Patrick Prugnes Ausflüge in die Neue Welt

Es ist nicht der klassische Western, dem sich der Künstler Patrick Prugne verschrieben hat. Seine Geschichten spielen mehrheitlich noch weit früher, zu einer Zeit, als es die USA noch nicht gab, als die Franzosen und die Engländer in der Neuen Welt Fuß fassten und die Natur noch weitestgehend unberührt war. Das kleidet der Künstler in prächtige, zum Verweilen einladende Aquarellzeichnungen. Gerade in den letzten Jahren hat er sich aber auch als einfühlsamer Autor erwiesen.

Seinen ersten Ausflug in die Neue Welt bestritt er noch als reiner Zeichner. „Canoe Bay“ wurde von Tiburce Oger geschrieben. Die Geschichte spielt zur Mitte des 18. Jahrhunderts, als Franzosen und Engländer sich wegen der Kolonie im Krieg befinden. Das ist nur der Auftakt, folgt „Canoe Bay“ doch den Abenteuern eines Waisenjungen, der nach Florida deportiert wird, aber nach einer Meuterei auf dem Sklavenschiff in Richtung Karibik unterwegs ist. Dies ist noch nicht die Art Geschichte, die Prugne selbst erzählt hätte, aber die Saat hierfür ist schon erkennbar. Aufgegangen ist sie zwei Jahre später – im Jahr 2011 –, als Prugne „Frenchman“ vorstellte, für das er nicht nur die Zeichnungen geliefert, sondern auch den Text geschrieben hat.

Der Comic erzählt von einem Franzosen, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den USA von einem Trapper vor dem Schafott gerettet wird und mit ihm das Indianerland durchstreift. Es geht um das Ende eines und den Anfang eines gänzlich neuen Lebens. Die Geschichte ist minimalistisch aufbereitet, aber packend. Die mit Wasserfarben erschaffenen Zeichnungen sind eine Augenweide. 20 Seiten Bonusmaterial zeigen interessante Skizzen und Zeichnungen, die in Vorbereitung für das Projekt entstanden sind. Auch das ist fortan ein Standard in Prugnes Alben und bieten nicht nur Aufschluss darüber, wie er an seine Arbeit herangeht, sondern warten auch mit formvollendeten Zeichnungen auf, die man sich nur zu gerne an die Wand hängen würde.

Die Fortsetzung erschien 2013 unter dem Titel „Pawnee“. Sieben Jahre sind vergangen, in denen ein Mann bei den Indianern gelebt hat. Nun möchte er wieder nach Hause. Seine Schwester sucht derweil ihn in der Neuen Welt, während die Indianerkriege sich immer stärker ausweiten. Patrick Prugne erzählt eine simple Geschichte, die von imposanten Bildern getragen wird. Jedes Einzelne ist ein Gedicht. Die Geschichte selbst ist mehr als nur ein klassischer Western-Stoff, ein großes Epos intimer Momente.

Ganz neu ist nun Prugnes „Irokesen“, mit dem er zu Beginn des 17. Jahrhunderts zurückkehrt, als Neufrankreich noch wenig mehr als ein Traum und Quebec lediglich ein kleines Fort war. Dessen Gründer Samuel de Champlain ist mit den Huronen verbündet, mit denen er regen Pelzhandel treibt. Doch diese werden immer wieder von ihren Feinden, den Irokesen, angegriffen, weswegen sich Champlain mit seinen Männern aufmacht, die Huronen zu unterstützen und die Irokesen zu bekämpfen.

Es ist eine vielschichtige Geschichte, die Prugne hier bietet. Eine, die sehr schön zeigt, wie in großen Momenten der Historie die Akteure falsche Entscheidungen treffen oder schlichtweg nicht erahnen, was aus ihnen entstehen wird. Was man hier miterlebt, ist der erste Konflikt zwischen Franzosen und Irokesen, nach dem Champlain glaubt, dass es bald zu Friedensverhandlungen kommen wird. Aber er hat sich geirrt, die geschichtliche Entwicklung war eine andere und brachte zwei Jahrhunderte des fortwährenden Konflikts mit sich.

Der 56-jährige Prugne hat nicht nur diese Abenteuergeschichten illustriert, von ihm stammen auch Werke wie „Die Herberge am Ende der Welt“ und „Die Straßenkinder von Montmatre“, es ist jedoch sein Neuer-Welt-Zyklus, der in sich am Stimmigsten ist, zumal der Künstler hier ein Stück Geschichte bearbeitet, das nur zu oft zu Gunsten klassischer Wild-West-Settings übergangen wird. Und sein nächstes Projekt? Darüber ist noch nichts bekannt, aber sicherlich wird der Splitter Verlag nach Erscheinen in Frankreich nicht viel Zeit verstreichen lassen, um den Fans Neues von Patrick Prugne vorstellen zu können – und sie vermutlich wieder in die Neue Welt entführen.