Neues und Altes vom Flattermann

Wer sich für den 84-jährigen Flattermann, den Senior-Superhelden unter den kostümierten Weltenrettern, interessiert, findet unter den Batman-Neuerscheinungen lesenswerte wie auch überflüssige Comics. Ein Highlight in diesem Jahr war die Black-Label-Albenserie „One Bad Day“, in der sich verschiedene Künstler*innen-Teams Batmans größten Schurken widmeten. Kürzlich ist der lesens- und sehenswerte Band über Ra‘s Al Ghul bei Panini erschienen. Was ist sonst noch durch die Comicläden geflattert?

Batman – Die 1989er Filmadaption

Das „Buch zum Film“ war schon immer eine schlechte Idee, vor allem, wenn das Buch nur als billige Werbemaßnahme für den Blockbuster geplant war. Während viele erfolgreiche Filme auf guten oder passablen Büchern beruhen („Rambo“, „Planet der Affen“, „Fight Club“), entstehen im Fahrwasser großer Kinoproduktionen nur selten (eigentlich nie) lesbare Romane. „Terminator 2“ oder „Rambo 2“ sind nur lästige Randerscheinungen eines gierigen Marktes. Auch Comics werden gern in die Verwertungsmaschinerie einbezogen, um den Stoff kostengünstig und erfolgreich zu verbreiten. Künstlerische Werke für die Ewigkeit sollte man nicht erwarten, wenn ein Comic mit „Der Comic zum Film“ wirbt. Die „Planet-der-Affen“-Comics sind in den letzten Jahren bei Cross Cult neu aufgelegt worden, und nun ist auch die Comic-Version von Tim Burtons legendärem Batman-Film von 1989 bei Panini erschienen.

Dieser Batman-Comic, geschrieben von Denis O’Neil, gezeichnet von Jerry Ordway, ist in den USA im Jahr 2019, also zum 30-jährigen Jubiläum des Films, erschienen. Der Film von 1989 ist legendär, nicht nur weil er die düstere Neuinterpretation der Figur durch Frank Miller wenige Jahre zuvor („The Dark Knight Returns“, 1986) popularisierte, sondern auch weil er die Stimmung der Nolan-Filme maßgeblich mitgeprägt hat.

Eine Comic-Adaption also. Aha. Das verheißt erst einmal nichts Gutes, denn auch alle späteren Batman-Filme sind allesamt irgendwann als Comics verwurstet worden, die heute niemand mehr kennt: „Batman Forever“, „Batman Returns“, „Batman und Robin“ oder „Batman Begins“ – nur etwas für Leser*innen mit viel Zeit und wenig Anspruch.

Ein Vergleich von Comicadaption und Filmvorlage zeigt die Ähnlichkeiten bis in die Details. Was der Comic durch den fehlenden Soundtrack verliert, gewinnt er durch die Farbenpracht. (© Warner Bros. Entertainment & DC Comics)

In „Batman 1989“ tauchen wir in ein vom Verbrechen beherrschtes Gotham City ein, das den Batman bisher nur als urbanen Mythos kennt. Der Verbrecherfürst Carl Grissom möchte sich seines Nebenbuhlers Jack Napier entledigen und schickt ihn für einen Auftrag in eine Chemiefabrik, in Wirklichkeit aber in eine Falle. Dort landet er in einem brodelnden Blubbertank und taucht als Joker, der die Stadt tyrannisieren wird, wieder auf. Bruce Wayne wiederum lässt sich auf einen Flirt mit der Journalistin Vicki Vale ein, die sein Identitätsgeheimnis schließlich lüftet. Der Höhepunkt des Films ist der Showdown zum 200-jährigen Stadtjubiläum Gotham Citys: der Joker mit irrer Knarre gegen Batman.

Natürlich lohnt sich eine vergleichende Lektüre von Comic und Film. Dabei wird auffallen, dass zahlreiche Panels 1:1 den Filmszenen entsprechen, auch oft im Wortlaut, so als ob das Storyboard nur etwas aufgehübscht worden wäre. In Christian Endres‘ Vorwort heißt es, der Comic enthalte manche Szenen, die im Film letztlich doch nicht umgesetzt worden seien. Wer sich davon viel verspricht, wird aber enttäuscht werden, denn die Abweichungen sind marginal. Eher fällt auf, dass einige Filmszenen fehlen oder arg verkürzt sind, sodass die im Film angestrebte Pointe (wie etwa die zunehmend verwahrlosenden Nachrichtensprecher) dem Comic abgeht. Wer den Film gesehen hat, wird die Szene im Gedächtnis haben, als der Joker zur Musik von Prince durch ein Museum schreitet und mit sehr viel oder wenig Taktgefühl (je nach Perspektive) die Kunstwerke ruiniert. Im Comic bleibt davon nicht viel übrig, aber wie wollte man Prince auch in den Comic überführen?

Dass nicht nur der fertige Comic, sondern auch die unkolorierten Zeichnungen (komplett!) enthalten sind, sieht zwar nach Seitenschinderei aus, ist aber ganz reizvoll, zumal man den Comic so nicht nur in der deutschen Übersetzung, sondern auch im Original vorliegen hat. Vor allem muss man sich letztlich aber fragen, ob man nicht lieber den Film anstatt den Comic ansieht.

© Warner Bros. Entertainment & DC Comics

Dennis O’Neil (Autor), Jerry Ordway (Zeichner): Batman – Die 1989er-Filmadaption. Deluxe Edition • Aus dem Amerikanischen von Christian Langhagen • Panini, Stuttgart 2023 • 148 Seiten • Hardcover • 24,00 Euro

Lonely City 2

„Lonely City“ von Cliff Chiang ist ein melancholischer Abgesang auf die Männerwelt rund um den farbscheuen Flattermann. Im ersten Band folgten wir Catwoman, die aus dem Gefängnis entlassen und einem Gotham City überlassen wird, das sie am liebsten vergessen würde: Batman starb vor ihrer Inhaftierung (und in ihren Armen), und dass Harvey Dent zum Bürgermeister der Stadt aufgestiegen ist, macht es auch keinen Deut besser. Dents No-Mask-Policy richtet sich gleichermaßen gegen kostümierte Schurken wie auch Helden – wie praktisch, dass seine Doppelidentität keine Maske braucht…

Mit seinem letzten pathetischen Atemzug hauchte Batman Selina noch „Orpheus“ zu, und was sich dahinter verbirgt, ist das Rätsel, das Selina Kyle in dieser auf zwei Bände verteilten Geschichte zu lösen versucht. Im zweiten Band dringt Catwomans Bande, bestehend aus den Altstars der Superschurken (Killer Croc, Riddler und Poison Ivy), in die Batcave ein und trifft dort auf Dent und dessen paramilitärische Truppen. Der actionreiche Showdown endet mit einem Sieg für Catwoman und damit auch für Barbara Gordon, der Gegenkandidatin auf das Amt des Bürgermeisters.

Cliff Chiang bedient sich auch visuell mancher Vorbilder. Die Anleihen bei Frank Millers und David Mazzucchellis Klassiker „Year One“ sind nicht zu übersehen.

Der Fokus auf Catwoman, also eine (wenn auch liebenswerte) Bösewichtin des Batman-Kosmos, hat lange Tradition und ist derzeit umso präsenter in der One-Shot-Serie „One Bad Day“ unter dem Black-Label-Imprint. Charmant ist der Ansatz von „Lonely City“, die Figuren realistisch altern zu lassen, sodass Kyle unter Gelenkschmerzen leidet, der Riddler wehmütig zurückblickt und Killer Croc nur punktuell auf die Stärke vergangener Tage zurückgreifen kann. Ein wenig Frank-Miller-Reminiszenz lässt sich darin vermuten. Im Abschlussband liegt der Fokus auf dem Einbruch in die Batcave, eine heist story, die uns mit den Einbrechern mitfiebern lässt.

Orpheus, der Ursprung des Rätsels, wird in der griechischen Mythologie vor die Aufgabe gestellt, bei seinem Gang durch die Unterwelt nicht zurückschauen zu dürfen, weil er dann seine geliebte Eurydike verlieren müsste. Nicht zurückzublicken ist etwas, das den Figuren in „Lonely City“ sehr schwerfällt, denn der Blick zurück ist nun einmal ein Recht des Alters. Wir müssen natürlich auch einen Blick zurückwerfen, auf Millers „The Dark Knight Returns“, dessen Batman kein strahlender Held ist, sondern ein zynischer Mann in den Fünfzigern, der die Dinge selbst in die Hand nimmt, weil er in staatliche Strukturen kein Vertrauen mehr hat. In „Lonely City“ ist Batman nur noch eine ferne Erinnerung, sein Erbe lebt aber in der technologisch avancierten Staatsgewalt weiter. Auch „Year One“ (1987) von Frank Miller und David Mazzucchelli, den man vielleicht Millers berühmteren Comic vorziehen sollte (ist nun einmal der bessere Comic), spielt eine große Rolle, wird er von Chiang doch immer wieder visuell zitiert. Nicht nur Miller-Leser*innen werden manches wiedererkennen, auch Fans der „Paper Girls“ werden angesichts des einprägsamen Stils und der markanten Farben ein Deja-vu-Erlebnis haben, denn Cliff Chiang zeichnete und kolorierte auch Brian K. Vaughans erfolgreiche Serie (2015-19).

„Lonely City“ erschien zuerst in vier Heften zwischen Oktober 2021 und Oktober 2022 bei DC Comics. Panini veröffentlichte die Story in zwei Hardcover-Alben im April 2022 und März 2023.

Cliff Chiang: Catwoman – Lonely City 2 • Aus dem Amerikanischen von Carolin Hidalgo • Panini, Stuttgart 2023 • 108 Seiten • Hardcover • 22,00 Euro

Die Festung

Kein W-Lan, kein Kühlschrank, kein Netflix. Wayne Manor ist völlig lahmgelegt. Ganz Gotham City. Ach, was solls: Die ganze Welt hat keinen Strom mehr. Da hat selbst Batman nur eine einzige Hoffnung: „Clark, wo zum Teufel bist du?“ Schnell stellt sich heraus, dass nicht der Joker oder die üblichen Verdächtigen dafür verantwortlich sind, sondern eine außerirdische Macht. „Noch immer nichts von Clark?“ Batman trommelt die Justice League zusammen, aber auch the Flash, Wonder Woman und Aquaman kommen gegen die Alien-Übermacht nicht an, die inzwischen auf der Erde gelandet ist, um sich auf die gleiche Suche zu machen wie Batman: „Clark ist der Schlüssel zu allem.“

Inzwischen sind wir in #4 angekommen und beobachten, wie Batman an der Seite von Lex Luthor, dessen Unterstützung sich der Caped Crusader versichert hat, die Außerirdischen am Nördlichen Polarkreis auffindet. Die Versammlung findet ausgerechnet dort statt, wo sie Supermans Fortress of Solitude, die titelgebende „Festung der Einsamkeit“, vermuten. Diese befindet sich inzwischen aber an einem noch geheimeren Ort, weil Superman allen Grund hat, sich vor den Aliens zu verstecken. Für die Lokalisierung der Festung und den Einbruch darin holt Batman sich tatkräftige Unterstützung.

Es fällt rasch auf, dass der Comic, geschrieben von Gary Whitta, gezeichnet von Darrick Robertson, viele Dialogszenen benötigt, um die Handlung voranzutreiben. Und das ist nicht unbedingt ein Gewinn, denn die Dialoge sind selten pointiert, sondern eher schnarchlangweilig: „‚Alles gut, Jim?‘ – ‚Geht schon. Du bist der einzige, der mich das je gefragt hat.‘ – ‚Wofür sind Freunde da?‘ – ‚Sind wir das denn?‘ – ‚Schon … mehr geht wohl nicht, wenn einer eine Maske trägt.‘“ Willkommen zur Kreismeisterschaft im Phrasendreschen.

So überraschend die Intention der Außerirdischen, die Zusammenarbeit von Batman und Lex Luthor, der Einbruch in die Festung auch sein mögen, ist der Comic doch rundherum öde. Die Zeichnungen von Robertson („The Boys“, „Transmetropolitan“) haben ihre Momente, machen aus der belanglosen Lektüre aber kein Leseerlebnis.

„Die Festung“ (engl. „The Fortress“) erschien zuerst in acht Heften zwischen Juli 2022 und März 2023 bei DC Comics.

Gary Whitta (Autor), Darick Robertson (Zeichner): Batman – Die Festung • Aus dem Amerikanischen von Christian Langhagen • Panini, Stuttgart 2023 • 212 Seiten • Softcover • 25,00 Euro

Batman – Die Zukunft des weißen Ritters

„Batman – Die Zukunft des weißen Ritters“ ist der Abschluss von Sean Gordon Murphys Batman-Trilogie. Nach „Der weiße Ritter“ (2018, dt. 2019) und „Der Fluch des weißen Ritters“ (2019, dt. 2020) ist nun der Science-Fiction-Abschluss „Die Zukunft des weißen Ritters“ (engl. „Beyond the White Knight“, 2022, dt. 2023) erschienen. Zwar ist 2023 die sechsteilige Mini-Serie „Generation Joker“ auf den amerikanischen Markt gekommen, aber Murphy trug dazu nur die Idee und die Covergestaltung bei. Während Murphy derzeit an einem Kickstarter-Projekt über Zorro arbeitet, hat er angekündigt, in den nächsten Jahren nicht zum White Knight zurückzukehren, auch nicht in Form von Spin-offs. Umso neugieriger sollte man auf diesen seinen vorerst letzten Batman sein.

Das Motiv des Batman-Schattens, den Bruce Wayne an die Wand wirft, wiederholt sich über den ganzen Comic.

Bruce Wayne sitzt im Gefängnis, der Joker ist gestorben, und ein junger Mann namens Terry McGinnis findet bei seinem Raubzug in der Batcave einen Batsuite, der ihm große Kräfte verleiht und uns an die TV-Animationsserie „Batman Beyond“ (3 Staffeln, 1999-2001) und die Comic-Fassungen, deren erste parallel zur TV-Serie erschienen, denken lässt. Kein Wunder, immerhin sagte Murphy in einem frühen Interview zum ersten Teil seiner White-Knight-Serie, dass „Batman – The Animated Series“ ihn als 12-Jährigen bereits zu dieser Story inspiriert habe: „I think I was 12 years old when I first started to put this story together. I remember watching Batman: The Animated Series and thinking, You know—the Joker would be a lot more threatening if he could stop acting crazy and get his shit together. The older I got, the more I thought about that premise and the more I kept adding to it. And in the age of social media, political spin and controversy wars being waged in the court of public opinion, you can see how the rest of the story came together.“

Bruce Wayne gelingt der Ausbruch aus dem Stonegate Penitentiary, dem TV-Pendant zu Blackgate, wie das Gefängnis in den Comics üblicherweise genannt wird. Jason Todd arbeitet dort als Aufseher und lässt schließlich zu, dass Bruce Waynes Flucht gelingt. Zurück in der Freiheit, muss Batman beobachten, dass Gotham City sich verändert hat. Ein glitzerndes Neo Gotham ist die Stelle des düsteren Sündenpfuhls getreten, und das GCPD konkurriert mit dem technisch aufgerüsteten GTO unter Leitung von Dick Grayson. Dass hier Vater-Sohn-Konflikte eine Rolle spielen, wird früh klar.

Hinter dem posierenden Terry sehen wir, angeschnitten und halb verborgen, den Schriftzug „Zorro“: Der detailverliebte Murphy spielt hier zugleich auf Batmans Origin Story und sein aktuelles Kickstarter-Projekt an.

Wer diesen Comic in die Hand nimmt, tut gut daran, das Murphyverse von Anfang an und bis in alle entfernten Regionen erkundet zu haben. Viele Details und Figuren erschließen sich nur richtig, wenn man die vorigen Bände kennt. Murphy hatte von Anfang an ein Gesamtkonzept im Auge, das in der Aufeinanderfolge verschiedener Genres bestand: „Volume One, The White Knight, was a political thriller. Volume Two was a historical thriller. And Volume Three will be a sci-fi thriller“, so Murphy im Interview. Seine Beteiligung an den einzelnen Bänden ist wiederum ganz unterschiedlich: Nachdem er die ersten beiden Bände noch weitgehend allein gestaltet hat (abgesehen von den Farben), hat er zu „Harley Quinn“ nur die Story und die Zeichnungen beigetragen, wohingegen das Skript von seiner Ehefrau Katana Collins stammt.

Ein besonderer Gag besteht darin, dass der verstorbene Joker als nur für Batman sichtbares Hologramm an dessen Seite kämpft. Der unter Panikattacken leidende Flattermann sieht von außen betrachtet also wie ein alter Mann aus, der wütende Selbstgespräche führt.

Die Entwicklung von Sean Gordon Murphys zeichnerischem Stil ist spannend. Seine Frühwerke erinnern zwar in manchen Perspektiven oder Panelanordnungen an seine aktuellen Comics, auch die kantigen Gesichter zeigen sich schon in seinen frühen Comics wie dem mangaesken „Off Road“ (2005) oder „Crush“ (2003, mit Jason Hall als Autor), aber die Detailtiefe und seine markanten ausgearbeiteten Hintergründe, die einen wesentlichen Teil der Stimmung evozieren, sind im Frühwerk noch wenig ausgeprägt. Spätestens seit „Joe, the Barbarian“ (2010–11) mit Grant Morrison als Autor hat Murphy einen beeindruckenden Stil gefunden, der bis heute sein Markenzeichen ist.

Die voraussetzungsreiche Story kann mit dem Artwork nicht ganz mithalten, aber während man darüber grübelt, warum der Joker nun plötzlich doch für alle sichtbar ist, lässt man sich von den dynamischen Zeichnungen berauschen und vergisst so manche Ungereimtheit, wie Sean Murphy sie auch in „The Plotholes“ übriglässt. Die Serie über den „White Knight“ endet nicht so phänomenal, wie sie begonnen hat.

Sean Gordon Murphy: Batman – Die Zukunft des weißen Ritters • Aus dem Amerikanischen von Josef Rother • Panini, Stuttgart 2023 • 268 Seiten • Softcover • 30,00 Euro

Gerrit Lungershausen, geboren 1979 als Gerrit Lembke, hat in Kiel Literatur- und Medienwissenschaften studiert und wurde 2016 promoviert. Er hat Bücher über Walter Moers, Actionkino und den Deutschen Buchpreis herausgegeben. 2014 hat er zusammen mit anderen das e-Journal Closure gegründet und ist bis heute Mitherausgeber. Derzeit lebt er in Mainz und schreibt für Comicgate.de, Alfonz und die Comixene. An der TU Hamburg-Harburg unterrichtet er Comic-Forschung.