Batman im Rückspiegel – Highlights der letzten Monate

Der Beliebtheit des Dark Knight kann nichts und niemand etwas anhaben, nicht einmal die Verfilmungen mit Ben Affleck in der Hauptrolle haben das geschafft. Angesichts der zahlreichen Batman-Neuveröffentlichungen ist die Übersicht gar nicht leicht – ein Blick zurück auf die Batman-Editionen der vergangenen Monate könnte helfen.

Die Fledermaus und der große, böse Wolf – „Batman vs. Bigby“

Längst nicht nur Hobbes-Leser*innen wissen, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist, aber was, wenn das nicht nur metaphorisch gemeint ist? Im Gotham City, das Bill Willingham und Brian Level für das Mashup von „Batman vs. Bigby“ erdacht haben, findet Batman plötzlich mehrere Leichen, deren Wunden darauf hindeuten, dass ein Wolf diese Personen höchst unsanft vom Dies- ins Jenseits befördert hat. Ein großer Wolf, und dass dieser böse ist, hat er längst bewiesen. Batman macht sich also auf die Suche und findet mit Bigby einen Widersacher, der sich – werwolf-lookalike – in den großen, bösen Wolf verwandeln kann.

Es stellt sich aber rasch heraus, dass Bigby nicht Batmans eigentlicher Gegner ist, sondern ihr Kampf lediglich der Ablenkung von einem bevorstehenden Verbrechen dient. Der Bücherwurm (nur zwanghafte Batman-Leser*innen werden den „Bookworm“ kennen) hat Batman und Bigby aufeinander losgelassen, weil diese beiden ihm die Quere kommen könnten. Batman, weil er halt Batman ist. Und Bigby, weil der sich mit dem magischen Buch auskennt, das der Bücherwurm in seine Finger zu kriegen versucht.

Bigby stammt nicht ursprünglich aus Gotham City, sondern aus der fantastischen Märchenhalbwelt, die Bill Willingham mit seiner Erfolgsserie „Fables“ geschaffen hat. Mit der Fantasy-Serie haben Mark Willingham und Mark Buckingham 2002 einen Volltreffer gelandet, der bis zu seinem Abschluss 2015 mit Preisen überhäuft wurde: Sagenhafte 14 Eisner Awards sprechen für sich, das sind immerhin zwei mehr als Brian K. Vaughans „Saga“. In der Vertigo-Serie „Fables“ finden wir eine Welt, in der Sagen- und Märchengestalten unverhofft aufeinandertreffen: Der große böse „Bigby“ Wolf trifft Schneewittchen, Pinocchio den Froschkönig, Kunst- trifft auf Volksmärchen: ein postmodernes Pastiche, das zudem fantastisch aussieht.

Leider hat Autor Willingham, der schon zuvor für manche Batman-Storys als Autor tätig war, nicht seinen „Fables“-Zeichner Mark Buckingham für dieses Projekt gewonnen. „Batman vs. Bigby“ hat Brian Level ins Bild gesetzt, sehr detailfreudig in den Hintergründen. Schön anzusehen ist es, wie Nebel, Gase oder Wolken sich wie Jugendstilornamente von Alfons Maria Mucha durch die Panels ziehen. Schade wiederum ist es, dass der Anblick des grimmigen Batman, des grimmigen Bigby und der grimmigen Robin sich so schnell abnutzt.

„Batman vs. Bigby“ ist eine völlig solide Actionhatz, an der Batman-Leser*innen sich erfreuen können, ohne „Fables“ kennen zu müssen. Ob „Fables“-Fans durch diesen Band aber von Batman-Comics überzeugt werden können, ist zu bezweifeln.

Bill Willingham (Autor), Brian Level (Zeichner): Batman vs. Bigby! Ein Wolf in Gotham • Aus dem Englischen von Bernd Kronsbein • Panini, Stuttgart 2022 • 164 Seiten • Softcover • 19,00 Euro

Batman meets Lovecraft – „Schatten über Gotham“

Mashups haben den Reiz, zwei Welten miteinander kollidieren zu lassen, die eigentlich niemals in Kontakt treten dürften. Was geschieht mit dem berühmten Predator, wenn er auf Ridley Scotts Alien trifft? Und was ist gruseliger als Dracula oder Frankenstein? Dracula und Frankenstein. Frei nach dem Motto „Viel hilft viel und doppelt hält besser“ haben Mike Mignola, Richard Pace und Troy Nixey in ihrer dreiteiligen Elseworld-Story „Batman – Schatten über Gotham“ den Dunklen Ritten auf die finsteren, namenlosen Unwesen aus Lovecrafts Horrorwelt treffen lassen. Der Schatten, den der neuenglische Kultautor damals über Innsmouth platzierte, schwebte nun über der Heimat von Bruce Wayne bzw. unter ihr, denn Lovecrafts namenlose (bei ihm ist alles namenlos) Monster leben bevorzugt in der Tiefe.

Es beginnt im Jahr 1928 in der Antarktis, wo ein Segelschiff mit Bruce Wayne an Bord nach der verschollenen Crew der Cobblepot-Expedition sucht. Sie finden im ewigen Eis seltsame Überreste, und natürlich holen die ahnungslosen Seeleute sich das Grauen an Bord und bringen es nach Gotham City.

In dieser Parallelwelt darf Batman sogar mit einer Schusswaffe herumfuchteln, wenngleich ihm das im Kampf gegen das kosmische Grauen wenig bringt. Mignola und Pace werfen alles in den Ring, was Lovecraft und Batman zu bieten haben: Nicht nur bringen sie Elemente aus Lovecrafts „Berge des Wahnsinns“, „Stadt ohne Namen“ und anderen Geschichten zusammen, auch sparen sie nicht an Batman-Bösewichten der ersten Reihe und verwickeln Mr. Freeze, den Pinguin, Poison Ivy und Ra’s al Ghul in die Story. Natürlich besteht gerade darin der Mashup-Reiz, das Netz mit den verschiedenen Fäden möglichst engmaschig zu gestalten, aber das Viel-hilft-viel-Prinzip steht einer geradlinigen Story auch im Wege. Lovecraft-Fans werden sich über diverse Anspielungen freuen, Batman-Fans über die Versuche, viele Elemente des Gotham-Universums kompatibel zu dieser Geschichte vom kosmischen Grauen zu machen.

Wer sich auf Mike Mignolas Artwork im Stile seines Megahits „Hellboy“ freut, wird zumindest teilweise enttäuscht werden, denn der amerikanische Comic-Star ist hier nur als Autor (gemeinsam mit Richard Pace) und Cover-Artist tätig gewesen. Die Zeichnungen stammen von Troy Nixey, der sich allerdings manches Mal an Mignola orientiert hat. Man muss schon sagen, dass die Monster, Tentakel und Grimassen Nixey besser gelingen als normale Gesichter, die allzu maskenhaft und starr rüberkommen. Nichtsdestotrotz ein sehr sehenswerter Band, auch dank der Kolorierung von Dave Stewart. Allein die beeindruckende Transformation Harvey Dents ist es wert, den Comic zu lesen.

Die Story ist nicht ganz auf Lovecraft-Niveau, dessen Qualität darin besteht, seinen Horror ohne jegliche Action umzusetzen. Unter den vielen durchwachsenen Elseworlds-Storys fällt der Band wiederum positiv auf, wenngleich er nicht an „Gotham by Gaslight“ heranreicht. Dass im März 2023 die Story als Animationsfilm umgesetzt wurde, wird der Story sicher noch mehr Aufmerksamkeit versprechen.

Mike Mignola, Richard Pace (Autoren), Troy Nixey (Zeichner): Batman – Schatten über Gotham. Deluxe Edition • Aus dem Englischen von Christian Heiß • Panini, Stuttgart 2023 • 164 Seiten • Hardcover • 35,00 Euro

Von Anfang an – „Die Reise 1“

Mir fällt keine Origin Story ein, die mit so viel Leidenschaft immer wieder neu und auch immer wieder auf die gleiche Weise beschrieben worden ist wie diejenige von Batman. Viele Elemente gehören zum ikonischen Standardrepertoire, wie etwa die Bogenlaterne, die Perlenkette oder die Crime Alley, andere Details werden immer wieder variiert: der Anlass, der Thomas und Martha Wayne dorthin geführt hat, oder die Identität des Täters. Chip Zdarsky und Carmine di Giandomenica erzählen in „Die Reise 1“ die Geschichte des Dunklen Ritters noch einmal von Anfang an – und nehmen sich einige Freiheiten.

Bruce Wayne ist nach dem Tod seiner Eltern in psychologischer Behandlung und begibt sich, um seine Fähigkeiten auszubilden, auf eine Reise kreuz und quer über den Planeten, zunächst einmal nach Paris. Während dort ein Serienmörder sein Unwesen treibt, der Eltern zu Leichen und Kinder zu Waisen macht, lernt der junge Bruce Wayne die französische Schmuckdiebin Lucie kennen, die auch als der „Graue Schatten“ bekannt ist, was im Original („Gray Shadow“) natürlich viel besser klingt. Dieses Catwoman-Pendant in den „besten Jahren“ (mit anderen Worten: in gehobenem Alter) lehrt Bruce die Kunst des Stehlens, und nebenbei klären sie die Mordserie auf. In diesem Zuge erhält er von dem Ermittler Henri Ducard eine Liste von Lehrmeistern, von denen er hofft, sie würden ihn seinem Ziel, ein begnadeter Verbrechensbekämpfer zu werden, näherbringen. So reist er auf den Gipfel des nordkoreanischen Berges Paektusan, um von dem japanischen Kampfmeister Kirigi in diversen Disziplinen ausgebildet zu werden. Vor allem aber lernt er mit Anton einen Weggefährten kennen, der ihn fortan begleiten wird, auch auf seiner Reise nach Russland, wo die beiden das Handwerk von Meisterspionen erlernen.

Diese Reise ist zunächst einmal ganz wörtlich eine Weltreise über verschiedene Kontinente, aber der Titel erschöpft sich darin längst nicht. Es handelt sich um eine Bildungsreise, wie man sie bei Goethe oder – etwas anders fokussiert – in der mittelalterlichen Artusepik findet. Der Held lernt auf seinen Stationen Fertigkeiten, um das zu werden, was ihm vorbestimmt ist: Künstler, Ritter oder Batman. Chip Zdarsky („Sex Criminals“) spielt das mit großer Konsequenz durch: Wir haben mit diesem ersten Band keinen Batman-Comic vorliegen, sondern einen Bruce-Wayne-Comic, der die Origin Story so unglaublich langsam erzählt, dass es eine große Freude ist. Immer wieder erinnern Bildzitate wie Flashbacks an kanonische Erzählungen, und der Tod von Bruce Waynes Eltern kehrt ebenso wieder wie die Erinnerung an eine traumatische Erfahrung. Wenn Ducard durch die Schuld des Millionenerbens stirbt, erinnert das an den Tod von Bruce Waynes Vaters in der Crime Alley.

Die Zeichnungen von Carmine di Giandomenico sind wundervoll, vor allem wo sie an Frank Miller erinnern, nur manchmal nehmen die Spread Panels etwas überhand. Ein Batman-Must-Have! Der Band umfasst die bei DC zwischen März und Juli 2022 veröffentlichten fünf Hefte „Batman: The Knight. Der abschließende Band 2 (Panini, 2023) mit #6-10 ist vor Kurzem erschienen.

Chip Zdarsky (Autor), Carmine Di Giandomenico (Zeichner): Batman – Die Reise 1 • Aus dem Englischen von Christian Heiß • Panini, Stuttgart 2022 • 164 Seiten • Softcover • 19,00 Euro

Bis ins Detail – „Batman – Finstere Pläne 1“

Batman, der Türschwellenpädagoge unter den Lehrmeistern der Verbrechensbekämpfung, muss sich in „Finstere Pläne 1“ mit einigen seiner profiliertesten Widersacher auseinandersetzen. Die Spannung entsteht auch durch grundsätzlich verschiedene Strategien, um das Gute bzw. das Böse (oder irgendetwas dazwischen) zu erreichen: akribische Planungen oder Last Minute?

In ferner Vergangenheit, die so finster ist wie alles rund um den Fledermausmann, haben die kanonischen Superschurken des Gotham-Universums, der Riddler, der Joker, der Pinguin und Catwoman, die Einladung des Designers erhalten, ein Supersuperschurke, dessen Organisationstalent über die Verwaltung eines Familienkalenders weit hinausgeht: Er plant nicht nur den nächsten Schritt, sondern denkt seine Verbrechen bis ins kleinste Detail aus, bis diese schon zum Kunstwerk geraten. Er plant nicht, er designt. Die vier Schurken berichten ihm von ihren schurkischen Zielen, und der Designer setzt diese wie die Teile eines Puzzles zusammen.

Viele Jahre später, in der Erzählgegenwart, hat sich einiges geändert: Batman hat Pläne, die Stadt zu verändern, und an seiner Seite ist Catwoman, die ihm von den Plänen des Designers nie etwas erzählt hat. Batman wird in einen Kampf mit anderen (etwas weniger prominenten) Bösewichten verwickelt: Cheshire, Slade und Merlyn etwa, aber die sind nur Staffage. „Es ging nicht darum, dich zu töten. Ich sollte dich nur beschäftigen.“ Nicht nur die Bösen haben in dieser Geschichte einen Masterplan: „Sie haben einen Plan für Gotham City, Master Bruce“, erinnert Alfred ihn. Aber das ist bereits Teil des Problems, denn Bruce Wayne mag einen Plan haben, aber Batman ist eigentlich der Mann fürs Akute. Sein Einsatz für das vermeintlich Gute beruht nicht auf strategischem Kalkül oder gesamtgesellschaftlichen Abwägungen, sondern ist nur ein Impuls aus seiner Traumatisierungserfahrung heraus. Dem großen Plan des Designers steht ein etwas hilfloses Krisenmanagement des Dunklen Ritters entgegen, und James Tynion IV setzt damit einen interessanten Fokus.

Dass nicht alle Handlungselemente ganz und gar zwingend als Rädchen in dieser Kausalmaschinerie funktionieren, wird angesichts des Erzähltempos leider nebensächlich. Der „große Plan“ erfüllt sich am Ende anders, als Batman oder wir Leser*innen das erwartet hätten, und dann ist es auch nicht wichtig, ob jedes Detail durchdacht war – in diesem Punkt ähnelt „Finstere Pläne“ durchaus Tynions ansehnlicher, aber auch sehr offenen Serie „The Department of Truth“. Der spanische Zeichner Guillem March („Catwoman“, „Karmen“, „Laura“) schafft wiederum beeindruckend dynamische Kampfszenen mit verschiedenen Perspektiven, wenn auch manchmal etwas dick aufgetragen.

James Tynion IV. (Autor), Guillem March, Jorge Jimenez, Tony S. Daniel (Zeichner): Batman: Finstere Pläne 1 • Aus dem Englischen von Ralph Kruhm • Panini, Stuttgart 2022 • 268 Seiten • Softcover • 30,00 Euro

Das war nix – „Batman – Urban Legends: Gothams dunkle Helden“

Das Anthologie-Projekt „Urban Legends“ lief über 23 Ausgaben von März 2021 bis März 2023. Nach dem ersten Sammelband „Waffengewalt“, der vor allem aufgrund der Story von Chip Zdarsky lesenswert ist, erschien nun ein weiterer Band: „Gothams dunkle Helden“ enthält Storys von verschiedenen Künstler*innen und mit unterschiedlichen Figuren aus dem Batman-Kosmos.

Im Mittelpunkt der ersten Geschichte von Megan Fitzmartin und Belén Ortega steht Tim Drake, der eine Serie von Entführungsfällen aufzuklären versucht. Mehrere Jugendliche mit sehr unterschiedlichen sozialen Hintergründen und ohne ersichtliche Zusammenhänge sind verschwunden. Nur ihr jugendliches Alter haben sie gemeinsam, und so verbindet sie ihre adoleszenztypische Suche nach dem eigenen Ich. Als Tims Freund Bernard ebenfalls entführt wird, macht Robin sich auf die Suche nach ihm und entdeckt einen verborgenen Kult, der Jugendliche opfert. Dass er damit nicht nur Bernard und die Täter findet, sondern auch etwas über sich selbst lernt, das Frederic Wertham das Fürchten gelehrt hätte, ist eine gute und überraschende Pointe, kann über die insgesamt eher langweilige Story aber nicht hinwegtäuschen.

Das wäre in so einer Sammlung überhaupt nicht schlimm, wenn nicht die anderen Geschichten weitaus konfuser und zum Teil voraussetzungsreicher wären, darunter eine rührige Weihnachtsgeschichte, in der Batman seine Nächstenliebe beweisen kann. Insgesamt ist dieser Auftritt des Dunklen Ritters eine Seltenheit in diesem Band, der eher von Batwoman, Batgirl, Zealot, Lady Shiva und Black Lightning bevölkert wird. Wer mit diesen Namen wenig anfangen kann, wird mit dem gesamten Band nicht sehr glücklich werden.

Immerhin versprechen die sehr heterogenen Zeichenstile etwas Abwechslung, und tatsächlich überraschen manche Zeichner*innen mit stilistischen Entscheidungen, die nicht nach „klassischen“ Superheldencomics aussehen. Guillaume Singelin („Jäger und Gejagte“) sticht mit seinen mangaesken Figuren hervor, wenngleich die Story total enttäuscht. Auch die Zeichnungen von Marguerite Sauvage („Der Geist in der Maschine“) fallen durch ihre pastellige Kolorierung sehr aus dem Rahmen. Insgesamt ist dieser Band enttäuschend, auch weil Chip Zdarskys Auftakt wesentlich besser war.

Marguerite Bennett, Matthew Rosenberg, Meghan Fitzmartin (Autor*innen), Chris Sprouse, Christian Ward, Cian Tormey, Max Dunbar (Zeichner): Urban Legends – Gothams dunkle Helden • Aus dem Englischen von Ralph Kruhm • Panini, Stuttgart 2022 • 276 Seiten • Softcover • 30,00 Euro

„Der Joker 3 – Menschenfresser“

Seit Jahren steht der Joker im düsteren Rampenlicht des Batman-Universums – so auch in der dreiteiligen Serie „Der Joker“, geschrieben von James Tynion IV und Matthew Rosenberg, deren Abschlussband kürzlich erschienen ist. Wir erinnern uns: Der Joker hat durch einen Giftgasanschlag im Arkham Asylum mit 500 Opfern nicht nur die Polizei und Batman auf den Plan gerufen, sondern vor allem die Unterwelt selbst. Während der Joker im zentralamerikanischen Belize untergetaucht ist, wird Jim Gordon von der mysteriösen Cressida überzeugt, den Joker zu jagen und zu töten. Zum Dank, so verspricht die dubiose Schönheit, erwarten ihn ein ruhiges Gewissen und 25 Millionen Dollar als steuerfreie Altersabsicherung. Mit Barbaras Unterstützung, die über die gesamte Serie eine große Rolle spielt, nimmt er an und macht sich auf die Jagd.

Der dritte Band führt Gordon nicht an die mittelamerikanische Küste, sondern ins rurale Texas, wo die Hinterwäldler-Familie Sampson durch Ölbohrungen zu großem Reichtum gekommen ist und beschlossen hat, ihrem Hobby „Menschenfressen“ exzessiv nachzugehen. Auf dem Speiseplan: der Joker.

James Tynion IV schreibt lebhafte und pointierte Dialoge, den Wahnsinn des Jokers fasst er etwa im ersten Band in eine schöne Metapher: „Ich war immer der Typ, der über den Rand gemalt hat.“ Die ersten Ausgaben wurden von Guillem March („Karmen“) gezeichnet, aber schon früh kam Francesco Francavilla ins Spiel und bereichert die Serie mit seinem reduzierten und sehr markanten Stil.

Interessant an dieser beeindruckenden Serie ist die Fokussierung auf Jim Gordon, insofern hätte sie auch „Gordon“ heißen können, was aber sicherlich nicht so aufmerksamkeitsheischend ist wie der Clown des Verbrechens. Die Mischung des Kriminalfalls mit Elementen des Folk Horror überzeugt auf ganzer Linie, und die fast vollständige Absenz des Dunklen Ritters ist kein Verlust.

James Tynion IV, Matthew Rosenberg (Autoren), Francesco Francavilla, Giuseppe Camuncoli (Zeichner): Der Joker 3 – Menschenfresser • Aus dem Englischen von Bernd Kronsbein • Panini, Stuttgart 2022 • 172 Seiten • Softcover • 20,00 Euro

Batman-Horror vom Feinsten – „Arkham City – Stadt des Wahnsinns“

In „Arkham City – Stadt des Wahnsinns“ ist ein Giftgasanschlag auf das Arkham Asylum durchgeführt worden, der manche der Inhaftierten das Leben gekostet, anderen wiederum die Freiheit geschenkt hat. Die Psychiaterin Dr. Jocasta Joy überlebt diese Katastrophe, weil sie einen freien Tag hatte, und wird von der Polizei um ihre Hilfe gebeten, die entflohenen Straftäter wiederzufinden. Sie beschützt aber zugleich einen ihrer Patienten, den Ten-Eyed Man. Bei diesem handelt es sich um einen soziopathischen Superschurken, den wohl nur wenige Batman-Fans vor allem aus den 1970er- und 1980er-Jahren kennen werden.

Der Ten-Eyed Man verlor sein Augenlicht bei einer Explosion und kann seit der Operation durch einen dubiosen Chirurgen mithilfe seiner Fingerspitzen mehr wahrnehmen als zuvor. Jacosta Joy versucht, ihn vor der Polizei zu beschützen, muss aber beobachten, dass seine Gewohnheiten gegen den guten Geschmack (und diverse Gesetze) verstoßen. Schließlich gelingt es dem Ten-Eyed Man, einige der entflohenen Arkham-Insassen aufzuspüren, weil seine Grundannahme, dass Arkham und Gotham deckungsgleich sind und sich nur in ihren Dimensionen unterscheiden, richtig zu sein scheint. Legt man eine Karte von Gotham City und einen Gebäudeplan der berühmten Irrenanstalt übereinander, findet man die Schurken dort, wo sich in Arkham ihre Zellen befunden haben. Der Wahnsinn breitet sich also ganz buchstäblich über die ganze Stadt aus, und er erfasst auch Jacosta Joy und letztlich uns Leser*innen, weil diese brüchige Welt niemandem Halt zu geben vermag. Gotham City wird zu Arkham City, und wir Leser*innen werden fast zu seinen Bewohner*innen.

Was bei dieser Zusammenfassung des Inhalts fehlt, ist der Auftakt des Bandes, drei Kapitel aus den „Urban Legends“, die auch vom Autor Dan Watters stammen, zeichnerisch aber von Nikola Cižmešija umgesetzt wurden. Diese Story, „Azrael – Dark Knight of the Soul“, erschien zwischen Dezember 2021 und Februar 2022, also parallel zu „Arkham City – Stadt des Wahnsinns“ (engl. „The Order of the world“). Der Zusammenhang zwischen beiden Geschichten erschließt sich aber kaum, und der erste Eindruck, den Cižmešijas austauschbare Zeichnungen hinterlassen, führt in die Irre, immerhin ist das Artwork der griechischen Zeichnerin Dani, die für „Stadt des Wahnsinns“ verantwortlich war und deren flächige Gestaltung an Frank Millers beste Zeiten erinnert, beeindruckend individuell.

Der Titel wird manche an den Erfolgstitel von Grant Morrison und Dave McKean („Arkham Asylum“, 1989) erinnern – große Fußstapfen, und Danis Stil lässt sich technisch nicht mit McKean vergleichen, aber tatsächlich gelingt es ihr, an den Horror dieses Batman-Klassikers anzuknüpfen. Großartig.

Dan Watters (Autor), Dani, Nikola Cižmešija (Zeichner*innen): Arkham City – Stadt des Wahnsinns • Aus dem Englischen von Katrin Aust • Panini, Stuttgart 2022 • 196 Seiten • Softcover • 24,00 Euro

Gerrit Lungershausen, geboren 1979 als Gerrit Lembke, hat in Kiel Literatur- und Medienwissenschaften studiert und wurde 2016 promoviert. Er hat Bücher über Walter Moers, Actionkino und den Deutschen Buchpreis herausgegeben. 2014 hat er zusammen mit anderen das e-Journal Closure gegründet und ist bis heute Mitherausgeber. Derzeit lebt er in Mainz und schreibt für Comicgate und die Comixene. An der TU Hamburg-Harburg unterrichtet er Comic-Forschung.