Unlucky Loser

„Etwas Populäres kann keine Kunst sein. Alle erfolgreichen Autoren stellen nichts anderes als Produkte her. Dass sich die meisten Leute von mir und meinem Schreiben fernhalten, beweist, dass ich ein wahrer Künstler bin“, erklärt der erfolglose amerikanische Autor Fante Bukowski in einem Interview mit dem Online-Magazin „Slate“.

Noah Van Sciver: „Fante Bukowski“.
Aus dem Englischen von Benjamin Mildner. Avant-Verlag, Berlin 2020. 416 Seiten. 30 Euro

Er ist Mitte 20 und hält sich für das größte literarische Genie der Gegenwart in der Tradition von John Fante und Charles Bukowski, nach denen er sich benannt hat. Fante lebt in einem billigen Hotel, versucht Alkoholiker zu werden und verfasst vor allem autobiografische Gedichte über sein Leiden an der Welt: „Es gibt eine Party, aber ich bin nicht eingeladen / Außenseiter. Einsam. Lasst mich rein / Liebe. Wo ist die Liebe in dieser Welt? Jeder, der Macht besitzt, ist ein Vollpfosten“. Dass er damit kein Publikum findet, daran sind in seiner Gedankenwelt vor allem die Lektoren schuld, die ihm Absagen schicken, da seine Schreibe „zu neu, zu frisch und zu großartig“ sei und die Leser stattdessen „immer nur dieselbe alte Scheiße“ lesen wollen. Schuld sind immer die anderen: Agenten, Verleger und Frauen, die ihn ablehnen, Eltern, die ihm kein Geld mehr zahlen wollen.

Fante Bukowski ist der unsympathische Star der gleichnamigen Comicreihe von Noah van Sciver, der sich stilistisch wiederum an Vorbildern des amerikanischen Comicundergrounds der 60er und 70er Jahre orientiert. Aber im Gegensatz zu Fante Bukowskis Ergüssen erreicht von Sciver durchaus die Größe und Tiefe von Robert Crumb, Art Spiegelman oder Trina Robbins. Vor seiner Karriere als erfolgloser Autor und übersehenes Genie war Fante der Rechtsanwalts­gehilfe Kelly Perkins in der Kanzlei seines Vaters, dessen Ablehnung ihm schwer zusetzt: „Dad. Ich will dich umbringen. / Vergleiche mich nicht mit dir. / Lass mich ich sein“ heißt es in einem seiner Gedichte. Trotz der unbeholfenen Worte seines Protagonisten gelingt Noah van Sciver, die Leser in dessen Gedankenwelt eintauchen zu lassen, in der es reale Verletzungen gab, die nicht weit von der eigenen Lebenswelt entfernt sind. Fantes Eltern lehnen ihn ab, als er dem Druck der Arbeitswelt nicht standhalten kann. Als Musiker macht er negative Bühnenerfahrungen, ihn plagen Zukunftsängste. Aber Fante zieht daraus die falschen Konsequenzen. Obwohl Fante Bukowski ein unsensibler Kotzbrocken ist, der sich permanent selbst überschätzt, rührt er den Leser in seiner Verlorenheit in der Welt durchaus an. Im realen Leben kennen will man einen solchen Menschen dennoch nicht.

Dieser Text erschien zuerst in: Stadtrevue 06/2020

Hier gibt es eine weitere Kritik zu „Fante Bukowski“.

Jonas Engelmann ist studierter Literaturwissenschaftler, ungelernter Lektor und freier Journalist. Er hat über „Gesellschaftsbilder im Comic“ promoviert, schreibt über Filme, Musik, Literatur, Feminismus, jüdische Identität und Luftmenschen für Jungle World, Konkret, Zonic, Missy Magazine und andere, ist Mitinhaber des Ventil Verlags und Co-Herausgeber des testcard-Magazins.

Seite aus „Fante Bukowski“ (Avant-Verlag)