Wege zum Erfolg – „Hundreds of Beavers“

Mike Chesliks skurrilste Komödie der Saison besitzt auch Qualitäten eines Animationsfilms.

Noch ist die Welt des fidelen Apfelbauers Jean Kayak (Ryland Brickson Cole Tews) in allerbester Ordnung: Die Ernten sind reichhaltig, die Apfelschnapsproduktion floriert und der trinkfeste Kayak gehört als Dauerberauschter selbst zu seinen besten Kunden. Doch dann geht eines nicht so schönen Tages die Destillerie in Flammen auf. Vielleicht haben die gefräßigen Biber am Holz genagt, vielleicht war der betrunkene Schnapsbrenner auch einfach wieder mal nur zu unaufmerksam und benebelt. Jedenfalls stürzt er vom Erfolg ins Nichts aus Eis und Schnee; und öfter auch in schwarze Löcher, die sich darin auftun. Fortan befindet sich der Gefallene im stetigen Kampf mit der Natur auf einer ebenso verzweifelten wie erfolglosen Suche nach Nahrung. Doch wie es der tumbe Anfänger auch anstellt, immer ist ihm seine potentielle Beute einen Schritt voraus. Alle seine Bemühungen werden zunichtegemacht, das Scheitern wird zum Dauerzustand.

Mike Cheslik mischt für seine anarchische Slapstick-Komödie „Hundreds of Beavers“, die im 19. Jahrhundert irgendwo im mittleren Westen angesiedelt ist, Realfilm mit Elementen der Animation. Vor meist schneeweißem Hintergrund entfacht er ein bizarres Spektakel überdrehter und vor allem permanenter Action. Wüste Kämpfe, bei denen alles passieren kann und trotz eines teilweise bösen, makabren Humors nichts wirklich wehtut, stehen im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen zwischen Mensch und Tier. Denn Jean Kayak lernt allmählich dazu und mutiert unter Anleitung eines Trappers schließlich zum skrupellosen Fallensteller, der es besonders auf die titelgebenden Biber, die von Menschen in lustigen Ganzkörperkostümen gespielt werden, abgesehen hat; und zwar umso mehr, als er sich in die streng überwachte Tochter (Olivia Graves) des Pelzhändlers (Doug Mancheski) verliebt.

Ein Zitat von Benjamin Franklin verweist in einem der wenigen Zwischentitel des ansonsten stummen Films ironisch auf den Zusammenhang zwischen eigener Hände Arbeit und Erfolg. Um die Angebetete zu erobern, muss Kayak also gnadenlos Biber meucheln, wobei seine Jagdmethoden immer ausgeklügelter werden. Wie in den überdrehten Zeichentrickfilmen der „Looney Tunes“-Serie entfaltet die Independent-Produktion „Hundreds of Beavers“ eine ganz eigene Logik der Verdoppelung, Wiederholung und Variation, um ein Höchstmaß an Klamauk und Nonsens ins schwarzweiße Bild zu setzen. Das ist originell und macht Spaß, wirkt oft und auf Dauer aber auch nur mäßig lustig und vor allem redundant. Kayaks abenteuerlicher Weg zu Erfolg und Liebesglück zeugt jedenfalls von einer unbändigen filmischen Fabulierlust und phantastischen Einfällen, die Cheslik und seinen schauspielernden Koautor Reyland Tews offensichtlich zu ungehemmter Kreativität angetrieben haben.

Hundreds of Beavers
USA 2023 – 108 Min.

Regie: Mike Cheslik – Drehbuch: Mike Cheslik, Ryland Brickson Cole Tews – Produktion: Sam Hogerton, Matt Sabljak, Ryland Brickson Cole Tews, Kurt Ravenwood – Bildgestaltung: Quinn Hester – Montage: Mike Cheslik – Musik: Chris Ryan – Verleih: Lighthouse – FSK: ab 16 – Besetzung: Ryland Brickson Cole Tews, Olivia Graves, Wes Tank – Kinostart (D): 13.02.2025

Wolfgang Nierlin, geboren 1965. Studium der Germanistik, Philosophie und Psychologie in Heidelberg. Gedichtveröffentlichungen in den Zeitschriften metamorphosen und Van Goghs Ohr. Schreibt Film- und Literaturbesprechungen für Zeitungen (Rhein-Neckar-Zeitung, Mannheimer Morgen u. a.) sowie Fachzeitschriften (Filmbulletin, Filmgazette u. a.). Langjährige Mitarbeit im Programmrat des Heidelberger kommunalen Karlstorkinos.

Abb. oben © Lighthouse