Ende August 1951, in einer Zeit, als Bildergeschichten mit Sprechblasen alles andere als angesehen waren, kam in Deutschland ein neues Comic-Magazin auf den Markt, dazu noch ganz in Farbe. Über 3300 Hefte und 70 Jahre später erscheint die „Micky Maus“ immer noch. Wer damals die Nr. 1, in der u. a. die Disney-Größen Carl Barks und Floyd Gottfredson vertreten waren, erwarb, ist heute an die 80 Jahre alt (und könnte von dem Verkauf seines Heftes eine Weile ganz gut leben).
Das Jubiläum bedeutet auch 70 Jahre Ehapa, denn der Verlag wurde zur gleichen Zeit gegründet. Im Jubiläums-Heft (Ausgabe 18 vom 20.08.2021), ganz im güldenen Cover gehalten, feiert man sich natürlich selbst und auch die Beilage kann sich sehen lassen: 146 Seiten Extra-Lesestoff in einem einmaligen „Micky Maus-Taschenbuch“. Dazu ist noch ein Sonderband erhältlich, mit jeweils einer Micky-Maus-Magazin-Story aus jedem Jahrzehnt und einem publikationshistorischen Rückblick.Die Titelstory der Jubiläums-Ausgabe gestalten zwei prominente Disney-Zeichner: der Niederländer Daan Jippes, der auch abseits von Disney Comics zeichnet („Havank“), und der deutsche Künstler Ulrich Schröder, der regelmäßig Zeichen-Workshops auf Comic-Festivals präsentiert. In „Die Nummer eins“ geht um die ultrarare Erstausgabe eines Comic-Heftes („Ricky Laus“), die Tick, Trick und Track auftreiben konnten und ihrem Onkel Donald stolz präsentieren. Der hält das Heft für Schund und zerfleddert es prompt mit dem Rasenmäher – wenn auch versehentlich. Einen Ersatz kann er nirgendwo auftreiben, weshalb er mit Daniel Düsentriebs Zeitmaschine flugs 70 Jahre zurückreist, um das Heft druckfrisch am Kiosk zu kaufen. Eine nette selbstreferenzielle Hommage, auch die legendäre Chefredakteurin und Übersetzerin Dr. Erika Fuchs (hier als „Frieda Fuchs“) bekleidet eine Nebenrolle.
Während das Micky-Maus-Taschenbuch mit 16 Geschichten aktuellen Lesestoff aus den europäischen Disney-Studios liefert, kann man den Sonderband gewissermaßen als Herzstück der Feierlichkeiten betrachten, denn aus jedem Jahrzehnt, natürlich beginnend mit den 1950er Jahren, ist eine „historische“ Geschichte aus den Micky-Maus-Magazin enthalten. Vorangestellt ist jeweils eine Seite mit Erläuterungen, die beispielsweise Infos zum Aufbau des Heftes im jeweiligen Jahrzehnt gibt, wie die Einführung der Fortsetzungsgeschichten bei der Umstellung von einer monatlichen auf eine zweiwöchentliche Erscheinungsweise. Oder dass anfangs die Geschichten komplett aus den USA stammten, während heute in erster italienische und spanische Linie Disney-Studios das Material liefern. Weshalb man auch Klassiker wie Carl Barks und Floyd Gottfredson in den Jubiläums-Ausgaben leider vergeblich sucht. Dennoch: 70 Jahre nonstop am Kiosk – noch dazu in schweren Zeiten für Print-Medien -, das muss erst einmal geschafft werden. Respekt dafür.Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de
Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.