Schreiben unter Klassenmacht

„Für mich gab es schon immer eine enge Verbindung zwischen Theorie und Pop/Film“, so Mark Fisher 2005 auf seinem Blog k-punk. Diesen verstand er als einen Raum, „in dem sich eine Art der Diskussionskultur erhalten kann, die einst in Musikzeitschriften und Kunstschulen begann, die aber inzwischen so gut wie ausgestorben ist.“ Ein „Zusammentreffen jenseits legitimer Räume“, bei dem Musiker wie die Sleaford Mods oder James Blake ebenso ihren Platz haben wie Franz Kafka und Greil Marcus, Christopher Nolans „Batman“, die „deprimierende Wirklichkeit von New Labour“ und die eigene Depression. „Er stiftete Verbindungen zwischen weit auseinanderliegenden Feldern“, schreibt Simon Reynolds in seinem Vorwort zu „k-punk“, einer nun postum veröffentlichten Sammlung ausgewählter Texte Fishers, die zwischen 2004 und 2016 auf dem Blog und in Zeitschriften erschienen sind. „Sein Thema war das menschliche Leben. Die Ambition war riesig; der Blick umfassend.“

Mark Fisher: „k-punk. Ausgewählte Schriften (2004-2016)“.
Edition Tiamat, Berlin 2020. 624 Seiten. 32 Euro

Blogs bildeten für den 1968 geborenen Fisher eine „nie dagewesene Punk-Infrastruktur“, einen Ort, an dem sich eine Form von Theoriebildung entwickeln konnte, die an den Universitäten keinen Raum hatte: wo Hoch- und Popkultur, Gesellschaftskritik und Fantum nebeneinander existierten und sich gegenseitig befruchteten. Die Freiheit im Denken, die ein solcher Ort in sich trägt, lag dem Kind aus der Arbeiterklasse näher als die Hierarchien, von denen die Universitäten durchzogen sind. Auf k-punk entwickelte er sein berühmtes Konzept der Hautology, das Bild einer „unterbrochenen Zeitlinie“, verlorene Utopien, die einst im Pop gesteckt hatten und nun als Untote wiederkehren. Und er schrieb vom „kapitalistischen Realismus“, von den Auswirkungen der Thatcherjahre und des Neoliberalismus auf die Gesellschaft und die Kultur.

„Die soziale Macht, die am meisten Auswirkungen auf mich gehabt hat, war Klassenmacht“, schrieb Fisher in „Zu nichts gut“, einem Text über seine Depressionen. Diese Herkunft führe zu einem Gefühl der Minderwertigkeit, das im Gedanken münde, „dass man nicht die Art Person ist, die die Rollen erfüllen kann, die die dominante Gruppe vorgesehen hat.“ 2017 nahm sich Fisher nach einer langen depressiven Phase das Leben. Doch selbst in den düstersten Momenten hatte er die Hoffnung auf eine Alternative zur bestehenden Gesellschaft nicht aufgegeben: „Egal was unsere kollektive Depression uns sagt, es kann gelingen. Neue Formen der politischen Partizipation zu entwickeln, privatisiertes Leid in politische Wut zu verwandeln: All das kann geschehen, und wenn das gelingt, wer weiß, was dann möglich ist.“

Dieser Text erschien zuerst in: Stadtrevue 03/2020

Jonas Engelmann ist studierter Literaturwissenschaftler, ungelernter Lektor und freier Journalist. Er hat über „Gesellschaftsbilder im Comic“ promoviert, schreibt über Filme, Musik, Literatur, Feminismus, jüdische Identität und Luftmenschen für Jungle World, Konkret, Zonic, Missy Magazine und andere, ist Mitinhaber des Ventil Verlags und Co-Herausgeber des testcard-Magazins.