„Spaß zu haben und anderen Spaß zu machen, das war immer mein kleiner Beitrag zu unserem kurzen Dasein in dieser Welt…“ So lautet René Goscinnys Credo in diesem Band. Der berühmte Comic-Autor, dessen Dasein tragischerweise selbst viel kurz war, starb er doch mit nur 51 Jahren völlig überraschend 1977 in Paris. Lucky Luke, Isnogud, der kleine Nick. Und natürlich Asterix. All diese Serien (und noch viele mehr) erdachte Rene Goscinny als Szenarist oder führte sie zu ungeahnten Höhen und prägte sie bis heute. Aber wer war der Mensch hinter diesen Geschichten, die nie altern werden? In diesem voluminösen Band lernen wir ihn und sein Leben näher kennen. Und darüber hinaus noch vieles mehr.
Goscinny wird 1926 in Paris geboren. Bald reist die Familie nach Argentinien, nach Buenos Aires, wo sein Vater eine Stellung hat. Dort wächst er auf und geht zur Schule. Schon früh erweist er sich als Spaßvogel, der sich seine Kapriolen leisten kann, ist er doch Klassenbester. Filme von Buster Keaton und Laurel & Hardy (die später die Vorbilder von Asterix und Obelix werden sollten) prägen ihn. Nach dem Abitur und dem frühen Tod des Vaters geht Goscinny nach New York, wo eine harte Zeit für ihn anbricht, in der er vergeblich versucht, als Illustrator Fuß zu fassen. Nach seinem Nachkriegs-Militärdienst in Frankreich halten bekannte Namen Einzug in sein Berufsleben – er lernt in New York die Herren Harvey Kurtzman und Will Elder kennen, die späteren Begründer von „Mad“.
Bald macht er Bekanntschaft mit zwei belgischen Zeichnern, die auch gerade in New York leben: Joseph Gillain, alias Jijé und Maurice de Bévere, alias Morris, der eine Westernserie namens „Lucky Luke“ am Start hat. Mit „Dick Dick’s“ entsteht Goscinnys erste Comicfigur, noch als Texter und Zeichner. 1950 beschließt er, sein Glück in Frankreich zu suchen, und mithilfe von Georges Troisfontaines, der die Agentur World Press leitet (wo er Jean-Michel Charlier trifft), wird erstmals ein Comic von ihm veröffentlicht. Dann lernt er einen gewissen Albert Uderzo kennen, und mit enormem Fleiß – er schreibt unermüdlich Geschichten für verschiedenste Zeichner – fasst Goscinny langsam aber sicher Fuß im Comicgeschäft und hilft dazu noch entscheidend, den Beruf des Szenaristen zu etablieren. Eine Entwicklung, die schließlich in der Gründung des legendären Magazins „Pilote“ mündet. Und in der Entstehung einer Figur namens Asterix.Catel Muller, die durch Portraits historischer Frauenfiguren bekannt wurde („Kiki de Montparnasse“, „Olympe de Gouges“), legt hier keine konventionelle Comic-Biographie oder Familiengeschichte vor. Denn zwei Dinge machen den Band zu etwas Besonderem: Zum einen ist der Entstehungsprozess selbst Teil des Buches. Abwechselnd zu den Kapiteln, in denen René Goscinny als Ich-Erzähler fungiert (basierend auf etlichen Interviews, die er gab), sehen wir Catel im Zwiegespräch mit Tochter Anne Goscinny, beginnend mit der Überzeugungsarbeit, die jene leisten musste, damit Catel ein Buch über den berühmten Vater in Angriff nimmt. Später unterhalten sich die beiden Damen über René und sein Leben, Catel hinterfragt und hakt die Berichte Annes nach. So entsteht eine Freundschaft zwischen den beiden, die schließlich sogar zu einer gemeinsamen Comicreihe führt („Le monde de Lucrèce“, bisher vier Bände), der ersten Anne Goscinnys, die zuvor ausschließlich Romane schrieb.
Das zweite Bemerkenswerte an dem Band sind die abgedruckten und passend zur Geschichte integrierten Originalzeichnungen, Dokumente und Skizzen, die Goscinny schon in frühester Jugend anfertigte und die seine Einflüsse und seinen Werdegang zusätzlich illustrieren: Nachzeichnungen von Disney-Szenen, Karikaturen, eine Schülerzeitung (darin 1945 bereits ein Gallier!), erste Kinderbuch-Illustrationen. Später einige Strips von Dick Dick’s und die ersten Asterix-Scriptseiten. Auch werden einige skurrile Episoden behandelt: So klärt sich das Mysterium um Goscinnys erste Veröffentlichung in Frankreich (Illustrationen zu einem Balzac-Roman) und der klägliche Versuch, in New York mit einer französischen Mannschaft ein TV-Magazin zu etablieren. So bleib der Band stets abwechslungsreich zu lesen und schlägt gleichzeitig eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart.
Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de
Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.