Konquistadoren, Piraten, muslimische Stämme, mächtige Schiffe, Schwertkunst und Intrigen – all das verschwimmt in „Alandal“, dem Spätwerk des philippinischen Comickünstlers Alex Niño, in einem schwer zu fassenden optischen Fiebertraum.
Es bleibt zu hoffen, dass uns Alex Niño, der im Grunde für alle namhaften US-Publisher gearbeitet und dabei von Superhelden und Horror bis hin zu Fantasy und Science-Fiction zahlreiche Genres abgedeckt hat, noch möglichst lange erhalten bleibt, schließlich ist er mittlerweile 85 Jahre alt. „Alandal“, die auf zwei Bände ausgelegte Kollaboration mit J. Philip Ignacio, soll sein letzter Comic sein – obwohl sich der Rezensent dabei ertappt fühlt, die Bezeichnung „Comic“ in diesem Fall als viel zu profan für die hier präsentierten Schauwerte zu erachten. „Graphic Novel“ würde sich anbieten, stellt aber eigentlich – wenn wir ehrlich sind – mittlerweile bloß noch ein inflationär gebrauchtes Verkaufsetikett dar.
In Ermangelung anderer Begrifflichkeiten ließe sich vielleicht am ehesten und wohlgemerkt befreit von jeglicher „kindlicher“ Konnotation von einem „Bilderbuch für Erwachsene“ sprechen, denn bei „Alandal“ handelt es sich im Grunde um aneinandergereihte Gemälde, die abfotografiert und mit Text sowie Sprechblasen versehen in ein querformatiges Buch gebunden wurden. Das Ganze wirkt dadurch nicht zuletzt wie ein Film im Breitwandformat, in dem es keine abgegrenzten Panels gibt, sondern einen fließenden Übergang zwischen den einzelnen, in Schwarz, Weiß und Grau gehaltenen Motiven. Dieser grafisch beeindruckende Rausch verstärkt sich noch durch die exotische Kulisse der Geschichte.
Deren Handlung ist zwar erfunden, trägt sich aber vor dem Hintergrund des leider sehr realen kolonialen Jochs zu, unter dem die Philippinen lange zu leiden hatten. Bezüglich der japanischen Besatzung sei an dieser Stelle an „Josefina“ verwiesen, das ebenfalls dem Schwerpunkt des Dantes Verlags für die Früchte der reichhaltigen Comic-Produktion des Landes entspringt, im vorliegenden Fall sind es die Spanier, die im 18. Jahrhundert das Sulu-Archipel erobern und die dortigen muslimischen Herrscher absetzen wollen. Mitten in dieses Spannungsfeld hineingeboren wird Sabina, Nichte eines Sultans und Tochter eines spanischen Konquistadoren, die den Ränkespielen um sie herum zum Opfer fallen könnte, wenn sie sich nicht ein Herz (und ein Schwert) nimmt.
Dieser Beitrag erschien zuerst im: SLAM Magazine
Alex Niño (Zeichner), J. Philip Ignacio (Szenarist): Alandal • Aus dem Englischen von Jens R. Nielsen • Dantes Verlag, Mannheim 2023 • 100 Seiten • Hardover im Querformat • 22,00 Euro
Andreas Grabenschweiger lebt in Wien und ist für sämtliche Publikationen des SLAM Media Verlags (SLAM Alternative Music Magazine sowie die Sonderheftreihen ROCK CLASSICS und POP CLASSICS) als Redakteur und Lektor tätig.

