Seit seiner ersten großen Veröffentlichung, also seit den „Tales of Error“ (1989), gehört der Zürcher Thomas Ott zu den ganz Großen der Graphic Novel.
Obwohl er selten in seinen schwarz-weißen, mit der sogenannten „Schabkartontechnik“ meisterhaft ausgeführten Comics oder Bilderbüchern oder Cartoons durchgehende, konsistente Geschichten erzählt, scheint mir graphic novel der sinnvollste Begriff für seine Arbeit zu sein – auch „dekonstruierte“ gezeichnete „Romane“ sind letztlich doch wieder welche.

Thomas Ott: „The Number 73304-23-4153-6-96-8“.
Edition Moderne, Zürich. 3. Auflage, 2016. 144 Seiten. 29 Euro
Und alles grandios in Bilder übersetzt. Allein der Gesichtsausdruck unseres Helden, wenn er den Papierstreifen studiert, der uns als Vignette vom Umschlag des wunderbar gemachten Buches anstiert, ist der reine Horror. Der blanke Wahnsinn springt uns an, wenn der am Ende zum Tode Verurteilte noch die Pommes-Frites-Stäbchen seiner Henkersmahlzeit zu einem (Zahlen-)Sinn zwingen möchte und sie stramm nebeneinander legt… Ott hat nämlich nicht nur einen entschieden düsteren Blick auf diese Welt, sondern auch einen entschieden komischen. Vermutlich, weil Kontingenz und Ironie, wie wir nicht erst seit Richard Rorty wissen, eng zusammenhängen. Und Tragik und Komik sowieso.
Thomas Ott, wie gesagt, ist ein ganz Großer der graphic arts. Solche Kunstformen sollten wir auch nicht aus dem Bewusstsein rutschen lassen, wenn es um die verschiedenen Materialisationen von crime fiction geht.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 03.05.2008 auf: CulturMag
Thomas Wörtche, geboren 1954. Kritiker, Publizist, Literaturwissenschaftler. Beschäftigt sich für Print, Online und Radio mit Büchern, Bildern und Musik, schwerpunktmäßig mit internationaler crime fiction in allen medialen Formen, und mit Literatur aus Lateinamerika, Asien, Afrika und Australien/Ozeanien. Mitglied der Jury des „Weltempfängers“ und anderer Jurys. Er gibt zurzeit das Online-Feuilleton CULTURMAG/CrimeMag und ein eigenes Krimi-Programm bei Suhrkamp heraus. Lebt und arbeitet in Berlin.

Seite aus „The Number 73304-23-4153-6-96-8“ (Edition Moderne)