Comicadaption mit Mumm

Riff Reb’s schreckt in seiner Interpretation von Jack Londons „Der Seewolf“ nicht vor erheblichen Modifikationen zurück.

1904 erschien „Der Seewolf“, einer der berühmtesten Romane Jack Londons. In Deutschland steht er besonders hoch im Kurs. Schuld daran ist natürlich Raimund Harmstorf, der in dem Fernseh-Straßenfeger von 1971 die Rolle des Wolf Larsen spielte und dabei seine Kartoffel zerdrückte. Eine Szene, der in dieser Comic-Adaption übrigens auch ein Panel gewidmet ist. Erst 2008 und 2009 gab es deutsche TV-Verfilmungen, die an dem Klassiker-Status der Version von 1971 aber nicht rütteln konnten.

Riff Reb’s: „Der Seewolf“.
Aus dem Französischen von Tanja Krämling. Splitter Verlag, Bielefeld 2021. 136 Seiten. 25 Euro (2. Auflage)

Nun also der Comic zum Buch (als im Format vergrößerte Zweitauflage der 2013 erschienenen Erstausgabe). Die Adaption. Eine undankbare Aufgabe, oder? Doch mit Riff Reb’s ist hier ein Fachmann am Werke, dessen Meeres-Abenteuer „An Bord der Morgenstern“ (im Carlsen Verlag) bereits beeindrucken konnte. Antike Abenteuer zu Wasser sind ganz sein Metier. Laut Verlagsinfo wurde er vom „Centre International de la Mer Rochefort“ als bester maritimer Maler ausgezeichnet. Das ist doch was. Und tatsächlich adaptiert er den Klassiker nicht einfach, er interpretiert ihn und hat sogar den Mumm, das Ende zu verändern.

Die Geschichte ist bestens bekannt: Humphrey van Weyden, ein junger Intellektueller, wird während eines Schiffsunglücks bei San Francisco über Bord gespült und von dem Robbenfänger Ghost aufgefischt, der in Richtung Japan unterwegs ist. Kapitän des Schiffs ist Wolf Larsen. Ein faszinierender wie abstoßender Mann von beeindruckender Statur. Auf der einen Seite bedeuten ihm Menschen nichts, er zeigt keinerlei Mitgefühl und regiert seine Mannschaft mit eiserner Hand. Auf der anderen Seite ist er hochintelligent und beschlagen, ein Mann, der Shakespeare zitiert und philosophische Betrachtungen anstellt. Van Weyden muss sich zuerst als Küchenjunge verdingen, steigt dann in der Hierarchie auf und wird von Larsen zum Steuermann gemacht. Mehrfach droht die Lage zwischen der Mannschaft und dem Kapitän zu eskalieren und als mit der schiffbrüchigen Autorin Maud Brewster eine Frau an Bord kommt, fasst van Weyden den Entschluss zur Flucht.

Dass sich aufgrund der intellektuellen Gespräche eine gewisse Vertrautheit zwischen den beiden so unterschiedlichen Männern van Weyden und Larsen entwickelt, ist in der Adaption nur zu erahnen. Da hat das geschriebene Wort doch Vorteile. Bei den Zeichnungen hingegen dominiert der Wow-Effekt.

Riff Reb’s Bilder sind nicht bunt, vielmehr sind die einzelnen Seiten und Episoden monochrom koloriert, in dunklen Farben, so wie einst Stummfilme viragiert wurden. Die beiden Urgewalten, die hier zusammentreffen, sind hervorragend illustriert. Einmal die See, die bisweilen ihr hässliches Gesicht zeigt, dann Wolf Larsen, der dämonische Kapitän und van Weydens Gegner wie auch Bruder im Geiste. Wuchtige und kraftvolle Zeichnungen, die das Herzstück dieser gelungenen Literatur-Adaption darstellen. Tja, und was Riff Reb’s am Ende dann mutig ändert, wird natürlich nicht verraten.

Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de

Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.

Seite aus „Der Seewolf“ (Splitter Verlag)