Höhen und Tiefen – „Bane City – Die geheimen Akten“

Mit dem Batman-Jubiläumsjahr ist auch die Zeit von Tom King abgelaufen, der die Batman-Serie zwischen Juni 2016 und Dezember 2019 über gigantische 85 Ausgaben hinweg verantwortet hat. Was King in dieser Zeit geleistet hat, lässt sich hier in einem Komplettverriss oder als Detail-Verriss der #85 hier nachlesen. „Die geheimen Akten“ kokettieren ein wenig mit dem werbewirksamen Hinweis, sie böten die „Schurken aus Bane City“. Die Serie steuert hierzulande gerade erst auf den Höhepunkt zu, und so mag die Erwähnung von „Bane City“ ein paar Leser*innen anlocken. Tatsächlich kommt der Sonderband aber voll und ganz ohne die Kenntnis von Tom Kings Serie aus.

Andy Kubert, Tim Seeley, Tom King, Tom Taylor u.a. (Autor*innen), Eduardo Risso, Giuseppe Camuncoli, Mikel Janín, Patrick Gleason (Zeichner*innen): „Bane City – Die geheimen Akten“.
Aus dem amerikanischen Englisch von Ralph Kruhm. Panini Verlag, 2020. 108 Seiten. 13,99 Euro

Es handelt sich um eine Sammlung von 12 Kurzgeschichten, die erstmals in den beiden US-Ausgaben „Batman Secret Files“ 1 und 2 (2018/19) sowie „New Talent Showcase“ (2019) erschienen sind. In Storys etwa von Andy Kubert, Tom King (der taucht also doch wieder auf) oder Steve Orlando erleben wir als Gegenspieler Bane, den Riddler und den Joker, aber auch exotischere Zeitgenossen wie Detective Chimp oder den Psycho-Piraten.

Den Anfang macht ein monologisches Kammerspiel des Jokers, der seinen gefangenen Fledermausfreund gern um seinen Bat-Suite erleichtern würde („Wem der Anzug passt“). Während Batman stoisch erträgt, was der Joker sich zu diesem Zwecke alles einfallen lässt, kann Leser*in sich gemütlich zurücklehnen und die Slapstick-Einlagen bewundern, die gleichermaßen auf Punch wie Punchline hinauslaufen.

Höhepunkt der Sammlung ist die achtseitige Geschichte „Doktor der Psychiatrie“ von Steve Orlando, gerade wegen der Zeichnungen von Eduardo Risso und der Farben von Dave Stewart. Batmans Ur-Superschurke Hugo Strange versucht, Batmans Wesen in einem psychologischen Experiment zu ergründen, das ebenso makaber wie unterhaltsam ist. Indem er fünf (vermeintliche) Batmen foltert, versucht er dessen Identität zu ergründen: Er wolle Batmans „Identität kennen, um Batman zu sein“. Ob die Versuchsanordnung valide ist oder nicht, ein unterhaltsames peer review ist dabei herausgekommen.

Weit weniger gelungen hingegen ist Jordie Bellaires „Genug“ über Bruce Wayne, der in einer winterlichen Waldhütte der Einsamkeit erliegt und versehentlich ein Reh tötet. Die Story hat in ihrer Kürze keine Gelegenheit, den psychischen Druck in der Wildnis glaubhaft darzustellen. Auch die Zeichnungen der vielfachen Eisner-Award-Preisträgerin Jill Thompson tragen nicht dazu bei, die Geschichte interessanter zu gestalten.

Die Sammlung ist ein bunter Strauß mit Höhen und Tiefen, aber lohnenswert, weil das Format der Kurzgeschichte auch manche Experimente erlaubt. Das diese mal scheitern und mal gelingen, hätte Prof. Strange am besten von allen verstanden.

Gerrit Lungershausen, geboren 1979 als Gerrit Lembke, hat in Kiel Literatur- und Medienwissenschaften studiert und wurde 2016 promoviert. Er hat Bücher über Walter Moers, Actionkino und den Deutschen Buchpreis herausgegeben. 2014 hat er zusammen mit anderen das e-Journal Closure gegründet und ist bis heute Mitherausgeber. Derzeit lebt er in Mainz und schreibt für Comicgate und die Comixene. An der TU Hamburg-Harburg unterrichtet er Comic-Forschung.