„Sie wollten Wahrheit und Gerechtigkeit“

Der französische Comicautor Pascal Bresson tritt mit „Beate & Serge Klarsfeld: Die Nazi-Jäger“ zum ersten Mal in Deutschland in Erscheinung. In seinem Heimatland ist er aber als Autor mit politischem Sendungsbewusstsein längst etabliert, zuletzt mit einer Comicbiografie über die Holocaustüberlende und feministische Ikone Simone Veil. Zusammen mit Zeichner Sylvain Dorange hat er nun zwei der wichtigsten Advokat*innen und Kämpfer*innen gegen Unrecht und das Vergessen ein Denkmal gesetzt: dem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneten Ehepaar Beate und Serge Klarsfeld.

Weltbekannt geworden ist Beate Klarsfeld am 7. November 1968. An diesem Tag hat die junge Frau in aller Öffentlichkeit den deutschen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger geohrfeigt, um gegen seine frühere Verstrickung in das NS-Regime zu protestieren. Das war der Auftakt eines jahrzehntelangen Kampfs gegen alte und neue Nazis. Zusammen mit ihrem Mann Serge hat sie sich der Jagd nach Kriegsverbrechern verschrieben, die sie über Kontinente hinweg aufspürt. Der größte Erfolg für sie persönlich war der Prozess gegen Klaus Barbie, dem „Schlächter von Lyon“. Aber auch die Verurteilung des ehemaligen Kölner Gestapo-Führers Kurt Lischka war das Ergebnis einer jahrelangen Kampagne der Klarsfelds.

Wir präsentieren das folgende Presse-Interview mit Pascal Bresson und Sylvain Durange mit freundlicher Genehmigung des Carlsen Verlags.

Von links nach rechts: Sylvain Dorange, Pascal Bresson, Beate Klarsfeld und Serge Klarsfeld. Paris, 2020.

Lieber Pascal, lieber Sylvain, vielen Dank schon mal, dass ihr euch die Zeit nehmt, über eure Comicbiografie des außergewöhnlichen Ehepaars Beate und Serge Klarsfeld zu sprechen. Pascal, wie kamst du dazu Comicautor zu werden? Sylvain, wie hast du den Comic für dich entdeckt?

Pascal Bresson: Ich bin schon immer anders gewesen, mit zwölf Jahren wollte ich die Welt retten und habe Bücher über große Persönlichkeiten wie Nelson Mandela und Martin Luther King gelesen. In meinen ersten Comics bei Casterman und anderen Verlagen ging es um Themen wie Ungerechtigkeit wie im Fall Guillaume Seznec. Ich habe auch Alben über Ökologie mit Jacques Yves Cousteau und Nicolat Hulot gemacht, um Jugendlichen zu erklären, wie wichtig es ist, unseren Planeten zu erhalten.

Mit Comics erreicht man die jüngere Generation. Ich habe in 28 Jahren 52 Comics gemacht und es waren nur Bücher für Jugendliche, in denen es um Ungerechtigkeit geht. Sie sind schließlich unsere Zukunft! Wir, die Erwachsenen, müssen ein Vorbild sein, und Comics sind ein gutes Medium, an sie heranzukommen. Ich fühle mich verpflichtet, etwas an die Jüngeren weiterzugeben.

Als ich bei René Follet und Tibet, den beiden Meistern, im Unterricht war, hatte ich ein ganz klares Ziel: Ich wollte gegen alle Ungerechtigkeiten anschreiben und anzeichnen. Über meine Zeichnungen wollte ich etwas an die Jüngsten weitergeben, nur dafür leben wir. Das funktioniert über kluge Worte, in der Schule, bei der Arbeit, in der Freundschaft oder in unseren Leidenschaften, wie dem Zeichnen.

Sylvain Dorange: Mein erster Comic hieß „Piraten gegen Freibeuter“, und ich habe ihn mit vier Jahren gemacht. Seitdem habe ich nicht mehr aufgehört. Mit neun habe ich „Mango“ gezeichnet, ein Remake von Rambo mit Schnurrbart… Ich denke, dass ich mich mehr für Filme oder Musik interessiere, aber Comics sind wie eine Droge, die man in seinem Zimmer allein nimmt, ohne die Kumpels, ohne Geld (damals schon), es ist wie ein Roman, magisch. Die festgehaltenen Zeichnungen erwachen vor jedem Leser zum Leben, und zwar immer auf eine andere Art.

Pascal Bresson (Autor), Sylvain Durange (Zeichner): „Beate & Serge Klarsfeld. Die Nazi-Jäger“.
Aus dem Französischen von Christiane Bartelsen. Carlsen, Hamburg 2021. 208 Seiten. 28 Euro

Sylvain, dein Zeichenstil in „Beate & Serge Klarsfeld“, aber auch in früheren Werken wie „Sanseverino est Papillon“, der wunderbar zwischen realistisch und funny changiert, erinnert an französische Zeichner wie Clement Oubrerie, Christophe Blain oder Joann Sfar. Gibt es Zeichner*innen, die dich beeinflusst haben?

SD: Ehrlich gesagt bin ich mehr vom Kino, von Romanen und sogar von Musik beeinflusst als von Comics. Was zählt, ist die Welt, in die man geworfen wird. Sie erscheint auf der Struktur des Papiers oder der Körnung des Films, wie bei „The Wicker Man“, „The Swimmer“ oder „Le Mépris“. Oder in den unterschiedlichen Zeiten, die im Film, ob in Farbe oder in Schwarz-Weiß, dargestellt werden, z. B. im „Zauberer von OZ“ oder in „Bonjour Tristesse“. Ich versuche, den Leser in ein einzigartiges Universum einzuladen. Deshalb mag ich, was die Musik betrifft, Konzeptalben und vor allem Filmmusik.

In der Literatur ist es dasselbe, ich verliere mich gerne zwischen den Seiten von Kafka oder im Kopf von Francoise Sagan. Im Comic interessiert mich als Leser vor allem ein guter Plot, und wenn die Zeichnung dann gut ist, bin ich im Himmel. Wie bei Frédéric Peeters, Brecht Evens oder Gipi. Aber danke für den Vergleich, das ist sehr schmeichelhaft.

„Beate & Serge Klarsfeld“ ist euer erstes gemeinsam Projekt, oder? Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?

PB: Sylvain habe ich über meinen Verleger kennengelernt. Mir hat sein Zeichenstil sofort gefallen, und wir haben gut zusammengearbeitet. Ich bin ihm dankbar, dass er sich so engagiert hat bei unserem Projekt.

SD: Seit einiger Zeit erscheinen von mir Bücher bei der Boîte à Bulles. Vincent Henri, der Verleger, hat mich vorgeschlagen und sich dafür eingesetzt, dass ich den Comic zeichne. Auch wenn die Amerikaner von Humanoïds, den Mitherausgebern, nicht scharf darauf waren. Ich glaube sogar, dass sie ursprünglich einen anderen Zeichner hatten, der ist aber abgesprungen. Keine Ahnung, warum. Aber umso besser, ich habe mich sehr gefreut, Pascal zu treffen und die Graphic Novel über das außergewöhnliche Schicksal der Klarsfelds zu zeichnen.

Seite aus „Beate & Serge Klarsfeld“ (Carlsen)

Pascal, wie ist die Idee zu einer Biografie von Beate und Serge Klarsfeld entstanden? Und was fasziniert dich so an der Geschichte des Ehepaars Klarsfeld?

PB: Ich interessiere mich leidenschaftlich für Geschichte, vor allem für den Holocaust. Seit ich 15 war, verfolge ich die Spuren der Klarsfelds. In den 70ern wurde viel über sie berichtet. Für mich waren sie moderne Helden. Nach dem Krieg gab es keine Aufarbeitung, die meisten Jugendlichen, die ich bei meinen vielen Konferenzen treffe, kennen Simone Veil kaum, die Klarsfelds erst recht nicht. Eines Tages habe ich Serge angeschrieben. Er kannte mein Buch über Simone Veil und „Elle s’appelait Sarah“ über den Vel d’Hiv. Zwei Wochen später wurde ich von Serge und Beate in ihre Wohnung eingeladen. Am Anfang waren sie misstrauisch. Aber dann haben wir uns sechs Monate lang jede Woche getroffen, um an ihrer Biographie zu arbeiten. Ich durfte Serges Archiv sichten, sie haben mir ihre Geschichten erzählt und mir sogar unveröffentlichte Fotos aus Konzentrationslagern gezeigt. Ich habe alles notiert und aufgenommen. Dann habe ich ihre Geschichte und ihre zahlreichen Aktionen wie einen Thriller aufgeschrieben.

Was mir am meisten gefallen hat, war ihre Beziehung: eine Deutsche und ein Jude, das ist nicht alltäglich! Sie haben sich zusammengetan, um die Mörder der jüdischen Opfer zu finden. Sie wollten Wahrheit und Gerechtigkeit. Ich habe drei Jahre für dieses Album gebraucht, die Geschichte brauchte ja eine Dramaturgie, das Skript sollte kraftvoll und auf keinen Fall langweilig werden. Ich durfte den Faden nicht verlieren. Meine Skripte sollen wie Drehbücher sein, so war es auch bei Simone Veil. Das ist Kino auf Papier. Da findet man alle Zutaten für einen guten Thriller, der die Wahrheit zeigt.

Sylvain, welche Hilfestellung konnten die Klarsfeld für dich als Zeichner liefern? Hast du dich in deiner visuellen Recherche der realen Akteure und historischen Settings mit den beiden ausgetauscht?

SD: Pascal hat mit Serge und Beate zusammengearbeitet. Es war wichtiger, die Orte und Daten zu verifizieren, als die Proportionen der Figuren. Trotzdem wollte Beate, dass ich die Form ihres Mantels ändere, den sie am Tag der Ohrfeige anhatte! Sie trug einen Mantel, der das Lothringer Kreuz darstellte, ein schönes Symbol!

Was ich auch sehr gerne gezeichnet habe, waren Beates Aktionen im Ausland. In Deutschland, aber vor allem in Lateinamerika. Es hat mir sehr viel Freude gemacht, La Paz zu zeichnen. Die Idee des Paares fand ich sympathisch. Es ist nah an der Realität. Sie, pointiert und schön und in Action. Er, etwas rund, ruhig, in der Reflexion. Ein perfektes Superhelden-Duo.

Könnt ihr uns noch mehr über eure Recherche zu dem Buch verraten? Pascal, war es schwierig an all die Informationen über die internationalen Verwicklungen in den Fällen Klaus Barbie, Kurt Lischka und anderen zu gelangen oder ist alles gut durch die juristischen Verfahren dokumentiert? Was waren die größten Herausforderungen bei der Recherche?

PB: Ich archiviere seit zwanzig Jahren alles, was die Shoah betrifft. Ich bin sehr empfindlich bei diesem Thema. Ich bewahre Artikel, Fotos, Video, Tonaufnahmen auf. Ich habe die Biografie der beiden gelesen. Als ich bei ihnen gearbeitet habe, habe ich mir alles zusammengesucht, was mir noch fehlte. Und Beate und Serge haben mich dabei unterstützt, ihr Gedächtnis ist noch sehr gut. Es ist unglaublich, sie erinnern sich an alles, was seit den 60er Jahren passiert ist.

Ich habe die Hartnäckigkeit gespürt, mit der sie die alten Verbrecher aufscheuchen wollten, die damals immer noch unbehelligt auf wichtigen Posten saßen. Wir haben uns gemeinsam über ihr Archiv gebeugt, weil ich ihre Aktionen genau verstehen wollte, und anhand zahlreicher Artikel konnte ich die Prozesse nachvollziehen. Auf keinen Fall durfte ich einen Fehler machen bei Orten, Daten, den Aktionen oder einem Namen – zum einen aus Respekt für ihre Erinnerungsarbeit, aber auch für die Jüngeren. Das war harte Arbeit. Ohne anmaßend wirken zu wollen, dafür braucht man einige Erfahrung mit Skripten, Hintergrundwissen und eine gute Organisation. Das Wichtigste für mich war aber das Vertrauen von Beate und Serge. Sie hatten mir einen Freibrief gegeben. Aber ich habe viel durchgemacht, ich hatte immer Angst, dass mir ein Detail durchrutscht. Serge hat mich immer auf alles hingewiesen. Ihm entging nichts. Die Fakten zu den Orten im Ausland gab ich dann weiter an Sylvain.

Seite aus „Beate & Serge Klarsfeld“ (Carlsen)

SD: Seit meinem Studium an den Arts Décoratifs in Straßburg arbeite ich mit Vorlagen von alten Möbeln, Fernsehern und Zigaretten aus allen Epochen, aber vor allem aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahren. Heute kann man im Internet schneller auf Inkonsistenzen prüfen. In allen historischen Comics versuche ich, die Kleidung an die jeweilige Zeit anzupassen, und den Autotyp an das Jahr, das geht bis hin zur Zeichnung auf der Zigarettenschachtel, die sich im Laufe der Jahre verändert hat.

Pascal, du hast Comic-Szenarios über aufsehenerregende Strafrechtsverfahren wie die Seznec-Affäre und die Dominici-Morde geschrieben. In „Beate & Serge Klarsfeld“ spielt die Rechtsprechung und der kräftezehrende, oft vergebliche Kampf um Gerechtigkeit vor Gericht auch eine große Rolle. Warum interessieren dich als Autor diese Art von Fällen? Was kann man mit dem Blick auf juristische Geschichte über die Gesellschaft von heute aussagen?

PB: Wenn ich an einem neuen Buch schreibe, nehme ich die Rolle eines Ermittlers an. Ich stelle alle Dokumente zusammen. Ich ziehe meine eigenen Schlüsse. Zum Beispiel Seznec: nicht schuldig. Dominici: schuldig. Als Bretone kannte ich die Geschichte von Seznec, er war ein Bauer, der des Mordes an einem Politiker angeklagt war. Alles sprach gegen ihn. Das war eine furchtbare Geschichte. Ich führe Ermittlungen durch, wie die Polizei, ich fahre hin, ich lese alles darüber, ich habe sogar eine 95-jährige Zeugin gesprochen. So konnte ich diese traurige Geschichte ganz objektiv schreiben. Es ist eine Fleißarbeit, die die Verleger vielleicht nicht interessiert, die Leser aber schon. Denn die Leser lieben all diese kleinen Details und Anekdoten. Meine Meinung über die heutige Justiz? Da hat sich wenig geändert. Es ist immer noch der Kampf von David gegen Goliath. Der Arme kann sich nur schlecht verteidigen, und häufig werden die Opfer als schuldig hingestellt, während die Täter ein ruhiges Leben führen. Für mich ist die Justiz ein zweiklassiges System.

„Beate & Serge Klarsfeld“ ist nicht nur die Geschichte der Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen in Deutschland und Frankreich, sondern auch die Geschichte der 1968er und der Rebellion der Jugend. Inwieweit spielen die 68er in Frankreich noch eine Rolle? Welche Erfolge konnte die Bewegung in Frankreich erzielen und welchen Einfluss hatte diese geschichtliche Phase auf euch, als ihr in den 70ern und 80ern aufgewachsen seid?

PB: Um das Beispiel von Beate zu nehmen: Sie war eine junge Frau, die sich immer geweigert hat, die klassische Rolle in einer idealen Familie einzunehmen, wie ihre Familie es wollte. Ihr war schnell klar, dass die deutsche Jugend nicht für die Taten ihrer Väter verantwortlich war. Sie trugen die Verantwortung für die damalige Bundesrepublik. Schon in den 60er Jahren hatte Beate Beziehungen zu studentischen Kreisen, die gegen die antisemitische BRD kämpften. Sie hatte auch diesen Willen zur Emanzipation. Sie wurde stärker, weil der Alltag in Deutschland sie belastete.

Ab 1968 begegnet sie dann den Hauptfiguren der 68er-Revolte: Daniel Cohn-Bendit, Serge July usw. Im Rückblick wirken die Ereignisse im Mai und im Juni 1968 wie ein fundamentaler Bruch mit der Geschichte, denn es wurde deutlich, dass die traditionellen Institutionen der französischen Gesellschaft infrage gestellt wurden. Das erinnerte Beate an ihren eigenen Kampf gegen ihr Land. Ende der 70er Jahre wurden Beate und Serge über die Medien in der europäischen Öffentlichkeit und weit darüber hinaus zu symbolischen Figuren.

Seite aus „Beate & Serge Klarsfeld“ (Carlsen)

Ein Großteil eures Buches beschäftigt sich mit der Jagd auf den ehemaligen Gestapo-Chef von Lyon Klaus Barbie und seinen Prozess 1987. Welche Rolle spielte der Prozess für die Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen in Frankreich und für die deutsch-französischen Beziehungen? Erinnert ihr euch an das Verfahren?

PB: Der Kölner Prozess 1979 war ein Wendepunkt für die Erinnerungsarbeit an die Shoah. Es war ein deutscher und ein französischer Sieg und ein weiterer Schritt zur Versöhnung beider Länder. Der Prozess gegen Klaus Barbie nimmt einen eigenen Platz ein, es ist der erste Prozess, der in Frankreich gegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit stattfindet, es war aber auch der erste Prozess, der in seiner vollen Länge gefilmt wurde. Dieser Prozess war wichtig, um die Erinnerungsarbeit ans Licht zu bringen, die sich symbolisch am hartnäckigen Kampf um die Wahrheit festmachen lässt. Ich habe den Prozess mindestens zwanzig Mal im Internet angesehen, 1987, als ich neunzehn war, habe ich davon kein bisschen verpasst. Ich habe die Zeitungsartikel von damals alle aufbewahrt und werde sie meinen Enkelinnen geben, wenn sie alt genug sind, um meine Bücher zu lesen.

SD: Ich war damals zehn Jahre alt und erinnere mich vor allem an die Figur, an das schreckliche Individuum. Er hatte kein Schuldgefühl. Deutschland, das war für mich die Berliner Mauer, ein Land, das getrennt war zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Nazi-Deutschland war weit weg. Ich bin von Natur aus optimistisch und hoffe, dass diese Barbarei hinter uns liegt.

„Beate & Serge Klarsfeld“ erscheint im Jahre 2021, während Europa einen Anstieg an Nationalismus, Antisemitismus und allgemein totalitärem Gedankengut erlebt. Wie schätzt ihr die Bedeutung der Lebensgeschichte der Klarsfeld im aktuellen politischen Klima ein? Und wie können Bücher wie das eure dazu beitragen, den Kampf der Klarsfelds im Hier und Jetzt fortzusetzen?

PB: Was Europa angeht, bin ich skeptisch. Zumindest ein Teil von Europa. Dafür gibt es einen Grund: Die meisten Menschen, die hier leben, haben keinen Krieg in Europa erlebt, sie kennen also keine Kriegsleiden, keine Massaker, auch nicht den Verlust eines Nahestehenden usw. Die Menschen machen sich nicht klar, was Europa ihnen gebracht hat. Man muss für ein solidarisches und vereintes Europa kämpfen. Der Anstieg von extremen Richtungen in mehreren europäischen Ländern ist besorgniserregend. Dieses Buch über fünfzig Jahre Obskurantismus und darüber, wie zwei Menschen ein Teil ihres Lebens geopfert haben, um das Böse zu bekämpfen, ist meine Art, den Jüngeren zu erklären, was passiert ist, und dass man vor allem nichts vergessen darf, denn eines Tages kann das Böse zurückkommen!

SD: Wie ich schon sagte, habe ich Vertrauen in die Zukunft. Als ich den Auftrag angenommen habe, war es vor allem vor dem Hintergrund, Serges und Beates Erinnerungsarbeit in den Vordergrund zu stellen. Ihnen ist es zu verdanken, dass man heute dieses dunkle Kapitel schließen kann.

Aber wie du sagst, der Nationalismus kehrt zurück, und da ist es umso besser, wenn das Buch Zeugnis ablegt. In Frankreich hält sich die Rechtsextreme bei 10 %. Dazu muss man wissen, dass es Französinnen und Franzosen gibt, die aus Protest für sie stimmen! Die französischen Rechtsextremen versuchen, sozialer und weniger rassistisch zu sein, weil sie sonst nicht ankommen. Wir wissen alle, dass es eine Maske ist, denn ihr einziger Wille ist die Macht. Vielleicht sind sie deswegen so gefährlich. Aber ich glaube fest daran, dass die meisten Menschen sie durchschauen werden. Wie ich schon sagte, ich bin Optimist!