Wenn eine alt gewordene Auftragskillerin an Alzheimer erkrankt, kann das blutige Folgen haben. Pierre Lemaitre und Dominique Monféry machen aus dieser Prämisse einen schnörkellosen Oneshot-Thriller.
Paris, im September 1985. Mitten auf der Straße wird der Industrielle Philippe Biasini erschossen. Und mit ihm sein Hund. Die Mörderin ist Mathilde Perrin, eine auf den ersten Blick freundliche Seniorin, die jedoch offenbar schon lange als Auftragskillerin arbeitet und die ihre Jobs von Henri, einem ehemaligen „Kollegen“ in der Resistance, erhält, der zudem ihre Liebe seit Jahrzehnten nicht erwidert. Henri und seine Auftraggeber sind diesmal jedoch mit der Ausführung des Mordes nicht zufrieden: zu brutal, zu „unsauber“. Mathilde gelobt Besserung und entdeckt auf einem Zettel einen vermeintlich neuen Auftrag von Henri. Das Ziel: Constance Gallet, eine junge Mutter, die gerade auf Jobsuche ist. Blöd nur: Constance ist kein Ziel und kein Auftrag – sie soll vielmehr bei Madame Perrin als Haushälterin anfangen.
So beginnt eine blutige Mordserie, deren Ausführungen von Zeichner Dominique Monféry drastisch inszeniert werden. Außer Inspektor René Vassiliev, der anfangs krampfhaft versucht, die Morde miteinander in Verbindung zu bringen, spielen auffallend viele Senioren wichtige Rollen in der Story (von den Mordopfern abgesehen). Da ist Renés Chef, der die Taten unbedingt der Mafia anhängen will; Renés betagter Vater, der geistige Aussetzer hat und betreut werden muss; Henri, der alte Mitstreiter von Mathilde, der nun als eine Art „Führungs-Offizier“ für sie fungiert, und natürlich die Killerin selbst, die als einzigen Gefährten und Gesprächspartner ihren Hund Ludo hat, den sie auch zu ihren Mordausflügen mitnimmt.

Nach und nach wird die Story wilder, Mathilde gerät zunehmend außer Kontrolle, entpuppt sich als senile Psychopathin mit Realitätsverlust, wodurch die Geschichte sogar grotesk-schwarzhumorige Züge annimmt. Dabei scheut sich Autor Pierre Lemaitre ( „Wir sehen uns dort oben“, ebenfalls bei Splitter), der das Skript nach seinem eigenen Roman schrieb, auch nicht, vermeintliche Hauptakteure unvermittelt und blutig aus dem Spiel zu nehmen. Dazwischen erklären die elegant in die Story eingeschobenen Rückblenden die Vergangenheit und das Verhältnis zwischen Mathilde und Henri.
Zeichner Dominique Monféry, bei Splitter bzw. toonfish bereits vertreten mit „Evil Road“, „Tin Lizzie“ und „Ein unerwarteter Todesfall“, inszeniert Lemaitres Geschichte in einer klugen Bild- und Panel-Führung, aus der sich interessante Perspektiven und fließende Übergänge ergeben, was insgesamt sehr filmisch daherkommt, oft ohne störende Worte. So erscheint „Auf den Hund gekommen“ mit seiner dezenten Kolorierung (die ebenfalls von Monféry stammt) fast als passendes und fertiges Storyboard für eine Verfilmung, mit einem rabenschwarzen Finale, das nebenbei bemerkt ohne Hunde daherkommt.
Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de
Pierre Lemaitre (Szenarist), Dominique Monféry (Zeichner): Auf den Hund gekommen • Aus dem Französischen von Swantje Baumgart • Splitter Verlag, Bielefeld 2025 • Hardcover • 120 Seiten • 25,00 Euro
Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.

