt Action mit Knallerei; Helden schlagen überraschend zurück und versuchen eine Gefangenenbefreiung; es folgt Action mit Feuerwerk; Großaufnahme von jemandem, der/die weint/lacht vor lauter Rührung/Erleichterung oder von zwei Leuten, die sich herzlich umarmen; es folgt Action mit Lichtschwertertheater; einer der Bösen wird zum Guten bekehrt; es folgt Action mit irgendwas (gähn); einer, den man für einen der Bösen gehalten hat, entpuppt sich als Guter; es folgt Action mit Funkenflug; Endkampf Gut gegen Böse („Now we take the War to them!“); es folgt Action mit Explosionen; Großaufnahme von jemandem, der auf expressiv-feierliche Weise stirbt oder bloß vermutlich stirbt und hinterher überraschend wieder zum Leben erwacht usw.), und alles ist so vorhersehbar wie der Geschmack eines Supermarktschokoriegels. Ähnlich fade der Wechsel der landschaftlichen Szenerien: steinige Wüstengegend, steinige dunkle Höhlengänge, steinige Felseninsel, großer Altmetalltrümmerhaufen (der kaputte, ins Meer gefallene Todesstern).

Natürlich müssen auch die ausgemusterten Alten, Harrison Ford (Han Solo), Mark Hamill (Luke Skywalker) und Carrie Fisher (Leia Organa), kurze Gastauftritte haben, um das Bedürfnis der Kundschaft nach Nostalgie zu bedienen und ihr gleichzeitig so etwas wie eine tatsächliche Chronologie und Kontinuität der Filmhandlung vorzugaukeln. Selbst der Umstand, dass Fisher vor drei Jahren verstorben ist, hindert sie nicht daran, an dem Film mitzuwirken. Man hat einfach ein paar von einem früheren Star-Wars-Dreh übrig gebliebene Filmschnipsel mit ihr eingebaut.

Sieht man einmal davon ab, dass die Geschlechterrollen und in der Folge insbesondere die Frauenfiguren in den letzten Jahren geringfügig modernisiert wurden, kennt man das alles schon auswendig, aber das scheint mir der ebenso perfide wie banale Trick der Produzenten: Weil alle es schon zur Genüge kennen und daran gewöhnt sind, wird es immer auf dieselbe altbekannte Weise inszeniert. So wird garantiert niemand enttäuscht. Und am Ende zählt ja nur, dass der Prequel-, Sequel-, Spin-Off- und Serien-Heckmeck sowie der Marketing-, Merchandise- und Fanartikelverkaufs-Zirkus niemals zu Ende geht.

Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers
OT: Star Wars: The Rise Of Skywalker
USA 2019

R: J.J. Abrams – B: J.J. Abrams, Chris Terrio – P: J.J. Abrams, Kathleen Kennedy, Michelle Rejwan – K: Dan Mindel – Sch: Maryann Brandon, Stefan Grube – M: John Williams – V: Walt Disney – L: 142 Min – FSK: 12 – D: Carrie Fisher, Mark Hamill, Daisy Ridley, Adam Driver, John Boyega, Oscar Isaac, Anthony Daniels, Naomi Ackie, Domhnall Gleeson, Richard E. Grant, Lupita Nyong’o, Keri Russell, Joonas Suotamo, Kelly Marie Tran, Billy Dee Williams, Billie Lourd – Filmstart in Deutschland: 18.12.2019

Dieser Text erschien zuerst am 19.12.2019 in: Neues Deutschland

Thomas Blum, Jahrgang 1968, arbeitet seit 1999 als freier Autor für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften (u. a. Konkret, Berliner Zeitung, Stadtrevue Köln). Von 1999 bis 2011 war er in der Redaktion der linken Wochenzeitung Jungle World tätig. Seit 2013 ist er Redakteur im Feuilleton der Tageszeitung Neues Deutschland.