Subversiv und legendär: Die Vienna Comix Week feiert die DIY-Szene

Eine Ausstellung blickt zurück auf den Self-Publishing-Boom der 1990er-Jahre, auch im Literaturhaus widmet man sich Comic-Kunst aus Kleinverlagen und Kollektiven.

„Für was ist das gut?“ Der Beamte an der tschechischen Grenze blättert sichtlich ratlos durch eines der im Eigenverlag gedruckten Comichefte, die Nicolas Mahler und Heinz Wolf verzollen wollen. „Und das zeichnen Sie selber? Jedes Bild? Ist das nicht langweilig?“ Diese Szene ist dem legendären Buch „Kunsttheorie versus Frau Goldgruber“ (erstmals 2003 erschienen) entnommen, einer Sammlung von Kurzdramoletten, in denen Mahler, heute international preisgekrönter Künstler, in trockenster Manier persönliche Schmankerln aus den Anfängen seines Schaffens serviert. Der Zollbeamte und auch die titelgebende Finanzamtsbeamtin Frau Goldgruber sind dabei nur ein paar Bröckerln in der Mure der Verkennung, die dem jungen Comiczeichner entgegenkommt.

Die Aussage „Für was ist das gut?“ traf nicht nur Mahler, sondern ein ganzes Grüppchen an Comicschaffenden, die sich entgegen aller Widrigkeiten ab Ende der 1980er- und in den 1990er-Jahren dazu entschlossen, ihre Hefte eben selbst herauszugeben. Sie legten damit den Grundstein für die heute äußerst lebendige österreichische Comicszene. „Für was ist das gut?“ ist auch der Titel einer Ausstellung der Österreichischen Gesellschaft für Comics (OeGeC), die mit der Eröffnung am Montagabend die Vienna Comix Week einläutet.

Die Schau widmet sich dezidiert dem vielfältigen Comic-Selfpublishing der 1990er-Jahre. In Österreich waren Publikationsmöglichkeiten ohnehin rar, Comicstrips und Cartoons in österreichischen Zeitschriften und Tageszeitungen schwanden und wurden durch billigere Fotografien ersetzt, Zeitungen wie die Arbeiterzeitung wurden eingestellt. Inspiriert von der Do-it-yourself(DIY)-Tradition der Wiener Musik-, Punk- und Hausbesetzerszene sowie der Zine-Kultur der US-amerikanischen Underground-Comix wurden im Eigenverlag Hefte gedruckt.

Bobby Spieß war selbst Teil der Wiener Hausbesetzer-Szene. Seine Furz-Comics hat er selbst kopiert und verkauft.

Bis 30. Mai rollt die Ausstellung in der Argentinierstraße auf, wie sich Kleinstverlage gründeten und wie die Hefte unter die Leute gebracht wurden, zum Beispiel in einem umfunktionierten Kaffeeautomaten in der Wiener Innenstadt. Zu sehen sind Originalzeichnungen, auch die Protagonistinnen und Protagonisten selbst (neben Mahler und Wolf unter anderem Nina Dietrich und Edda Strobl) kommen zu Wort – ebenso wie in zwei flankierenden Podiumsdiskussionen.

Mit Aleksandar Zograf beehrt ein veritabler Star der Underground-Comix-Szene die Vienna Comix Week. Der serbische Comickünstler veröffentlicht seit den 1980er-Jahren gesellschaftskritische, autobiografisch geprägte Reportagen und Kurzgeschichten in Comicformat, mittlerweile in internationalen Verlagen. In „Regards from Serbia“ dokumentierte er die Nato-Angriffe 1999 auf Serbien, in „Partisanenpost“ widmet er sich dem Widerstand in Jugoslawien während der deutschen Besatzung 1941–1944. Zuletzt hat er sich mit den aktuellen studentischen Protesten in Serbien beschäftigt.

Eine Kostprobe aus Zografs Werk wird in einer Ausstellung in der Brunnenpassage zu sehen sein. Sein Workshop im Rahmen der Wiener Festwochen ist bereits ausgebucht, am 31. Mai und 1. Juni ist er dann aber noch beim Vienna Comix Festival in der Marx-Halle zu Gast, die quasi als Krönung der Comix Week folgt. Zografs Frau Gordana Basta wird übrigens während der Comix Week gemeinsam mit dem Studio Vrba ihre Comic-Stickereien vorstellen.

Bereits am 27. Mai präsentiert die Graphic-Novel-Doyenne Ulli Lust ihr neues Buch „Die Frau als Mensch“ in der Hauptbücherei. Der Sachcomic mit feministischem Blick auf die Urgeschichte wurde unlängst für den deutschen Sachbuchpreis nominiert.

Am 28. Mai wartet das Literaturhaus Wien mit der Veranstaltung Vienna Underground Comix Day and Night auf, inklusive einer Comix Fair und Comix-Lesungen. Hier präsentieren sich aktuelle Kollektive, Kleinverlage und Künstlerinnen und Künstler wie Janne Marie Dauer, Michael Hacker und Franz Suess. Vielleicht gibt es hier auch Antworten auf die Frage, wozu das alles gut ist – oder sie beantwortet sich von selbst.

Infos:
Ausstellung „Für was ist das gut? – Österreichische Comics der 90er im Eigenverlag“, Argentinierstraße 47, 1040 Wien
Vernissage: 26. Mai, 19 Uhr
Finissage: 30. Mai, 19 Uhr
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag jeweils von 15 bis 18 Uhr

Vienna Comix Week: 26. bis 30. Mai an verschiedenen Orten in Wien
Vienna Comix: 31. Mai und 1. Juni, Marx Halle Wien

Dieser Beitrag erschien zuerst am 24.05.2025 in: Der Standard – Comicblog Pictotop.

Karin Krichmayr arbeitet als Wissenschaftsredakteurin für Der Standard. Außerdem betreibt sie für die österreichische Tageszeitung den Comicblog Pictotop.