Springtime for Dictator(s)

Mel Brooks derb überdrehte Komödie „The Producers“, in der ein Broadwaymusical namens „Springtime for Hitler“ wider Erwarten und auch gegen die eigentlichen Absichten seiner Schöpfer für Furore und volle Theaterkassen sorgt, gilt als einer der gelungeneren Versuche, die NS-Zeit als Farce filmisch zu inszenieren. Ich weiß nicht, ob der Comicautor Michael Beyer den Film gesehen hat, aber seine Comicserie „Papa Dictator“ über die Alltagsprobleme eines despotisch-mörderischen Alleinherrschers kann in puncto Derbheit und gnadenloser Überzeichnung mit Brooks‘ Filmklassiker meiner Meinung nach problemlos mithalten.

Mic: „Papa Dictator hat Frühlingsgefühle“.
Jaja Verlag, Berlin 2020. 36 Seiten. 4 Euro

Die grundsätzliche Beschaffenheit des maximal bösartigen Protagonisten der Serie habe ich an anderer Stelle bereits beschrieben, hier soll es nun um das neueste Heftchen mit dem Titel „Papa Dictator hat Frühlingsgefühle“ gehen. „Frühling“ ist im vergangenen Jahrzehnt bekanntlich zu einer politischen Vokabel geworden, und es würde mich nicht wundern, wenn neuere Lexika der Politikwissenschaft längst entsprechende Lemmata aufweisen: Ob Prager, Arabischer oder Persischer Frühling, der Begriff des Frühlings eignet sich ausgezeichnet als Metapher, die einen (gesellschaftlichen) Zeitenwechsel ankündigt, in welchem Wärme auf Kälte und Licht auf Dunkelheit folgen mögen. Diejenigen allerdings, die eher auf der frostig-dunklen Seite der Macht beheimatet sind und dort auch bleiben wollen, erklären solchen Ansinnen selbstverständlich kurzerhand den (Bürger-)Krieg.

Zum seinem Glück leidet Papa Dictator nicht an Frühjahrsmüdigkeit und macht auch schnellen Prozess mit all den „Schädlingen“, „Unkraut“ und sonstigem Wildwuchs. Die von Michael Beyer in Bild und Wort gezogene Parallele zwischen ordnungsfanatischen Hobbygärtnern und ordnungsfanatischen Despoten ist vollkommen plausibel und bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung. Wer diesem Zusammenhang dennoch weiter nachspüren möchte, dem sei die hintere Umschlagseite des Comic empfohlen. Auf der ist als kleines Surplus eine Auswahl von Gartenzwergen des Diktators zu bewundern, der man im echten Leben besser nicht mit der sonst gegenüber ihren Artgenossen üblichen Herablassung begegnen sollte.

Außerdem wird in dem Heftchen noch ein sehr aktueller und gefühlt millionenfach verhashtagter Diskurs mit Papa Dictators erwachenden Frühlingsgefühlen verwebt. Die wenig sublimen sexuellen Avancen des Diktators gegenüber einer Filmdiva, die in der Nachbarvilla residiert, führt zu Protesten, denen sich sogar dessen Tochter anschließt. Freilich haben die beiden jungen Damen für die anderen Opfer des Despoten bislang keinen Finger gerührt. Intersektionalität, ick hör dir trapsen!

Diese Kritik erschien zuerst am 24.04.2020 auf: Taz-[ˈkɒmik_blɔg]

Hier gibt es eine weitere Kritik zur „Papa Dictator“-Reihe.

Mario Zehe (*1978) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Lehrer für Geschichte, Politik & Wirtschaft an einer Freinet-Schule bei Quedlinburg (Harz). Seit vielen Jahren liest er Comics aller Art, redet und schreibt gern darüber, u. a. im [ˈkɒmik_blɔg] der Taz und für den Freitag.