Hinreichend Dosenbier – „Hellboy – Die Goldene Armee“

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Am Ende ist auch ein Dämon wie Hellboy (Ron Perlman) nur ein Mensch, der Krach mit der Liebsten hat und einen Freund an der Seite, dem’s emotional kaum besser geht, mit hinreichend Dosenbier – und vor allem mit diesem einen Song in der Anlage, dessen Schmalz die Sache so prägnant auf den Punkt bringt, dass beide, wie sie da so liegen, sinnierend bei Barry Manilow miteinstimmen: „You know, I can’t smile without you“.

Man sieht einen Dämon mit abgeschliffenen Hörnern, in der Mythologie des Franchise eigentlich der Erzfeind der Menschheit, der nun jedoch im Verborgenen für eine paranormale Spezialeinheit des F.B.I. gegen andere Ungetüme seines Schlags antritt. Und man sieht das hypersensitive Amphibienwesen Abraham Sapien (Doug Jones) und doch sind das hier vor allem Jungs mit erstem Liebeskummer, aufrichtig emotional, mit allem verzeihlichen Hang zum entspannten Pathos, denn der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro ist einer der wenigen großen Meister im gegenwärtigen phantastischen Kino und ein souveräner Pendler zwischen den amerikanischen Nationen und zwischen Blockbuster- und Arthaus-Kino. Der Grad von Welthaltigkeit, den er mit geringstem Aufwand erzielt, steht in einem Fantasyspektakel eigentlich kaum zu erwarten. Und doch: Die Szene, die beglückendste des Films, ist schon jetzt ein Klassiker.

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Dass sie in ihrer Schlichtheit derart haften bleibt – und den Film erdet, wenn nicht rettet -, ist vielleicht das eigentliche Wunder. Denn das Sequel zur gerade wegen ihrer sorgfältigen Mischung aus aufrichtigem Monster-Melodram, augenzwinkernder Pulpiness und Attraktionskino so großartigen ersten Comicadaption setzt ansonsten auf Getöse.

Erneut geht’s kataklysmisch zu: Ein aufbegehrender Elfenprinz (Luke Boss) aus der Unterwelt will das Kommando über die Goldene Armee – eine Heerschar magisch-mechanischer, unzerstörbarer Riesenungetüme – gewinnen, um die Menschheit zu vernichten und ein neues magisches Zeitalter zu begründen. Vergraben hatte die Söldner vor Äonen der Elfenkönig, Herrscher über alle Fabelwesen, um nach Jahren des Krieges endlich Frieden mit den Menschen zu finden und um deren Ausrottung abzuwenden. Dem kommen Hellboy und sein paranormales Team zunächst zögerlich auf die Spur, um bald schon atemlos von Episode zu Episode, von großen zu immer noch größeren Fabelwesen zu hechten.

Und fast könnte man die Uhr stellen: Keine zehn Minuten vergehen ohne obligatorischen, zu überwindenden Monstergegner. Ein Waldgott von gigantischen Ausmaßen etwa erscheint so rasch und unverbindlich, wie er niedergeschlagen wird und bleibt dabei nur Episode: „Hellboy 2“ ist gigantomanische Monsterrevue mit zwar selten gesehener Liebe zum feinziselierten Detail in Gestaltung noch kleinster Gegenstände, vom beachtlichen Bestiarium ganz zu schweigen; doch gewinnt ob solcher Texturfreude der angestrengte Eindruck eines begehbaren, aber alles erschlagenden Bildbands mitunter die Oberhand.

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Was schade ist, denn ohne Zweifel gibt es zwischendurch viel Sehenswertes. Der Trollmarkt etwa, mitten in New York und doch vor den Menschen verborgen, bietet buchstäblich auf engstem Raum eine Reizesfülle, mit der andere ganze Filme füllen. Oder die Pythia, die dunkel Hellboys Schicksal orakelt (und, darf man mutmaßen, damit auch einen Ausblick auf den zu erwartenden dritten Teil gestattet).

Und eine Glanzidee ist der rein gasförmige und deshalb in einem Taucheranzug untergebrachte Johann Krauss, dessen irrwitziges Spiel mit Nazihabitus-Kitsch – im Original mit einem zum Schreien komischen deutschen Akzent gesprochen – an die besten, sympathisch auf postmodern light gewendeten Pulp-Referenzen zwischen Mystik-Spinnerei und Esoterik-Nazis und damit an eine souveräne Leichtigkeit im Umgang mit dem angeeigneten popkulturellen Material erinnert, an der es zuweilen spürbar mangelt: Statt wie zuvor bei grellen Groschenheften bedient sich Del Toro nun im ästhetischen Fundus der heroisch-epischen Fantasy à la Tolkien und importiert deren oft so fürchterlich heiligen Ernst gleich mit, als handele es sich bei „Hellboy 2“ um eine Fortführung seines vorangegangenen, oscarnomnierten Fantasy-Dramas „Pans Labyrinth“.

So steht „Hellboy 2“ merkwürdig zwischen den Stühlen. Zum einen erscheint er als der vielleicht sogar ernst gemeinte Versuch Del Toros, in sein zweischieniges Werk eine Kreuzung einzubauen; zum anderen ahnt man schon das kommende Großprojekt: Für Produzent Peter Jackson arbeitet Del Toro derzeit mit „The Hobbit“ am erwartbar ähnlich ausstaffierten Prequel zu dessen „Herr der Ringe“-Trilogie. So ist der „Hellboy“-Film auch eine Art Warmlaufen fürs Tolkien-Format. Dabei hat der große Rote damit herzlich wenig gemein. Reichen ihm zum Glück doch Zigarren und Dosenbier. Und eine CD mit alten Liebesschnulzen.

Dieser Text erschien zuerst am 15.10.2008 in: perlentaucher.de

Hellboy 2 – Die Goldene Armee
Hellboy II: The Golden Army
USA 2008

R, B: Guillermo del Toro (nach dem Dark Horse Comic Book von Mike Mignola). P: Lawrence Gordon, Mike Richardson, Lloyd Levin. K: Guillermo Navarro. Sch: Bernat Vilaplana. M: Danny Elfman. A: Stephen Scott. Pg: Universal/Relativity Media/Dark Horse Entertainment. V: UPI. L: 120 Min. FSK: 12, ff. FBW: besonders wertvoll. Da: Ron Perlman, Selma Blair, Doug Jones, John Alexander, Luke Goss, John Hurt. Start: 16.10.2008

Thomas Groh, Jahrgang 1978, lebt seit 1997 in Berlin, ist Redakteur bei Deutschlandfunk Kultur und schreibt u. a. für die taz, den Tagesspiegel, den Perlentaucher und weitere Medien über Filme. Im Netz anzutreffen ist er in seinem Blog und auf Twitter.