Comicverfilmungen in Deutschland – Teil 2 Oder: Es hat nicht sollen sein

Seit 1977 schrieb der Schriftsteller und Comicautor Peter Mennigen zunächst deutsche Geschichten für Comicreihen wie „Gespenster Geschichten“, „Spuk Geschichten“, „Conny“, „Biggi“, „Vanessa“, „Felix“, „Lasso“, „Phantom“, „Axel F.“ und zahlreiche weitere Serien des Bastei Verlags. Ab den 90er Jahren arbeitete er für andere Verlage wie Egmont (Disney-Magazine), Panini (Jessy, Sternentänzer, Willi will‘s wissen) und Ravensburger (u.a. Fix und Foxi). In dieser Zeit verfasste er auch internationale Comics: „Lucky Luke“, „Schlümpfe“, „Bessy“ und „Isnogud“. Aktuell arbeitet er zusammen mit Ingo Römling an der Mystery-Steampunk-Serie „Malcolm Max“. Für comic.de blickt er in unregelmäßigen Abständen zurück auf seine Arbeit im deutschen Comicverlagsgeschäft.

Hier findet sich der 1. Teil, hier der 3.

Werner Geismar fand relativ schnell einen kompetenten Produzenten. Der schlug vor, die Dreharbeiten aus Gründen der Kostenersparnis nach Ungarn zu verlagern. Weshalb ein ungarischer Regisseur mit ins Boot geholt wurde, der auch die Verpflichtung einer ungarischen Filmcrew und die Suche nach idealen Drehorten übernehmen sollte. Werner Geismar vereinbarte ein Treffen mit dem Regisseur, Petra Fohrmann und mir, um über das Treatment, dessen Inhalte und die Umsetzung der einzelnen Episoden zu diskutierten.

Mitte 1993 schrieb ich mehrere auf der anstehenden Fernsehserie basierende Romane, die als Hardcoverbücher im Fischer Verlag erschienen. Zu der Zeit sah unser TV-Projekt viel versprechend aus, stand aber immer noch auf tönernen Füßen. Denn es fehlte außer den Drehbüchern auch noch die Finanzierung der Serie. Vollkommen unerwartet trat zusätzlich ein Zeitproblem auf: Gerüchten zufolge bastelte Egmont Ehapa nämlich gerade ebenfalls an der Realverfilmung seines Mädchen/Pferdecomics „Wendy“. Im Gegensatz zu Bastei war Ehapa finanziell so gut aufgestellt, dass der Verlag die Finanzierung seiner Serie locker ohne externen Geldgeber stemmen und so den Fernsehanstalten das fertige Produkt quasi umsonst zur Ausstrahlung anbieten konnte. Als Teil des gigantischen Werbefeldzugs, den Egmont für sein „Wendy“-Magazin auf allen möglichen medialen Ebenen fuhr, was unserer armen „Conny“ arg zu schaffen machte.

Um die Budgetsituation der beiden um dieselbe Mädchenzielgruppe konkurrierenden Comicmagazine zu verdeutlichen: Bei „Wendy“ arbeiteten damals vier bis sechs Redakteurinnen an dem Magazin. Bei Bastei waren einzig und allein Marion Strothteicher und Manfred Schmeing für „Conny“ verantwortlich (beide betreuten außerdem noch weitere Serien). Wir wollten „Conny“ unbedingt vor „Wendy“ ausstrahlen lassen, doch uns lief die Zeit davon. Wir brauchten dringend einen Investor.

Binnen weniger Monate fand Werner Geismar eine Lösung. Eines schönen Samstags stand er zusammen mit dem leitenden Marketingmanager der RWE Rheinbraun AG vor meiner Haustür. Wir saßen den ganzen Tag und die halbe Nacht zusammen und besprachen die einzelnen Elemente der Serie und deren Charaktere. Als Ergebnis kam eine Kooperation zwischen Bastei und RWE Rheinbraun zustande. Das Budget für die „Conny“-Fernsehserie machte für den Konzern einen vergleichsweise geringen Teil des jährlichen Werbeetats aus. Als Gegenleistung verlangte man lediglich die Nennung von RWE Rheinbraun als Sponsor im Abspann und dass die Dreharbeiten der ersten Staffel im Umfeld des Braunkohle Tagebaus Garzweiler stattfanden. Wobei auch durchaus die Auseinandersetzungen mit kontroversen Themen in die Geschichten einfließen durften, wie der Abriss ganzer Dörfer aufgrund des voranschreitenden Braunkohleabbaus. Bestandteil der Kooperation war neben der Finanzierung der Fernsehserie auch noch die eines Kinofilms.

Entsprechend der ausgehandelten Vorgaben schrieben Petra Fohrmann und ich das Treatment dahingehend um, dass die erste Staffel der Fernsehserie quasi ein Prequel der Comicserie sein würde, in dem sich unsere Protagonisten gezwungen sahen, ihren alten Reiterhof wegen des Braunkohleabbaus von Garzweiler zu verlassen, um sich eine neue Heimat zu suchen, wo dann die Drehorte in Ungarn ins Spiel kommen würden.

Nach Genehmigung des Treatments und der Fertigstellung der Plots für die Episoden der ersten Staffel, teilten wir die Storys so untereinander auf, dass jeder von uns sechs Drehbücher schrieb. Anfang 1995 stand der Verfilmung von „Conny“ eigentlich nichts mehr im Wege. Die Drehbücher waren fertig, die Finanzierung war gesichert, der Produzent kümmerte sich um das Casting der Schauspieler und der Regisseur um die Rekrutierung der Filmcrew und die Anmietung der Drehorte. Binnen weniger Wochen konnten die Aufnahmen für „Conny“ starten und die Pre-Production des Kinofilms beginnen. Der größte Nutznießer des Projekts würde Bastei sein. Der Verlag bekam eine Fernsehserie plus eines Kinofilms kostenlos auf dem Silbertablett serviert und… versaubeutelte es grandios.

Anfang der 1990er Jahre hatte sich Gustav Lübbe, der Gründer und Verleger des Bastei Verlages, in den Ruhestand zurückgezogen. Die Verlagsleitung übernahm sein Schwiegersohn, der nicht mit der etwas „freigeistigen“ Art von Werner Geismar zurechtkam. Die interne Auseinandersetzung schaukelte sich im Lauf der Jahre immer weiter hoch und gipfelte Mitte 1995 – kurz nach dem Tod von Gustav Lübbe – in der Auflösung der Jugendredaktion. Aufgrund der damit verbundenen Entlassung von Werner Geismar zog der Marketingmanager der RWE Rheinbraun AG die angebotene Finanzierung zurück, womit die auf den Weg gebrachten Comicverfilmungen gestorben waren.

Jahre später erzählte mir ein Kölner Fernsehproduzent, der Verleger von Bastei habe ihm persönlich die „Conny“-Drehbücher von Petra Fohrmann und mir angeboten. Aber ohne gleichzeitige Finanzierung von Seiten des Verlages war das nicht nur bei seiner Firma aussichtslos, sondern würde auch bei jeder anderen Produktionsgesellschaft ein fruchtloses Unterfangen sein.