Mit „The Punisher“ kehrt das US-Actionkino zu einzigartiger Güte zurück. Action, das bedeutet Bewegung, Actionkino, das bedeutet: Das Spektakel auf der Leinwand entspricht dem Spektakel vor der Kameralinse. „The Punisher“ nimmt das beim Wort: Autoachsen werden klanggewaltig überbelastet, Fahrzeuge werden nach allen Regeln der Kunst demoliert, was explodiert, ist danach auch jenseits des Films nurmehr schrottplatzreif: Von der Unverbindlichkeit computergenerierter Pixel, die sich gegenseitig neutralisieren, fehlt jede Spur. „The Punisher“ ist Kino der Physis – und dabei nach Dutzenden von leblosen Actiongames-Filmen ein Labsal für die Seele. Denn trotz aller Anachronismen in der Inszenierung (oder besser: trotz seines Aufgriffs anachronistischer Verfahren, die er aber zeitgemäß einzusetzen weiß) macht „The Punisher“ auch unverhohlen Spaß: Jungskino der schönen Sorte.
Die allgemein bekannte Story zeigt sich vor allem in der Gewichtung der Nachbarn des Punishers (Thomas Jane) von der späten „Welcome back, Frank“-Reihe inspiriert, ergänzt aber an einigen Stellen mit dramaturgischem Effekt: So muss Frank Castles gesammelte Familie, also auch entfernte Verwandte, in einer in Ausmaß und Inszenierung unglaublichen Vendetta-Aktion dran glauben, wenn Howard Saint (John Travolta) als hochrangiger Syndikatsverbrecher den Tod des eigenen Sohns rächt; der ließ sein Leben während eines FBI-Einsatzes, in dem Castle – so beginnt der Film – die Rolle des Maulwurfs übernommen hatte. Überhaupt stehen sich so nun zwei Rachegeschichten gegenüber, zwei Duellisten, die sich umkreisen und den Raum zwischen sich zunehmend verringern: Dem Noir-Szenario verleiht dies eine ungemeine Würze, der ohnehin graue Charakter des Punishers erfährt, nicht zuletzt auch durch seine spätere massive Trinksucht, deutlichere Ambivalenz, von der Legitimität seiner „Mission“ ganz zu schweigen.

© Columbia Tri-Star

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Natürlich herrscht nicht nur eitel Sonnenschein. Sicher lässt sich unter anderem anmerken, dass John Travoltas Verkörperung von Howard Saint zuweilen etwas blass bleibt. Dass manche pathetische Szenen in ihrer unironischen Auflösung beinahe schon wieder (unfreiwillig) ironisch gebrochen wirken und dass manche Auftritte des Punishers, vor allem seine Anhänglichkeit an das Shirt mit dem bekannten Motiv, zuweilen etwas Kindisches umgibt, ebenso. Doch was soll’s, geschenkt: „The Punisher“ ist den überwältigenden Teil seiner Spielzeit ganz formidables Kino des Spektakels, mit einem angenehm ernstgenommenen Plot und genügend eye candy, um das nur staunen wollende Filmgeek-Kind im Innern des alles durchschauenden Filmsouveräns mit links wieder zum Leben zu erwecken. Und dieses freut sich schon jetzt auf das unausweichliche Sequel, auf ein hoffentlich noch krachigeres, düstereres und lauteres.
Diese Kritik erschien zuerst in: filmtagebuch.blogger
The Punisher
USA 2004
Regie: Jonathan Hensleigh – Drehbuch: J. Hensleigh, Michael France – Kamera: Conrad W. Hall – Schnitt: Steven Kemper- Darsteller: Thomas Jane, John Travolta, Laura Harring, Omar Avila, James Carpinello, Mark Collie, Russ Comegys, Antoni Corone, Rick Elmhurst, Ben Foster, Michael Reardon Kinostart: 10.06.2004
Thomas Groh, Jahrgang 1978, lebt seit 1997 in Berlin, ist Redakteur bei Deutschlandfunk Kultur und schreibt u. a. für die taz, den Tagesspiegel, den Perlentaucher und weitere Medien über Filme. Im Netz anzutreffen ist er in seinem Blog und auf Twitter.