Comicverfilmungen in Deutschland – Teil 1 Oder: Im Kampf gegen Windmühlen

Seit 1977 schrieb der Schriftsteller und Comicautor Peter Mennigen zunächst deutsche Geschichten für Comicreihen wie „Gespenster Geschichten“, „Spuk Geschichten“, „Conny“, „Biggi“, „Vanessa“, „Felix“, „Lasso“, „Phantom“, „Axel F.“ und zahlreiche weitere Serien des Bastei Verlags. Ab den 90er Jahren arbeitete er für andere Verlage wie Egmont (Disney-Magazine), Panini (Jessy, Sternentänzer, Willi will‘s wissen) und Ravensburger (u.a. Fix und Foxi). In dieser Zeit verfasste er auch internationale Comics: „Lucky Luke“, „Schlümpfe“, „Bessy“ und „Isnogud“. Aktuell arbeitet er zusammen mit Ingo Römling an der Mystery-Steampunk-Serie „Malcolm Max“. Für comic.de blickt er in unregelmäßigen Abständen zurück auf seine Arbeit im deutschen Comicverlagsgeschäft.

Hier findet sich der 2. Teil, hier der 3.

In den USA haben Comicverfilmungen eine lange Tradition. Zwar schwankten Qualität und Erfolg der früheren Adaptionen ab den 1940er bis in die 1990er, doch spätestens seit Marvel und DC ihre Filme selbst produzieren, beherrschen Comic-Blockbuster Hollywood. Auch als Fernsehserien erfreuen sich Comichelden zunehmender Beliebtheit.

Trotzdem tun sich deutsche Film- und Fernsehmacher schwer mit dem Genre und klammern es fast vollkommen aus. Ein möglicher Grund liegt vielleicht in der Hetze gegen Comics während der 1950er und 1960er Jahre, als man das Medium als Schundliteratur brandmarkte. Was sich offenbar so nachhaltig in weiten Kreisen des kollektiven teutonischen Bewusstseins verankert hat, dass dem Comic heute immer noch der Makel des Minderwertigen anhaftet.

Obwohl, einige Verfilmungsversuche von Comics gab es in Deutschland schon. Manche dieser Projekte kamen allerdings nie über die grobe Konzeptplanung hinaus. Andere blieben in der so genannten „Development Hell“, der „Entwicklungshölle“ stecken. Und wieder andere standen kurz vor der Umsetzung, um im letzten Moment aus diversen Gründen zu scheitern.

So plante Ende der 1980er Jahre beispielsweise Werner Geismar, der Chefredakteur der Bastei Jugendredaktion, eine Verfilmung des Comics „Conny“ als Fernsehserie. Inhaltlich drehte sich „Conny“ um Mädchen, Pferde und Reiten. Die Comics wurden anfangs komplett in Schweden geschrieben und gezeichnet. Ab 1980 bis 1995 erschien das Magazin auf Deutsch bei Bastei. Aufgrund des Erfolges erwarb Bastei die Lizenz von „Conny“, produzierte die Hefte so ab Ausgabe 200 selbst und engagierte mich dafür als Autor. Bis Ende der 1980er Jahre lief „Conny“ sehr erfolgreich, doch dann änderte sich der Comicmarkt rapide und die Auflagen gingen kontinuierlich zurück. Werner Geismar versuchte der negativen Entwicklung mit verschiedenen Strategien entgegenzusteuern. Eine davon war die Verfilmung von Bastei Comics als reale Fernsehserien.

Vor der Umsetzung des ambitionierten Projektes stand erst einmal die Auswahl einer Serie, an der Bastei die Rechte besaß. In den engeren Kreis schafften es „Conny“ und „Vanessa – Die Freundin der Geister“. Beides waren sogenannte Mädchenserien für Leserinnen von 8 bis 13 oder 14 Jahren. Letztendlich machte „Conny“ das Rennen. Die Serie war deutlich einfacher und billiger zu produzieren als „Vanessa“ mit ihren herumspukenden Geistern, die kostspielige Spezialeffekte erforderten.

Sozusagen als Fundament der Fernsehserie stand zunächst die konzeptionelle Umgestaltung des „Conny“-Comics an. Bislang erschienen in dem Magazin lauter abgeschlossene Geschichten mit immer wechselnden Protagonisten. Kurioserweise gab es noch nie eine Comicfigur, auf die sich der Hefttitel bezog. In dem neuen Konzept spielte nun eine Titelheldin namens „Conny“ die Hauptrolle. Ihre fortan in jedem Heft erscheinenden Abenteuer fanden in einem fest definierten Umfeld und Freundeskreis statt. Kaum dass die ersten Hefte der „neuen“ Conny auf dem Markt waren, schob man einige auf dem Comic basierende Romane als Taschenbücher hinterher. Geschrieben von der damaligen Bastei-Redakteurin und späteren Chefredakteurin bei Egmont Ehapa Frau Dr. Petra Fohrmann.

Im nächsten Schritt beauftragte Werner Geismar Petra Fohrmann und mich mit dem Schreiben der Fernsehdrehbücher. Wir starteten das Projekt ganz entspannt an einem heißen Sommertag auf meiner Terrasse. Die Serie sollte keine Eins zu Eins Adaption der Comics sein. Um die Produktionskosten nicht in astronomische Höhen zu treiben, musste vieles, was in Comics machbar war, für die filmische Umsetzung simplifiziert werden. Außerdem bestand die Serie zwar aus mehr oder weniger in sich abgeschlossenen Geschichten, sollte aber auch Storylines beinhalten, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Staffel zogen. Zudem gehörten Nebenfiguren, die im Comic meist nur am Rande oder in manchen Heften gar nicht vorkamen, bei einer Verfilmung zum festen Ensemble. Bedeutete, jede Figur benötigte in jeder Folge Szenen, um sich zu profilieren. Kurzum, wir mussten die Serie für eine Fernsehumsetzung zum großen Teil neu erfinden.

Zuerst entwarfen wir die einzelnen Charaktere und ihre charakteristischen Eigenschaften. Wir machten die Hauptfigur Conny mit 17 Jahren etwas älter als in den Comics, damit man zwischendurch auch mal einen Hauch von Sex einstreuen konnte. Außerdem war die Auswahl an Schauspielern in dieser Altersgruppe bedeutend breiter gestreut als bei 13- bis 15-Jährigen. Danach folgte die Entwicklung von Themen für die einzelnen Episoden, verwoben mit kleinen Dramen für unsere junge Heldin. Bis zum Abend hatten wir die Plots der Pilotfolge und der übrigen elf Folgen der ersten Staffel im Groben fertig. Darauf basierend arbeiteten wir in den folgenden Wochen ein sehr detailliertes Treatment aus, in dem wir die Ereignisse der ersten Staffel und die persönliche Entwicklung jeder Figur festlegten.

In der Zwischenzeit begab sich Werner Geismar auf die schwierige Suche nach einem Fernsehsender, der die Produktion und deren Kosten übernahm. Da Privatsender seinerzeit noch in den Kinderschuhen steckten, kam für die Zusammenarbeit nur eine öffentlich rechtliche Sendanstalt in Frage. Am erfolgversprechendsten lief die Bewerbung bei dem nur wenige Kilometer vom Verlagsstandort ansässigen Westdeutschen Rundfunk (WDR). Beim ersten Meeting zeigte sich der zuständige Redakteur des Senders von dem „Conny“-Treatment begeistert und wollte die Serie im Vorabendprogramm der ARD unterbringen. Da die Zuschauergruppe in der Mehrzahl aus Erwachsenen bestand, mussten die Geschichten von Petra Fohrmann und mir an die vorgegebene Altersstruktur angepasst und das Treatment entsprechend umgeschrieben werden. Was wiederum einige Wochen in Anspruch nahm.

Das anschließende Meeting beim WDR begann mit einem Dämpfer. Der bis dahin für das Projekt zuständige Redakteur war überraschend versetzt worden. Seine Nachfolgerin konnte sich überhaupt nicht mit „Conny“ als Vorabendserie anfreunden. Sie meinte, das Thema „Mädchen, reiten, Pferde“ sei mehr etwas für Kinder unter zehn Jahren. Es dauerte einige Wochen, bis wir einen Termin bei der für das Kinderprogramm zuständigen WDR-Redakteurin bekamen. Die zeigte sich durchaus an der Serie interessiert, allerdings müsste das Treatment natürlich umgeändert werden, um die Geschichten für ihre junge Zielgruppe attraktiv zu gestalten.

Also schrieben Petra Fohrmann und ich das Treatment für ein bedeutend jüngeres Publikum erneut um. Worauf das nächste Meeting beim WDR und ein weiterer Stolperstein folgten. Denn die für das Kinderprogramm zuständige Redakteurin war kurzfristig „verhindert“. Ihre Stellvertreterin ließ uns ausrichten, dass man es nach reiflicher Überlegung für besser fände, wenn „Conny“ für Teenies im Alter zwischen 12 bis 15 Jahren produziert würde. Dafür sei aber eine andere Abteilung beim WDR zuständig, mit der wir einen Termin vereinbaren sollten.

Unsere Reaktion fiel vielleicht etwas anders aus, als von der Redakteurin erwartet: Statt ihrem Vorschlag Folge zu leisten, verließen Werner Geismar und ich die Sendeanstalt, setzten uns in ein Straßencafé und überlegten, wie wir künftig vorgehen sollten. Wir wollten auf gar keinen Fall den nervenaufreibenden Zirkus mit dem „Redaktions-Karussell“ beim WDR weiter mitmachen. Stattdessen suchten wir nach einer Strategie „Conny“ selbst zu finanzieren und produzieren.