Damals in Afghanistan… – „Der Fotograf“

Im Sommer 1986 tobt in Afghanistan noch immer der Krieg zwischen dem kommunistischen Regime des Landes und den Invasionstruppen der Sowjetunion auf der einen Seite und dem Widerstand der Mudschaheddin auf der anderen, wobei auch der antikommunistische Westen Einfluss nimmt. Die ausländischen Hilfsorganisationen interessiert das wenig, sie wollen den Menschen helfen, die in Afghanistan unter den Kämpfen und Bombardements zu leiden haben.

Diese humanitäre Arbeit dokumentiert der französische Fotograf Didier Lefèvre (1957–2007), der ein internationales Ärzte-ohne-Grenzen-Team von Pakistan aus bis in die Berge Afghanistans begleitet und sieht, wie sie nach einer anstrengenden Reise mit wenigen Mitteln in einem behelfsmäßigen Hospital in einem Dorf viel bewegen. Dabei lernt er allerhand über das wahre Gesicht Afghanistans und seiner Bewohner. Dann jedoch wird Lefèvre das ständige Leben in der Gruppe zu viel und sein Filmvorrat außerdem knapp. Er beschließt, früher als geplant alleine den Rückweg anzutreten. Das ist, besonders wenn die einheimischen Führer schwächeln, nicht ungefährlich, gewährt dem damals 29-jährigen Franzosen allerdings einen noch intensiveren Blick auf das raue Afghanistan …

Lefèvre, der später noch Sri Lanka, das Horn von Afrika, Malawi, Kambodscha und den Kosovo mit seiner Kamera bereiste, brachte für aus Afghanistan seine erste Foto-Reportage 4.000 Negative mit nach Hause. Im Dezember 1986 wurden sechs seiner Fotos auf einer Doppelseite in einer französischen Tageszeitung abgedruckt; 2003 veröffentlichte er selbst ein Buch. Und obwohl er sein Notizbuch verloren hatte, machte er sich mithilfe des Comic-Künstlers Emmanuel Guibert (Die Tochter des Professors, Ariol, Alans Krieg) – Lefèvres Nachbarn aus Kindheitstagen – sowie Layouter und Kolorist Frédéric Lemercier schließlich daran, seine Erlebnisse zu einem spannenden Comic-Reisebericht zu formen. Ursprünglich erschien „Der Fotograf“ in drei erfolgreichen Alben – jetzt liegt eine Gesamtausgabe auf Deutsch vor.

Lefèvres eingebettete Schwarzweiß-Fotografien sind genauso wirksam wie die Panels und der Text in den Sprechblasen und Kästen, wenn es darum geht, weniger den Krieg und viel mehr die Menschen und das Land zu zeigen. Und obwohl der Comic-Anteil auf den rund 250 Seiten überwiegt, stehlen Lefèvres fantastische Fotos und Film-Bildstrecken den gezeichneten Bildern zwischendurch schon ein wenig die Show. Hier kann man sich einen Eindruck der Zusammenwirkung von Panels und Fotos machen.

Doch wieso die Elemente überhaupt in Konkurrenz stellen oder die Collage gedanklich aufdröseln? Als Einheit aus Comic und Fotografie funktioniert „Der Fotograf“ hervorragend und bildet überzeugend diese Seite eines Landes und Krieges ab, in dem viele der beunruhigenden Konflikte unserer heutigen Welt wurzeln.

Didier Lefèvre, Emmanuel Guibert, Frédéric Lemercier: Der Fotograf (Gesamtausgabe). Edition Moderne, Zürich 2015. 264 Seiten, 39,00 Euro