Der neue Superman

In Zeiten „Dunkler Aufklärung“ schickt Regisseur James Gunn eine Lichtgestalt mit Humor und Migrationsgeschichte ins nun wieder pastellfarbene DC-Universum. Der neue „Superman“ kommt wie gerufen und lässt rechte Kulturkämpfer vor Wut schäumen. Jetzt ist der Film fürs Heimkino erschienen.

Schon die stimmungsvolle Auftaktszene ist programmatisch für den Rest des Films: Superman liegt blutend und geschlagen im Schnee. Der US-amerikanische Regisseur James Gunn billigt Superman trotz aller Stärke auch menschliche Verletzlichkeit zu. Ein echtes Novum in der Geschichte der Heldenerzählung aus dem DC-Comicuniversum.

Einstellungen dieser Sequenz mit Superman-Darsteller David Corenswet im Bild kursierten schon kurz nach der ersten Trailer-Veröffentlichung vor einigen Monaten im Netz und sorgten bei wackeren Kulturkämpfern der Rechten für Empörung. Der Übermensch ein Softie und Loser? Das können sich natürlich nur woke Weicheier in Hollywood ausgedacht haben! So lautete der hämische Tenor auf Elon Musks Plattform X, wo auch kurz vor dem Filmstart am 10. Juli eifrig Stimmung gegen den Blockbuster gemacht wurde.

Gunn, der sehr erfolgreich die gutgelaunte Weltraumbande „Guardians of the Galaxy“ durch das Marvel-Multiversum getrieben hatte, ließ sich von dem Shitstorm vor dem Kinostarts nicht beirren und beharrt in Zeiten rigider Migrationspolitik – nicht nur in den USA – darauf, dass Superman eine Einwanderergeschichte erzähle. Aussagen, die die kulturkämpferische Klientel natürlich nicht hören wollte. Dabei spricht schon allein die allseits bekannte Entstehungsgeschichte der Superheldensaga für sich.

Der neue Superman, schwer angeschlagen, wie er ist, wird seinem Elend natürlich nicht einfach so überlassen. Schnell findet sich ein kleiner Retter in der Not – das niedliche Hündchen Krypto. Der mitunter recht verbissene Mischling schleift sein Herrchen schwanzwedelnd zurück in die ikonische Antarktis-Höhle, in der Superman erst einmal regenerieren darf. Der Ton der Inszenierung ist von Regisseur Gunn frühzeitig gesetzt: Man darf also durchaus optimistisch sein. Eine ebenso farbenfrohe wie lichte Visualität des Films, die sich überdeutlich vom Look der zurückliegenden Inszenierungen des Stoffes absetzt, unterstreicht das.

Regisseur Zack Snyder hatte Superman 2016 eine ausgesprochen finstere Anmutung verpasst. In bleischweren und zappendusteren CGI-Gewittern ließ er aus dem strahlenden US-amerikanischen Helden einen innerlich zerrissenen Schmerzensmann werden. Dabei trieb Snyder dem Franchise nicht nur seine traditionell farbenfrohe Optik aus, sondern gründlich und erfolgreich auch jeglichen Humor. Dabei war es gerade jene augenzwinkernde Komik, die die „Superman“-Filme seit der Erstling dieser Gattung von Regisseur Richard Donner im Jahr 1978 beflügelt hatte.

Christopher Reeve, der Superman auch in drei Fortsetzungen spielte, von denen die letzten beiden Sequels künstlerische wie wirtschaftliche Enttäuschungen waren, erlangte in seiner Rolle als „Mann aus Stahl“ Berühmtheit. 2006 versuchte das Filmstudio Warner, die Reihe wiederzubeleben, und betraute Bryan Singer mit der Regie. Für den unerfahrenen Brandon Routh in der Hauptrolle konnte sich das Publikum allerdings nur mittelmäßig begeistern. Aus der geplanten Reihe „Superman Returns“ wurde nichts. Nach den existentialistisch aufgeladenen Filmen „Man of Steel“ (2013) und „Batman vs. Superman: Dawn of Justice“ (2016) von Zack Snyder schien die ursprünglich in einem Comic des Jahres 1938 erschaffene Figur auserzählt.

Im Kino jedenfalls, denn im Fernsehen und Streaming erfreut sich Superman seit den neunziger Jahren eines quicklebendigen Daseins. Von der charmanten Inszenierung „Lois & Clark“ über „Smallville“ bis „Superman und Lois“ wurde die Heldenfigur in vielen Formen durchgespielt. Braucht es da im Jahr 2025 tatsächlich einen Superman für die große Leinwand? Wenn es nach James Gunn geht, der für den neuen Film auch gleich das Drehbuch geschrieben hat, dann ist Superman genau der richtige Held, um in polarisierten, unübersichtlichen Zeiten Orientierung zu stiften – jedoch ohne allzu überschießendes Pathos, dafür aber mit einer guten Schippe Selbstironie.

Für ein einigermaßen realistisches Selbstbild des Helden sorgt dabei auch Supermans love interest Lois Lane (Rachel Brosnahan), die entschieden interveniert, wenn sich das Ego ihres Dating-Partners aufbläht und er Konflikte zwischen Staaten mit eigenmächtiger Intervention lösen will. Anders als in älteren Inszenierungen lässt sich die Investigativreporterin keine Sekunde durch Brillengestell und Langweilerfrisur über die Superman-Identität ihres Kollegen Clark Kent täuschen.

Louis und Clark sind Asse als Journalisten des Daily Planet. Zu berichten gibt es viel. Denn die Weltlage ist konfliktträchtig und mies. Und Schurken wie der hochintelligente Medienunternehmer Lex Luthor (Nicholas Hoult) setzen alles daran, die Wirklichkeit durch systematisch betriebene Zersplitterung des Raum-Zeit-Gefüges zu zerstören. Mit der Hintergrundgeschichte der außerirdischen Herkunft des Helden hält sich der Film nicht lange auf, er setzt das popkulturelle Wissen voraus. Zuschauer finden sich hineingeworfen in eine turbulente Handlung, die wie ein unübersichtlicher Social-Media-Feed wirkt.

Die Stadt Metropolis wird von kolossalen außerirdischen Monstern bedroht. Superman wehrt sie mit Unterstützung der eingespielten Superheldentruppe Justice Gang ab. Ein Großkonflikt zweier Staaten, in den der milliardenschwere Unternehmer Lex Luthor eingreift, bringt die Welt an den Rand des Abgrunds. Auch Superman ist in Gefahr, sein Gegenspieler Lex Luthor verfolgt das übergeordnete Ziel, Superman zu erledigen. Nicholas Hoult spielt die Rolle des narzisstischen Schurken nur halb überzeugend, längst nicht so gut wie Gene Hackmann, der aus Luthor eine flamboyante, exzentrische Gestalt im Stil eines Bond-Bösewichts machte, oder Kevin Spacey, der den Superschurken furchteinflößend bösartig und rachsüchtig interpretierte. Hoult wirkt gemessen an diesen schillernden Vorgängern ein wenig farblos und zahm.

Was stimmt, ist die Chemie zwischen Rachel Brosnahan und David Corenswet. Die beiden sind dramaturgisch mehr als nur Liebende. Weltanschauungen prallen aufeinander. Lois Lane formuliert es so: „Ich zweifle an allem und jedem und du vertraust einfach allen.“ Worauf Superman antwortet: „Vielleicht ist Vertrauen der neue Punkrock.“ Eine dergestalt zum Optimismus und zur Hoffnung verleitende Hauptfigur hatten einst auch die Superman-Schöpfer Jerry Siegel und Joe Schuster im Sinn. Die Sprösslinge jüdischer Familien, die aufgrund von Diskriminierung und Verfolgung in die USA eingewandert waren, schufen mit der Superman-Figur einen universalen Helden, der aus der partikularen Verfolgungserfahrung von Juden heraus entstand.

Superman war dabei immer schon ein gestählter Held und Nerd mit Hornbrille zugleich. Dem Hirngespinst eines alpha male, das rechte Männerphantasien derzeit umtreibt, widerstrebt der Protagonist im unverkennbaren engsitzenden Kostüm eigentlich schon mit seinem Grundcharakter – stets war Superman zugleich stark und sensibel. Dass in Gunns neuem „Superman“ dabei endlich auch wieder gelacht werden darf, ist das eigentlich Entwaffnende der gutgelaunten Neuinszenierung, die auch wegen des gelungenen Produktionsdesigns von Beth Mickle in Erinnerung bleiben wird. Die klaren, primärfarbenen Designs ordnen das teils unbändige Handlungsgeschehen.

Einen großen Effekt hat auch der Score, für den die Komponisten John Murphy und David Fleming sorgen. Die imposanten Motive und akustischen Signaturen des Komponisten des ersten „Superman“-Films, John Williams, variiert das Duo effektvoll, dezent und stimmig. Gemeinsam mit Regisseur James Gunn setzen sie einen neuen Ton im Universum der DC-Comicverfilmungen – optimistisch und hoffnungsfroh. Gunn ist in den 2022 umstrukturierten DC Studios als Kreativdirektor für künftige Verfilmungen strategisch verantwortlich. Vielleicht sind die dunklen, humorlosen Tage im Superhelden-Kino, die seit Christopher Nolans „Dark Knight“-Filmen immer finsterer wurden, endgültig gezählt. Dazu beitragen dürfte wohl auch Craig Gillespies „Supergirl“, der am 25. Juni 2026 in die deutschen Kinos kommen soll.

Dieser Beitrag erschien zuerst in: Jungle World 29/2025

Superman
USA 2025 – 122 Min.

Regie: James Gunn – Drehbuch: James Gunn – Produktion: James Gunn, Peter Safran – Bildgestaltung: Henry Braham – Montage: Craig Alpert, William Hoy – Musik: David Fleming, John Murphy – Verleih: Warner Bros. Pictures – Besetzung: David Corenswet, Rachel Brosnahan, Nicholas Hoult, Zlatko Buric, María Gabriela de Faría, Edi Gathegi, Isabela Merced, Nathan Fillion – Kinostart (D): 10.07.2025 – DVD/UHD/Blu-ray-Start: 16.10.2025

Chris Schinke ist freier Journalist und Autor. Regelmäßige Publikationen u. a. in der taz, Jungle World, Filmdienst und Blickpunkt:Film. Sein kulturjournalistischer Schwerpunkt ist das Kino sowie Fernsehserien. Besonderes Augenmerk widmet er in seiner Arbeit dem Genrefilm, der Science-Fiction und dem Horrorkino. Neben feuilletonistischen Texten publiziert er regelmäßig auch zu filmwirtschaftlichen Aspekten.

Alle Abb. © Warner Bros.