Kanzel-Culture – „Habemus Bastard“

In „Habemus Bastard“ versetzen Sylvain Vallée und Jacky Schwartzmann einen Auftragskiller in eine französische Kleinstadt, in der er als Priester untertauchen muss – ein auch visuelles Vergnügen, das bereits mit dem Blick in die erstaunten Gesichter beginnt.

Seine Gottesdienste dauern nur zehn Minuten. Sein Religionsunterricht ist offensichtlich vom Discovery Channel inspiriert. Er gibt Jugendlichen Tipps, wie sie besser Drogen verkaufen können. Er prügelt sich, geht gerne in die örtliche Kneipe und trägt T-Shirts von Black Sabbath. Pater Philippe ist wahrlich ein unkonventioneller Priester. Das hat einen triftigen Grund: Eigentlich ist er ein Killer, der nach einem Unfall in der Provinz untergetaucht und mehr aus Zufall und Not in die Priester-Sache hineingerutscht ist. So findet er sich im Städtchen Saint-Claude im französischen Jura wieder und hat keine Ahnung von seinem Job, den er gerade übernommen hat. Es versteht sich von selbst, dass er seine alten Gewohnheiten nicht ganz ablegen kann und will.

„Habemus Bastard“, der neue Zweiteiler von Zeichner Sylvain Vallée („Es war einmal in Frankreich“, „Antananarivo“), diesmal nach einem Skript von Jacky Schwartzmann, fußt auf einem bekannten Motiv, das sowohl der Komödie („Willkommen bei den Sch’tis“) als auch dem Thriller („Lilyhammer“) eignet – dem Helden in einer fremden sozialen Umwelt, der sich mit seinem neuen Leben nach und nach anfreundet und trotzdem von seiner Vergangenheit eingeholt wird. Auch falsche oder zumindest streitbare Priester haben Tradition im Comic, man denke an „Soda“ (bei Salleck und Piredda erschienen) oder den „Janitor“ (fünf Bände bei Schreiber und Leser).

Dennoch präsentieren Schwartzmann und Vallée keine simple Variation dieses Themas, was in erster Linie an der Gestaltung und Psychologisierung der Hauptfigur liegt. Pater Philippe – seinen echten Namen erfahren wir noch nicht – macht sich bei seinen neuen Aufgaben (Gottesdienst abhalten, Kinder unterrichten, Beichte abnehmen) keine großen Gedanken, zitiert TV-Sendungen, stammelt drauf los – mit Erfolg, wie die steigende Zahl der Kirchgänger beweist. Er nutzt seine Stellung schamlos zu seinem (finanziellen) Vorteil aus und scheint langsam sein neues Dasein samt Job in den Griff zu bekommen.

Der harte, einsame Killer als Pfarrer – das sorgt natürlich für humorige Situationen, auch die machen den Band zum Genuss. Philippe ist äußerst schreckhaft bei Knallgeräuschen, versteckt Waffen in der Kirche, muss sich mit einem alten Twingo begnügen und freundet sich nolens volens mit der Messdienerin Eva an. Und doch braut sich, wie soll es anders sein, am Horizont Unheil zusammen, denn man ist ihm, bzw. seiner falschen Identität, auf der Spur. Sylvain Vallées Zeichenstil kennt man inzwischen, vor allem seine leicht stilisierten Gesichter. Auch hier sorgt Philippe mit seiner nuancierten Mimik für viel Komik auf der Bildebene.

Die Erzählung ist ein großer Spaß, feinste frankobelgische Comickunst, sowohl inhaltlich als auch optisch mit leichter Hand inszeniert. Der abschließende Band 2 ist für den September dieses Jahres geplant. Für Sammler und Vallée-Fans bietet der Splitter Verlag zusätzliche eine auf 500 Stück limitierte Vorzugsausgabe an, samt Druck und einem alternativen Cover, das Sylvain Vallée exklusiv für die deutsche Ausgabe gezeichnet hat.

Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de

Jacky Schwartzmann (Autor), Sylvain Vallée (Zeichner): Habemus Bastard. Band 1: Das notwendige Übel • Aus dem Französischen von Tanja Krämling • Splitter Verlag, Bielefeld 2025 • Hardcover • 88 Seiten • 22/49,80 (VZA) Euro

Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.