Freedom Press – „Freedom Hospital“

Hamid Sulaiman, syrischer Flüchtling, Architekt und Künstler obendrein, einst Aktivist der Friedensbewegung, deswegen vom Assad-Regime inhaftiert und gefoltert und seit 2011 in Paris lebend, erzählt in seinem Comicdebüt „Freedom Hospital“ vom Krieg. Dass das ein Medienthema ist, weiß schon der Klappentext, denn wenn die hiesigen Zeitungen allenthalben von der „Flüchtlingskrise“ künden, will man dann ja doch „begreifen, was sich hinter den Nachrichten aus dem Land verbirgt, aus dem so viele Menschen zu uns kommen“. Im Nichtschwimmerbecken des Hirns, dem „ZEIT Magazin“, hält man bereits die Wahl des Mediums für so kühn wie den Verzehr einer Schnapspraline nach 20 Uhr: „Hamid Sulaiman, ein junger Mann aus Damaskus, hat etwas Interessantes gemacht: Er wählte, um von dem verwirrenden Konflikt in seiner Heimat zu erzählen, ausgerechnet die Form der Graphic Novel, eines Comic-Romans.“

Hamid Sulaiman (Autor und Zeichner): „Freedom Hospital“.
Aus dem Französischen von Kai Pfeiffer. Hanser Verlag, Berlin 2017. 288 Seiten. 24 Euro

Und was für ein bunter Reigen so ein Bürgerkrieg doch ist: „In einem fiktiven Krankenhaus, dem Freedom Hospital, lässt Sulaiman alle aufeinandertreffen: IS-Kämpfer, Rebellen, Soldaten, Ärzte, Zivilisten, Journalisten – ähnlich wie in einem Kinofilm oder einem Theaterstück. Es wird geweint und gelacht, gestritten und geliebt. Und vor allem wird um das Überleben gekämpft.“ (Bild.de) Qualitätsmedial formuliert: „Das Freedom Hospital ist eine kleine kosmopolitische Insel im Malstrom (sic!) des Krieges.“ („SZ“)

Doch Obacht, Spoileralarm: „Mit einer Graphic Novel lässt sich kein Krieg beenden. Das müssten die politischen Akteure bewerkstelligen. Aber gerade in Syrien haben zu viele dieser Akteure ein Interesse daran, dass der Konflikt weitergeht. Und mit ihm das Sterben.“ („Neue Osnabrücker Zeitung“)

Und überhaupt: „Wer die Wirklichkeit in Schwarz und Weiß zeichnet, scheint nur an groben Kontrasten interessiert zu sein.“ (ebd.) Aber wenn sich weiland schon dieser Art Spiegelman mit Schwarz und Weiß zum Pulitzer-Preis-Träger gemausert hat, könnte natürlich auch hier womöglich „ein radikales Buch des Jahres“ vorliegen. (ebd.) Wer will das schon entscheiden, ist doch sogar der Künstler nach Springer-Augenmaß ein fleischgewordenes Kontrastmittel: „Sulaiman, von der Statur her eher die Kategorie bäriger Pfundskerl, mit langem schwarzem Zopf und ordentlich gestutztem Vollbart lächelt den Besucher ziemlich schalkhaft durch seine Brillengläser an. Es ist das Erste, das ins Auge springt: der Kontrast zwischen der Härte seiner Bilder, welche die Geschichte eines immensen Traumas erzählen – und die freundlich-warmherzige Erscheinung des Künstlers.“ („Welt“)

Liebe Leserin, lieber Leser, Journalisten haben dieser Tage viele Feinde, und wie Sie sehen, steht an vorderster Front meist ihr eigener Verstand. Unser Perlentaucher-Dekodier-Programm, ein Service von KONKRET, indes spuckt aus, dass sie allesamt auf branchenübliche Art zur Lektüre dieses Comics raten wollen. Dem schließen wir uns gerne an. Die guten Gründe werden Sie dabei mühelos selbst herausfinden, schließlich halten Sie dieses Heft nicht grundlos in der Hand.

Dieser Text erschien zuerst in: KONKRET 05/2017

Sven Jachmann ist Comic.de- und Splitter-Redakteur und Herausgeber des Filmmagazins filmgazette.de. Beiträge u. a. in KONKRET, Tagesspiegel, ND, Taz, TITANIC, Junge Welt, Jungle World, Das Viertel, Testcard sowie für zahlreiche Buch- und Comicpublikationen und DVD-Mediabooks.

Seite aus „Freedom Hospital“ (Hanser Verlag)