Conan ist stocksauer. Da will ihm ein verweichlichter Richter doch tatsächlich erzählen, dass er in der Stadt nicht einfach tun und lassen kann was er will und doch gefälligst das Versteck eines Kumpanen preisgeben soll. Das schmeckt dem Cimmerier gar nicht: Er macht den Richter einfach einen Kopf kürzer und flieht Hals über Kopf zum Hafen, wo er ein kleines Handelsschiff entert. Der verschreckten Besatzung macht er klar, dass er ab jetzt mitschippert – und so geht es auf in Richtung Kush, der Schwarzen Küste, wo man allerlei Handel mit Gold, Schätzen und Sklaven treiben will. Alsbald taucht jedoch ein verhängnisvoller Schatten am Horizont auf: Zum allgemeinen Entsetzen wird man von Piraten überfallen. Und zwar nicht von irgendwelchen Freibeutern, sondern von der Königin der Schwarzen Küste selbst.
Die wilde Belit, Herrscherin über eine Horde schwarzer Schwerenöter, bricht wie ein Orkan über das Schiff herein. Mit dem nicht minder wilden Cimmerier fühlt sie sofort eine Verbindung – und ehe er sich‘s versieht, segelt Conan mit seiner neuen Gefährtin entlang der Küste, wo das Pärchen nach Herzenslust raubt und brandschatzt. Belit scheint in dem ungezähmten Mann aus dem Norden ihren Seelenfreund gefunden zu haben – bis man in den Fluss Zarkheba einläuft, ein gespenstisches Gewässer, an dessen Ufern sich eine verfallene Stadt befindet, die der Legende nach sagenhafte Schätze bergen soll. Als Conan und Belit sich aufmachen, diese Kostbarkeiten in Besitz zu nehmen, nimmt das Schicksal seinen Lauf…

Jean-David Morvan (Autor), Pierre Alary (Zeichner): „Conan der Cimmerier Bd. 1: Die Königin der Schwarzen Küste“.
Aus dem Französischen von Harald Sachse. Splitter, Bielefeld 2018. 64 Seiten. 15,80 Euro
Vor allem aber schwingt die Atmosphäre eines klassischen Epos durch die Erzählung, in der Belit die Seelenverwandschaft und Vorsehung offen ausspricht, die man anderweitig auch als wohlwollendes Universum deuten könnte: „Du siehst, es gibt keine Zufälle. Ich habe dich erwartet“. Dass die Sache nicht allzu gut ausgeht, liegt in der ruppigen Natur des Hyborischen Zeitalters und der existenzialistischen Weltsicht Howards, in dem der wilde Mann aus dem Norden letzten Endes immer auf sich selbst gestellt ist. Naturgemäß diente die Belit-Story schon verschiedentlich als Vorlage auch für Comic-Adaptionen: Im legendären 70er-Jahre-Run von Roy Thomas, Barry Windsor-Smith und John Buscema, die Conan ins Marvel-Universum und ins populäre Bewusstsein hoben, erschien in den Ausgaben 57, 58 und 100 eine erweiterte Version der Geschichte, und auch der Reboot bei Dark Horse nutzte Motive der Geschichte für die ersten Ausgaben.
Selbst die immer noch stilprägende Verfilmung mit „uns Arnie“ von 1982 greift einige Elemente aus Howards Erzählung auf (Conans Gefährtin stirbt, eilt ihrem Helden aber dennoch zu Hilfe), und Jean-David Morvan (u. a. „Sillage“, „Chaos“, „Univerne“) dwählte ebenfalls ganz bewusst das Belit-Epos zum Auftakt seiner Serie um den wilden Cimmerier. Die hält sich inhaltlich sehr nah an der Vorlage, mit einigen wörtlichen Zitaten und viel Augenmerk auf das Innenleben der Figuren. Markant dabei vor allem die Inszenierung durch Pierre Alary (u. a. „Moby Dick“, „Silas Corey“), die ganz bewusst den gewohnten Look verlässt, den Thomas, Buscema, Frank Frazetta und auch der Schwarzenegger-Film definierten. Im stilisierten, franko-belgischen Stil kommt das Epos daher, mit ausladenden Panels und nicht zuletzt treffender grafischer Aufnahme der S/M-Elemente der wilden Liaison. Als abgeschlossener Band mit reichhaltigem Anhang ein furioser Auftakt, der mit „Natohk, der Zauberer“ und „Jenseits des Schwarzen Flusses“ bereits zwei von elf Fortsetzungen erhielt. Und nach wie vor fragen wir uns alle: What if Conan had never… aber lassen wir das.
Dieser Text erschien zuerst auf Comicleser.de.
Holger Bachmann ist Autor diverser Bücher und Aufsätze zur Film- und Literaturgeschichte. Neben dem Comicleser.de schreibt er auf kühleszeug.de über Konzerte und geistvolle Getränke.