This is no vengeance, this is punishment! – „The Punisher“

© Columbia Tri-Star

Mit „The Punisher“ kehrt das US-Actionkino zu einzigartiger Güte zurück. Action, das bedeutet Bewegung, Actionkino, das bedeutet: Das Spektakel auf der Leinwand entspricht dem Spektakel vor der Kameralinse. „The Punisher“ nimmt das beim Wort: Autoachsen werden klanggewaltig überbelastet, Fahrzeuge werden nach allen Regeln der Kunst demoliert, was explodiert, ist danach auch jenseits des Films nurmehr schrottplatzreif: Von der Unverbindlichkeit computergenerierter Pixel, die sich gegenseitig neutralisieren, fehlt jede Spur. „The Punisher“ ist Kino der Physis – und dabei nach Dutzenden von leblosen Actiongames-Filmen ein Labsal für die Seele. Denn trotz aller Anachronismen in der Inszenierung (oder besser: trotz seines Aufgriffs anachronistischer Verfahren, die er aber zeitgemäß einzusetzen weiß) macht „The Punisher“ auch unverhohlen Spaß: Jungskino der schönen Sorte.

Die allgemein bekannte Story zeigt sich vor allem in der Gewichtung der Nachbarn des Punishers (Thomas Jane) von der späten „Welcome back, Frank“-Reihe inspiriert, ergänzt aber an einigen Stellen mit dramaturgischem Effekt: So muss Frank Castles gesammelte Familie, also auch entfernte Verwandte, in einer in Ausmaß und Inszenierung unglaublichen Vendetta-Aktion dran glauben, wenn Howard Saint (John Travolta) als hochrangiger Syndikatsverbrecher den Tod des eigenen Sohns rächt; der ließ sein Leben während eines FBI-Einsatzes, in dem Castle – so beginnt der Film – die Rolle des Maulwurfs übernommen hatte. Überhaupt stehen sich so nun zwei Rachegeschichten gegenüber, zwei Duellisten, die sich umkreisen und den Raum zwischen sich zunehmend verringern: Dem Noir-Szenario verleiht dies eine ungemeine Würze, der ohnehin graue Charakter des Punishers erfährt, nicht zuletzt auch durch seine spätere massive Trinksucht, deutlichere Ambivalenz, von der Legitimität seiner „Mission“ ganz zu schweigen.

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Wunderbar ist vor allem der souveräne Umgang des Films mit den vielen Traditionen, die er aufgreift, ohne aber diesen Aufgriff in den Fokus seiner Bemühungen zu nehmen: Seine Wurzeln liegen ästhetisch im Film Noir, die der Struktur der Erzählung im Western, die seiner Motive im urbanen Copthriller der 70er Jahre und die seiner Mittel im US-Actionkino der 80er Jahre – von Schwarzenegger über Dudikoff und Stallone. Doch um geekige spot-the-reference-Spiele geht es hier nicht, im Gegenteil zieht „The Punisher“ aus diesen Wegbereitern lediglich das Beste, um es im eigenen Sinne anzuwenden. Dass er dabei seinen Selbstjustizkomplex weniger als soziopolitisches (und entsprechend faschistoides) Projekt, sondern eher als Pulp-Motiv in einem hermetischen Pulp-Universum versteht, ist dabei nur angenehm: Die Comicfigur des Punishers trat in den 70er Jahren zu einer Zeit in Erscheinung, als die populäre Kultur in den USA voll war mit ähnlich angelegten Figuren, die das Gesetz in die eigene Hand nahmen. So kann man die Besetzung von Castles Vater mit einem gut gealterten Roy Scheider vielleicht auch als latente Anspielung auf „French Connection“ (USA 1971) wahrnehmen. Und an einer Stelle wird (zumindest im Originalton, in der Synchronisation wird dies wohl entfallen) mit einem entnommenen One-Liner eindeutig Brian de Palmas selbst schon artifiziell gehaltenes Selbstjustizepos „Die Unbestechlichen“ (USA 1987) zitiert, eine Tötungssequenz erinnert zudem auf struktureller Ebene frappant an eine ähnliche Konstellation aus dem ersten „Mad Max“ (AUS 1979). Auf politischer Ebene wird hier nichts eingeklagt, die Zeichen sprechen eine klare Sprache: Rache- und Selbstjustizthematiken stellen nach wie vor den Stoff für unterhaltsame, spannende Filme.

© Columbia Tri-Star

Die bemerkenswerte Grimmigkeit, die „The Punisher“ entwickelt, wird hie und da durch einen prächtig funktionierenden schwarzen Humor gebrochen. Allein die genüsslich lang dargebotene und ungemein einnehmend inszenierte Auseinandersetzung mit dem „Russen“ ringt einem, trotz einiger drastischer Härten, einige Lacher ab, wenn im Parallelschnitt dazu die freakigen Nachbarn des Punishers zu italienischer Opernmusik durch die Küche tanzen – hier entwickeln sich beinahe schon Slapstickqualitäten. An diesen mag sich die derbe Gewalt zwar zum Teil reiben, doch behält der Film in diesen gelegentlichen Balance-Akten zwischen Noir-Düsternis und ironischem Possenspiel meist mühelos die Haltung.

Natürlich herrscht nicht nur eitel Sonnenschein. Sicher lässt sich unter anderem anmerken, dass John Travoltas Verkörperung von Howard Saint zuweilen etwas blass bleibt. Dass manche pathetische Szenen in ihrer unironischen Auflösung beinahe schon wieder (unfreiwillig) ironisch gebrochen wirken und dass manche Auftritte des Punishers, vor allem seine Anhänglichkeit an das Shirt mit dem bekannten Motiv, zuweilen etwas Kindisches umgibt, ebenso. Doch was soll’s, geschenkt: „The Punisher“ ist den überwältigenden Teil seiner Spielzeit ganz formidables Kino des Spektakels, mit einem angenehm ernstgenommenen Plot und genügend eye candy, um das nur staunen wollende Filmgeek-Kind im Innern des alles durchschauenden Filmsouveräns mit links wieder zum Leben zu erwecken. Und dieses freut sich schon jetzt auf das unausweichliche Sequel, auf ein hoffentlich noch krachigeres, düstereres und lauteres.

Diese Kritik erschien zuerst in: filmtagebuch.blogger

The Punisher
USA 2004

Regie: Jonathan Hensleigh – Drehbuch: J. Hensleigh, Michael France – Kamera: Conrad W. Hall – Schnitt: Steven Kemper- Darsteller: Thomas Jane, John Travolta, Laura Harring, Omar Avila, James Carpinello, Mark Collie, Russ Comegys, Antoni Corone, Rick Elmhurst, Ben Foster, Michael Reardon Kinostart: 10.06.2004

Thomas Groh, Jahrgang 1978, lebt seit 1997 in Berlin, ist Redakteur bei Deutschlandfunk Kultur und schreibt u. a. für die taz, den Tagesspiegel, den Perlentaucher und weitere Medien über Filme. Im Netz anzutreffen ist er in seinem Blog und auf Twitter.