Das 50. Comic-Festival in Angoulême ist vorbei. Was bleibt, sind prämierte Künstler*innen und Werke (darunter mit Martin Panchauds „Die Farbe der Dinge“ (hier ein Interview aus 2020 zur VÖ), Shuzo Oshimis „Blood on the Tracks“ und Ana Penyas „Sonnenseiten“ auch ein paar, die bereits auf Deutsch vorliegen) und ein Untersuchungsverfahren gegen Comiczeichner Bastien Vivès und die Verlage Glénat und Les Requins Marteaux wegen der Verbreitung kinderpornographischer Bilder (ein Beitrag zum Verfahren bei der FAZ). Tagesspiegel und FAZ berichteten über den vorausgegangenen Eklat, der dazu führte, dass eine geplante Werkschau Vivès abgesagt wurde. Ein weiterer Aspekt ist Vivès offen zur Schau getragener Frauenhass. Dazu schreibt Niklas Bender in der FAZ: „Vivès, der in den sozialen Netzwerken oft rüpelhaft auftritt, hat sich mit dem feministischen Flügel seiner Zunft überworfen. Den Stil von Zeichnungen über ungleiche Arbeitslast der Geschlechter bezeichnete er auf Facebook als kindisch, die Autorin Emma als ‚mongoloide Idiotin‘. Er wollte deren Unterstützer überwacht sehen und wünschte Emma Schlimmes: ‚Ich hätte gern, dass einer ihrer Gören sie ersticht und einen Comic darüber macht, wie er sie erstochen hat, und dass er bei jedem Like sodomisiert wird.‘ Da hilft alle Reue nichts.“ (Hier ein weiterer Nachklapp Benders in der FAZ vom 29.01.) Warum man, wenn zigtausende Comickünstler*innen aus aller Welt zur Wahl stehen, ausgerechnet einem misogynen und Pädophilie marginalisierenden Arschloch auch noch eine Ausstellung hinterherschmeißen muss, wird wohl für immer das Geheimnis der Festivalleitung bleiben.
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Abteilung Sturm im Wasserglas: Der Carlsen Verlag hat Jacques Tardis neuestes Werk „Elise und die Partisanen“ kurz vor der Auslieferung aus dem Programm genommen. Der Grund ist allemal löblich, scheint aber wenig mit dem Comic selbst zu tun zu haben: Im Nachwort macht sich Tardis Ehefrau, die französische Sängerin und Autorin Dominique Grange, deren 68er-Biographie den Plot des Bandes bildet, mit der antisemitischen BDS-Kampagne gemein und bezeichnet überdies das Land Israel als Apartheidstaat. Ein virulentes Phänomen unter Rechten wie Linken, die ihren sublimierten Antisemitismus mithilfe des Zusammenspiels der üblichen drei Ds – Dämonisierung, Delegitimierung und doppelte Standards – auf den Staat Israel richten. Und nicht minder üblich wird nun (von Grange, dem französischen Delcourt Verlag und dem natürlich sogleich zur Solidarität aufrufenden BDS) als Zensur gescholten, was nur eine schlichte Verlagsentscheidung ist, schließlich ist weder Carlsen noch irgendeinem anderen Verlag staatlicherseits eine Veröffentlichung untersagt worden. Dahingestellt sei, ob sich das Problem nicht redaktionell hätte lösen lassen, was natürlich die Bereitschaft des Lizenzgebers voraussetzt. Mehr zur Sache kann man beim Tagesspiegel, auf BR24 und vielen, vielen französischen Nachrichtenseiten nachlesen.
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Ein paar aktuelle Verlagsvorschauen für 2023: Avant-Verlag (runterscrollen!), Carlsen, Cross Cult, Panini (März/April), Reprodukt (Comics, Kindercomics).