Südstaaten-Rassismus – „Lucky Luke: Fackeln im Baumwollfeld“

© obs/Egmont Ehapa Media GmbH/Lucky Comics / Egmont Ehapa

Eigentlich will Lucky Luke nur ein paar Tage Urlaub machen und zur Ruhe kommen. Woraus natürlich nichts wird. Denn erst spazieren die Daltons in den Saloon, die von Marshal Bass Reeves, einem alten Kumpel Lucky Lukes, gefasst wurden. Und dann erreicht ihn auch noch die überraschende Nachricht, dass eine alte Dame, die ein Fan von ihm war, ihm tief im Süden eine Baumwollplantage vererbt hat. Und zwar die größte in ganz Louisiana. Damit ist Luke unvermittelt ein gemachter, ein reicher Mann. Was natürlich auch den Daltons nicht entgeht, die monetäre Lunte riechen. Doch Luke macht sich ja bekanntlich nichts aus Geld, weshalb er zwar sein Erbe antritt, jedoch nur, um die Plantage zu gleichen Teilen den 400 Beschäftigten und deren Familien überlassen zu wollen. In Louisiana angekommen muss er schnell feststellen, dass der Rassismus dort auch nach dem Ende des Sezessionskrieges noch allgegenwärtig ist und sein hehres Vorhaben zum Scheitern verurteilt scheint.

Jul (Autor), Achdé (Zeichner): „Lucky Luke Bd. 99: Fackeln im Baumwollfeld“.
Egmont, Berlin 2020. 48 Seiten. 12 Euro (Hardcover), 6,90 Euro (Softcover)

Der neue Lucky-Luke-Band, es ist der 99. in der Zählung von Ehapa/Egmont und der dritte, den Autor Jul (d. i. Julien Berjeaut) geschrieben hat, nimmt sich eines brisanten und aktuellen Themas an: Rassismus, der auch nach dem amerikanischen Bürgerkrieg und dem Verbot der Sklaverei noch tief in der (weißen) Gesellschaft verwurzelt ist (was sich bis heute in weiten Teilen leider kaum geändert hat). Zuerst begegnet Luke in Gestalt seines neuen Nachbarn Quincy Quarterhouse, einem typischen Südstaaten-Plantagenbesitzer, für den der Status quo vor dem Krieg noch gilt, dem Alltagsrassismus in Form von „traditionellen“ Ressentiments. Auch die schwarzen Arbeiter reagieren völlig verängstigt auf Luke. Zwar gelten sie nach dem Krieg und der Abschaffung der Sklaverei als frei, aber de facto hat sich ihre Lage kaum gebessert – der Rassismus unter den weißen „Herren“ bleibt unverändert. Dann, als Lucky Luke weiter an seinem Plan festhält, kommen Extremismus und Fanatismus ins Spiel. Der Ku-Klux-Klan greift ein und will Angst und Schrecken verbreiten. Die Lage wird ungewöhnlich ernst, auch für Luke, den sein Glück anscheinend endgültig verlassen hat.

Mit Bass Reeves (1838-1910), der als schwarzer Marshal über 3000 Schurken dingfest machte und der im Splitter Verlag Hauptfigur einer eigenen Reihe ist, übernehmen Jul und Achdé die Serientradition, Luke eine historische Figur des Wilden Westens zur Seite zu stellen. Dass Jul die ernste Rassismus-Thematik mit gelungenen Gags und witzigen Episoden anreichern kann und damit ebenfalls die Serientradition bewahrt, zeugt von Cleverness und Einfühlungsvermögen. So trifft Luke auf dem Weg in den Süden zwei Jungen, deren Abenteuer später ein gewisser Mr. Twain aufschreiben sollte. Averell von den Daltons sorgt für gelungene Lacher in den Bayous von Louisiana bei einem Treffen mit Cajun-Franzosen, und sogar das Nichtmehrrauchen Lukes wird auf den Arm genommen. Und der Klan-Chef macht sich durch eine alberne Zwergenkapuze lächerlich. In Richtung Finale, dem reinigenden, schon fast märchenhaften Höhepunkt, inszenieren Jul und Achdé eine veritable Keilerei, die an das traditionelle Verdreschen der Römer in „Asterix“ erinnert.

„Fackeln im Baumwollfeld“ (im Original weniger spektakulär „Un Cow-Boy dans le Coton“ – der deutsche Titel spielt auf die schwülstige TV-Nord-Südstaaten-Serie „Fackeln im Sturm“ an) zeigt erneut, dass die Serie auch nach 75 Jahren ihre Originalität bewahrt hat, für Überraschungen sorgen kann (siehe auch Lukes Ausflug nach Paris im letzten Band) und somit noch längst nicht auserzählt ist. Der kommende Jubiläumsband (erscheint im März 2021) geht dann zurück zu den Anfängen und beinhaltet die allerersten beiden Lucky-Luke-Geschichten aus der Feder von Morris, dem seine Nachfolger und künstlerische Erben hier erst einmal erneut Genüge tun.

Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de

Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.