Rutu Modans satirischer Comic „Tunnel“ enttäuscht westliche Erwartungen.
Das westliche Publikum erwarte von israelischen Comics, dass sie die Konflikte im Nahen Osten erklärten und aufzeigten, wer gut und wer böse ist, sagte Rutu Modan vor einiger Zeit in einem Interview. Diese Erwartung will die 1966 in Tel Aviv geborene Zeichnerin auch mit ihrer dritten Graphic Novel „Tunnel“ nicht erfüllen. Ihr Comic ist eine rasante Satire, in der alle Protagonisten voller Widersprüche sind.
Die Erwartungen aller Protagonisten an das Projekt sind unterschiedlich, mit offenen Karten aber spielt niemand. Trotzdem ist der gemeinsame Tunnel auch ein utopischer Raum, in dem möglich wird, was oberirdisch ausgeschlossen wäre. Doch auch unterirdisch haben die Hoffnungen keine Zukunft, durch eine Unachtsamkeit fliegt alles in die Luft. Denn beim Tunnel befindet sich auch ein großer Bunker voller Dynamit. Utopische Träume und westliche Erwartungen werden am Ende enttäuscht.
Diese Kritik erschien zuerst in: Jungle World 08/2021
Hier gibt es ein Interview mit Rutu Modan zu „Tunnel“.
Jonas Engelmann ist studierter Literaturwissenschaftler, ungelernter Lektor und freier Journalist. Er hat über „Gesellschaftsbilder im Comic“ promoviert, schreibt über Filme, Musik, Literatur, Feminismus, jüdische Identität und Luftmenschen für Jungle World, Konkret, Zonic, Missy Magazine und andere, ist Mitinhaber des Ventil Verlags und Co-Herausgeber des testcard-Magazins. Zuletzt erschien von ihm die Textsammlung „Dahinter. Dazwischen. Daneben. Von kulturellen Außenseitern und Sonderlingen“.