Gute Ratschläge und zersägte Hände

In ihrem neuen Comic „Im ewigen Kreis“ zeigt die Leipziger Künstlerin Christiane Haas den absurden Alltag als Mutter.

Mutterschaft ist ein Wechselbad der Gefühle. Das wird an vielen Episoden deutlich. Christiane Haas zeichnet, wie eine Freundin beim Stillen unverfroren glotzt. Wie sie ihr Kind ganz verliebt ansieht, als es auf ihrem Bauch liegt. „Man ist einfach so wahnsinnig stolz auf alles und zeigt Fotos rum. Ich zeige auch total gerne Kinderzeichnungen von meinem Sohn rum und denk, die sind krass gut“, so Haas.

Und dann wieder sind da die Menschen, die ungefragt Ratschläge erteilen: „Ich bin mit meinem Kind in der Trage gelaufen und dann fährt ein Typ mit dem Auto an mir vorbei, hält mit quietschenden Reifen“, erzählt Haas. „Er steigt aus und hält sein Handy auf mich und sagt: Guten Tag, junge Frau, ich muss ein Foto von Ihnen machen, ich muss Ihnen zeigen, wie Ihr Kind da hängt, das muss viel tiefer sitzen. Und ich denke: Nein. Er brüllt mir hinterher: Sie bringen ihr Kind um!“

Es sind einfache, krakelige Striche, mit denen Christiane Haas diese und andere absurd-komische Szenen aus ihrem Alltag zeichnet. „Dieses schnelle Skizzenhafte, ich finde, das gehört dazu, das muss so sein, weil es eben diese Beiläufigkeit der Situation unterstreicht“, erklärt sie.

Der Comic „Im ewigen Kreis“ ist eine Sammlung von Miniaturen des Alltags. Christiane Haas beobachtet sich zum Beispiel dabei, wie sie ihr Handy auf eine Kommode in den Flur legt, damit sie nicht so viel rumsurft. Und wie sie dann immer wieder zur Kommode geht und schließlich da hängen bleibt.

Bild aus „Im ewigen Kreis“ (Avant-Verlag)

Das Leben als Mutter ist nicht das einzige Thema in diesem Buch. „Weil ich selbst nicht nur auf mein Mutterdasein reduziert werden möchte. Und mich selbst nicht darauf reduzieren möchte“, so Haas. „Darum war es mir wichtig, auch weiterhin Leute anzusprechen, die vielleicht mit dem Kinderthema nicht so viel am Hut haben.“ Haas zeichnet immer wieder auch Milieustudien der Kieze in Leipzig. Da ist zum Beispiel der Mann in der blauen Arbeitslatzhose, der in einem Badezimmer zwischen Gerümpel steht – die Hand blutüberströmt. Daneben steht lakonisch: „Die Finger waren bis zum Knochen offen und die Sehnen sind zerrissen. Wissen Sie, mir macht das ja nichts aus. Ich hab das gesehen und mich gelangweilt.“ Haas habe da noch im Leipziger Osten gewohnt und schreibt hier über einen Nachbarn, der hat das ganze Haus komplett allein sanieren wollte. „Das war eine Ruine. Und der war den ganzen Tag am machen. Der hatte ein Zimmer, das war komplett mit Laub voll, das er zum Heizen benutzt hat. Das war total absurd“, erzählt sie. „Er hatte sich dann mit seiner selbstgebauten Kreissäge die halbe Hand abgeschnitten und diese Wunde hat ihn überhaupt nicht beeindruckt, das war so ein ganz schräger Typ, das musste ich einfach aufzeichnen.“

Die Szenen sind oft so schräg, dass wirken, als hätte Christiane Haas die beherzt zugespitzt. Aber tatsächlich sei alles genauso passiert. Mit ihren nüchternen Kommentaren zu den einfachen, dokumentarischen Zeichnungen pflegt Christiane Haas allerdings einen Humor, der immer wieder an die Schmerzgrenze geht. „Ich muss das einfach weitergeben, sonst steckt das in mir fest. Das ist wie mich selbst therapieren. Wenn ich das aufzeichne, ist das nicht mehr so schlimm für mich und dann kann ich da mit anderen darüber lachen und dann geht es mir besser“, so Haas. Dieser kathartische Effekt stellt sich auch beim Lesen ein. Auch deshalb ist Christiane Haas‘ Comic großartig. Und weil er den ganz normalen Alltag so zeigt, dass er neu und aufregend wird.

Dieser Beitrag erschien zuerst am 21.03.2023 auf: MDR Kultur

Christiane Haas: Im ewigen Kreis • Avant-Verlag, Berlin 2023 • 144 Seiten • Softcover • 18,00 Euro

Andrea Heinze arbeitet als Kulturjournalistin u. a. für kulturradio rbb, BR, SWR, Deutschlandfunk und MDR.