Die dicke Prinzessin Petronia wiederspricht geradezu dem Prinzessinnen-Klischee: Sie hasst Rüschenkleider, ist kein bisschen auf der Suche nach einem Traumprinzen, sondern will selbst Herrscherin des Universums werden. Sie hat ständig schlechte Laune und interessiert sch brennend für Naturwissenschaften.
Als Petronia auf ihrem kleinen Planeten einen Einzeller entdeckt, rechnet sie gleich aus, wieviel Jahrmillionen an Evolution es braucht, bis aus so einem Einzeller ein Spielkamerad wird. Und als ihr klar wird, dass daraus möglicherweise auch fiese Angreifer entstehen könnten, tritt sie den possierlichen Einzeller einfach mit der Hacke ihres Schuhs tot – Petronia hat also das Zeug zur Diktatorin.
Extrem reduzierte GesichtszügeKatharina Greve zeichnet vor allem Petronia ganz reduziert – eine Spezialität der Cartoonistin! Das Gesicht der Prinzessin besteht eigentlich nur aus einer Waagerechten mit zwei Punkten darunter: den Augen – und als Nase hängt dazwischen ein umgekehrter Spazierstock. Mit diesem Grundschema bringt Greve jegliche Regung herüber, vom begeisterten Staunen bis hin zu Abscheu und Wut. Allein das ist großartig.
Und auch der Rest ist reduziert: Petronia steht auf einem winzigen Planeten, der mit seinen hübschen Kratern an den Planeten des kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupéry erinnert – nur dass der Planet vom kleinen Prinzen deutlich größer ist als der Prinz. Bei Petronia ist das umgekehrt – und das ärgert sie furchtbar.
Ein Gegenentwurf zum „Kleinen Prinzen“
Tatsächlich ist „Die dicke Prinzessin Petronia“ ein Gegenentwurf zum kleinen Prinzen, und in Katharina Greves Buch ist der kleine Prinz auch noch der Cousin von Prinzessin Petronia, die ihn für einen speichelleckenden Spießer hält, der nix kann außer nett sein. Und dem sie natürlich seinen großen Planeten neidet.
Zu allem Überfluss demütigt ihre Mutter – die Herrscherin des Universums – Petronia mit einem Thronfolge-Praktikum und schenkt ihr auch noch einen dummen Multifunktionswurm zur Gesellschaft, damit sie endlich Ruhe gibt. Darin steckt also viel familiärer Konfliktstoff und das Drama eines hochintelligenten, unangepassten Mädchens.
Details aus allen Ecken des Weltwissens
Die Cartoons, die bislang einzeln in der Zeitschrift „Das Magazin“ und in der Tageszeitung „taz“ veröffentlicht wurden, bleiben auch über die gut 100 Seiten des Buchs spannend. Weil Katharina Greve es ganz wunderbar versteht, den Grundkonflikten immer neue fiese oder lakonische, auf jeden Fall überraschende Pointen zu entlocken. Und weil sie dafür auch Details aus allen Ecken des Weltwissens heranzieht: Schrödingers Katze aus der theoretischen Physik taucht bei Petronia zum Beispiel genauso auf wie Sissyphos aus den antiken Sagen.
Und dann kultiviert sie auch immer wieder einen herrlichen Sprachwitz, bei dem auch die Sprache selbst zum Thema werden kann – zum Beispiel wenn Petronia darüber nachdenkt, dass das Wort „herrschen“ nur ein schwaches Verb ist. „Die dicke Prinzessin Petronia“ ist also eine klare Empfehlung.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 21.03.2019 auf: kulturradio rbb
Hier findet sich ein Interview mit Katharina Greve.
Andrea Heinze arbeitet als Kulturjournalistin u. a. für kulturradio rbb, BR, SWR, Deutschlandfunk und MDR.