Wenn man etwas beim Autofahren nicht machen kann, dann ist es Comics zu lesen. Aber man kann Comics über Autos lesen – zumindest dann, wenn man nicht selbst am Steuer sitzt. Der Platzhirsch in diesem Bereich ist sicherlich der Rennfahrer Michel Vaillant, der 1957 von Zeichner und Autor Jean Graton erfunden wurde. Gratons Held war ein Rennfahrer, der die Formel 1 gewann, aber auch bei anderen illustren Rennen wie Le Mans mitmachte und häufig Verbrecher abseits der Rennstrecke überführte.
56 Alben schrieb und zeichnete Graton selbst, danach übernahm sein Sohn Philippe die Szenarios. Bis 2006 erschienen insgesamt 70 Alben, seit 2012 gibt es die sogenannte „Saison 2“, von der auch schon fünf Alben publiziert wurden. In Deutschland erscheinen diese in der Zack Edition des MOSAIK – Steinchen für Steinchen Verlags.
Von jeher von Vaillant angesprochen fühlte sich auch der deutsche Verleger Eckart Schott, der in seinem Verlag Salleck Publications seit Jahren verstärkt auf Titel setzt, die mit Automobilen zu tun haben. Jüngstes Beispiel dafür ist der fünfte Band von „Die Abenteuer von Jacques Gibrat“. In „Schmuggel auf dem Mittelmeer“ geht es ebenso wie in den vorherigen Alben nicht zwangsläufig um Autos, sie sind aber ein wundervolles Element der in den frühen 1950er Jahren spielenden Kriminalgeschichten.
Der aktuelle Band enthält auch eine Seite über den klassischen Ford Vendette mit Fotos, aber auch Zeichnungen der ersten drei Generationen dieses Wagens – alles ergänzt um einen informativen Text, der den Leser in die Historie dieses Automobils eintauchen lässt. Schott ergeht es hier, wie vielleicht vielen seiner Kunden. Ein Auto-Narr ist er nicht, aber er meint: „Als bekennender Michel-Vaillant-Fan sind mir eben diese Oldtimer-Comics aufgefallen. Und das Design von vielen Oldtimern finde ich generell schöner, als das von vielen modernen Autos.“
Er hat sein Programm dementsprechend auch auf diesen Bereich ausgerichtet. „Jagd auf einen Mini“ spielt Anfang der 1960er Jahre. Professor Tumulus ist in Indien und findet seltsame Kratzer auf der Motorhaube seines Minis, die ihn zwei Jahre später auf eine halsbrecherische Verfolgungsjagd führen. Das Auto ist hier so etwas wie ein Hauptdarsteller – Autor und Zeichner Régric setzt den kleinen Klassiker prominent in Szene. Er ist der Katalysator für die Geschichte, zugleich aber auch ein wesentliches Element.
Die bislang aus vier Alben bestehende Reihe „Margots Reportagen“ schlägt in eine ähnliche Kerbe. Schon im ersten Band versucht die bei einer Automobilzeitschrift tätige Sekretärin herauszufinden, ob es den legendären Citroën 22 CV überhaupt gegeben hat. Die Geschichte spielt 1959, der zweite Band dann 1960. Hier nimmt sie an einem Rennen teil –mit einem Citroën ID 19, während die Konkurrenz eine Corvette fährt. Neben den abenteuerlichen Geschichten ist es auch die Inszenierung der formschönen Oldtimer, die diese Comics für eine Klientel außerhalb der üblichen Connaisseurs der Neunten Kunst interessant machen.
Das hat Schott auch erkannt, weswegen er nicht nur Comic-Festivals aufsucht, sondern seine Publikationen auch bei Auto-Schauen präsentiert und sich hier ein ganz neues Publikum erarbeitet hat. Besonders reizvoll für die Leser sind dabei Geschichten, in denen Oldtimer zum Zug kommen. Dazu Schott: „Das liegt auch an der Retro-Welle in diesem Bereich.“
Ein Kleinod ist hier die fünfteilige Reihe „Mauro Caldi“ um einen Mechaniker, der gerne Rennfahrer werden würde. Hier sind es vor allem italienische Modelle, die in den Vordergrund gerückt werden. Bei den französischen Publikationen setzt man sehr gerne auf den Citroën, so wie in „Die Abenteuer von Bob Neyret, Gentleman Driver“, in dem junge Frauen als Rennfahrerinnen für die Rallye Monte Carlo ausgebildet werden sollen.
Häufig setzen die Künstler bei ihren Geschichten auf einen weniger realistischen Stil – von den Autos selbst abgesehen. Anders verhält es sich bei „Im roten Bereich: Carrera“ (aus dem das große Bild über dem Text stammt). Die Geschichte spielt Mitte der 1950er Jahre, als ein Rennfahrer von seinem Rennstall aussortiert wird, weswegen er es anstatt des Citroën mit einem Porsche versucht. In eine ähnliche Kerbe schlägt der kommende Titel „Alpine“, während „Ayrton Senna“ die Comic-Biographie des bei einem Unfall verstorbenen Rennfahrers ist.
Abseits von „Michel Vaillant“ mögen Rennfahrer-Comics nicht mehr im Trend liegen, das Interesse an Oldtimern ist jedoch – auch und besonders außerhalb der üblichen Comic-Klientel – groß, so dass sich gerade Salleck Publications mit seinen vielseitigen Veröffentlichungen eine Nische erobert hat. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die abseits der großen Verlage stattgefunden hat, die aber auch des Einsatzes eines beherzten Verlegers bedarf. Man darf gespannt sein, welche Zeitreisen in die Glanzzeit des Automobils Salleck künftig noch präsentieren wird.