Die neue Graphic Journey von Sebastian Lörscher („Making Friends In Bangalore“)
2011 reiste der Berliner Autor und Illustrator Sebastian Lörscher nach Bangalore. Seine Eindrücke hielt er in seinem Skizzenbuch fest, das 2014 schließlich als „Making Friends in Bangalore“ in der Edition Büchergilde veröffentlicht wurde. Seither gilt Lörschers Reisetagebuch als zurecht viel gelobter Vertreter der ‚Graphic Journey’, also des gezeichneten Reisetagebuchs in der erweiterten Nachbarschaft zum Graphic-Novel-Etikett. In dieser Region sind als weitere exemplarische Titel noch „Havanna: Eine kubanische Reise“ von Reinhard Kleist, „Tagebuch einer Reise“ von Craig Thompson, „Im Land am Rand“ von Alexandra Klobouk oder „Reise zum Kerguelen-Archipel“ von Emmanuel Lepage zu nennen.
Jetzt hat sich auch Sebastian Lörscher wieder aufgemacht und die Impressionen von unterwegs in bunten Skizzen, comichaften Bild/Text-Kombinationen und heiteren Gesprächs-Aufzeichnungen in Textform festgehalten. Allerdings ging es nicht in den Süden Indiens oder andere ferne, exotische Gefilde, sondern ins Wilde Österreich, und herauskam das Hardcover „A bisserl weiter geht’s immer!“.
Drei Monate lang erkundete der 1985 in Paris geborene Lörscher, der in München aufwuchs und in Würzburg und Berlin studierte, das alpine Nachbarland abseits der touristischen Routen und bereiste alle‚Klimazonen’ zwischen Hauptstadt und Bergwelt. Ob in der Sauna, auf dem Flohmarkt, im Buch-Antiquariat, auf der Alm, vor der Wurstbude oder im Nacht-Club; ob Tiroler Bergbauern, die wie Paris Hilton posieren, eine alte Dame in einem gemütlichen Wiener Kaffeehaus, ein junger Rapper in der Steiermark, ein Trucker aus Montenegro oder ein von der NASA träumender Motorrad-Mechaniker in Graz: Lörschers Blick- und Schwerpunkt liegt konsequent auf den Menschen – ihrer Art, ihrer Mentalität, ihrer Philosophie, ihrer Denkweise und ihrer Sprache.
Schlagworte wie „Graphic Journey“ oder „Graphic Theatre“ (wie auf dem Cover zu lesen) muss man nach wie vor nicht ins Herz schließen – Sebastian Lörschers zweites Reisetagebuch jedoch umso mehr, selbst wenn man, anders als Lörscher oder der Autor dieser Zeilen, keinen Falco-Fimmel hat. Denn Lörscher entpuppt sich erneut als guter Beobachter und – dieses Mal eben ohne absolute Sprachbarriere, obwohl einige Fußnoten nötig sind, um den ‚austrialischen’ Dialekt zu dechiffrieren – als exzellenter Zuhörer. So gelingt ihm als Sammler kleiner Momentaufnahmen ein charmantes Portrait der österreichischen Seele.
Schee, fesch und sicher kei Schmäh – da gibt’s nix zu sudern.
Sebastian Lörscher: A bisserl weiter geht’s immer! Edition Büchergilde, Frankfurt am Main 2015. 144 Seiten, € 24,95