„Die Wächter des Louvre“ – Der neue Taniguchi im Alben-Format

Dass Manga-Maestro Jiro Taniguchi (Vertraute Fremde, Der spazierende Mann) eine Vorliebe für aufmerksame Beobachter und deren kontemplative Spaziergänge hegt, an denen er seine Geschichten festmacht, wird bei der Durchsicht seines jüngeren Schaffens schnell deutlich. In „Die Wächter des Louvre“, das soeben auf Deutsch erschienen ist, kommt diese Vorliebe erneut voll zum Tragen und ferner ganz zur Entfaltung. Allerdings wird diesmal nicht durch Japan im Heute oder im feudalen Gestern geschlendert, sondern durch den Pariser Louvre sowie die Welt und die Vergangenheit der Kunst.

Taniguchis neuester Panel-Spaziergang beginnt mit einem grippekranken Manga-Künstler aus Japan, der nach einem Besuch auf dem internationalen Comic-Festival in Barcelona noch ein paar Tage in Paris verbringt und trotz seines Zustands den Louvre erkunden will. In seinem fiebrigen Unterbewusstsein führt ihn schließlich die (vollständige) Nike von Samothrake zwischen Traum und Wirklichkeit und ganz ohne das störende Touristen-Gedränge durch die heiligen Hallen der Kunst. Doch auch ein Plausch mit van Gogh im herrlichen Auvers-sur-Oise, ein Rundgang mit dem japanischen Maler Asai durch die Landschaftsgemälde von Corot und die Evakuierung der Louvre-Schätze im Zweiten Weltkrieg (inklusive eines Gastauftritts von Antoine de Saint-Exupéry) stehen auf dem Programm …

Taniguchi fühlt sich schon sehr lange zu den frankobelgischen Comic-Meistern hingezogen und wird hierzulande seit knapp zehn Jahren als der westlichste und vielleicht literarischste aller Mangaka bezeichnet und beworben – nicht umsonst werden seine Manga mit Nachdruck als Graphic Novels vermarktet und sogar in „druckfrisch“ gepriesen. Ein vollfarbiges, großformatiges Hardcover-Album, das jedoch die originale Manga-Leserichtung von rechts nach links beibehält, ist nun aber tatsächlich so etwas wie der ultimative Comic-Brückenschlag zwischen West und Ost – und gewissermaßen der europäische Comic-Ritterschlag für Taniguchi.

Der französische Original-Verlag Futuropolis und das Museum Louvre präsentieren in enger Zusammenarbeit übrigens seit Jahren Comics über den früheren Königspalast und die darin ausgestellten Kunstwerke und -Schätze. So entstanden u. a. grafische Erzählungen von Marc-Antoine Mathieu („Richtung“) und Enki Bilal („Die Farbe der Luft“). Anfang 2014 erschien sogar schon „Der schielende Hund“ von Étienne Davodeau auf Deutsch, der darin gewitzt der Frage nachging, was eigentlich große Kunst ist.

Jiro Taniguchis durchgehend farbige Seiten im Großformat, auf denen der Japaner wieder einmal in aller Ruhe und meditativer Nachdenklichkeit die Schönheit der Natur und ihrer von Menschenhand geschaffenen Denkmäler betrachtet, sind es mit Sicherheit.

Jiro Taniguchi: Die Wächter des Louvre. Carlsen, Hamburg 2015. 136 Seiten, 29,90 Euro