„Ich bin davon überzeugt, dass es kein schlechtes Genre gibt“ – Interview mit Wilfrid Lupano

Wilfrid Lupano

Szenarist Wilfrid Lupano

Wie bereits angekündigt, werden die französischen Comickünstler Wilfrid Lupano und Paul Cauuet, das Team hinter der Bestseller-Serie „Die alten Knacker“, auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse zu Gast sein. Grund genug Szenarist Wilfrid Lupano einmal auf den Zahn zu fühlen, was es mit dem Erfolg der Renter-Gang auf sich hat.

Sven Jachmann: „Die alten Knacker“ zählten in Frankreich in den vergangenen zwei Jahren zu den erfolgreichsten Comics des Jahres. In Deutschland war die Erstauflage in drei Wochen ausverkauft, auf dem Comicfestival in Angoulême gab es außerdem den Publikumspreis. Wie erklärst du dir diesen gewaltigen Erfolg?
Wilfrid Lupano: Das ist wirklich schwer zu sagen, und wir sind nicht unbedingt diejenigen, die das am besten einschätzen können. Von unseren Lesern haben wir gehört, dass die drei alten Männer ihnen das Gefühl geben, dass man keine Angst vor dem Älterwerden haben muss. Es ist eine Geschichte über Leute, die noch am Leben teilhaben und nicht nur eine Bürde für die Gesellschaft darstellen, weil sie hilfsbedürftig und senil sind. Das kommt nicht oft in Erzählungen vor. Es geht auch um Familie, Familie und Veränderungen und das ist heutzutage ein wichtiges Thema.

In den Knackern steckt viel vom 68er-Revolutionsgeist und von den Arbeiterkämpfen, die ihm vorausgingen. Wie französisch ist diese Serie?
Das typisch Französische ist eher die »Süd/West«-Mentalität, glaube ich: gutes Essen, eine blühende Landschaft, Rugby, das Boulespiel… Aber was politische Meinungen angeht, ist die Serie ziemlich europäisch angehaucht. Sie könnte sich genauso gut in Deutschland oder England abspielen. Man denke nur an die momentane Situation in Griechenland oder Spanien.

Welche Figur liegt dir am meisten am Herzen?
Das kann ich unmöglich beantworten. Ich bin jeder einzelne von ihnen.

Paul Cauuet

Comiczeichner Paul Cauuet

Wie sieht eure Arbeitsteilung untereinander aus? Wie stark beeinflusst der eine den anderen?
Ich schreibe zuhause alles nieder, nachdem Paul und ich durchgesprochen haben, was wir mit der Geschichte ausdrücken möchten und welche Themen diskutiert werden sollen. Wenn ich das Skript fertig habe, liest Paul es durch, entwirft ein Storyboard, also eine skizzenhafte Vorlage des Seitenaufbaus, und das ist tatsächlich das Wichtigste an der Sache, denn hierbei arbeiten wir zusammen: Wir schrauben so lange am Skript herum, bis es immer besser wird. Wenn wir zufrieden damit sind, kümmert sich Paul um die Umsetzung und Kolorierung der Seiten.

Man schätzt Deine Arbeit als Genre-Kunst mit dem gewissen Etwas; da wäre die Italo-Western-Hommage „Der Mann, der keine Feuerwaffen mochte“ oder eigenwillige Fantasy- und Abenteuer-Erzählungen wie „Azimut“ und „Alim der Gerber“ – von Berührungsängsten keine Spur. Gibt es Stoffe, vor denen Du zurückschreckst und gibt es Unterschiede bei der Arbeit an einer sehr realistisch angelegten Story wie die der „Knacker“?
Das Genre ist für mich kein Problem. Alles beginnt mit einer Idee, mit etwas, worüber ich schreiben will. Erst dann überlege ich mir, welches Genre am besten zu meiner Geschichte passen könnte. Ich bin überzeugt davon, dass es kein »schlechtes« Genre an sich gibt, ebenso wenig ein schlechtes Thema. Entscheidend ist, was man daraus macht. Eine realistische Erzählung ist insofern besonders, als dass man die Welt nicht erst erklären und beschreiben muss wie beispielsweise bei einem historischen Setting oder Science Fiction. Also kann man sich mehr auf die Figuren konzentrieren. Aber der Unterschied ist eigentlich gar nicht so groß. Manchmal engt mich eine fantastische Welt wie „Azimut“ mehr ein als ein zeitgenössisches Setting wie in „Die alten Knacker“.

In der deutschen Kritik wird immer wieder die Leichtigkeit der Erzählung hervorgehoben, gerne zieht man Vergleiche zu jüngeren französischen Filmerfolgen wie „Ziemlich beste Freunde“. Siehst Du ähnliche Parallelen? Und kannst Du Dir „Die alten Knacker“ auf der großen Leinwand vorstellen?
Da gibt es mit Sicherheit die eine oder andere Parallele, denn in beiden Fällen steckt der starke Wille dahinter, hervorragende Qualität abzuliefern. Paul und ich möchten jeden mit unseren Büchern erreichen, das größtmögliche Publikum. Aber es ist knifflig, die richtige Balance zwischen Mainstream und künstlerischem Schaffen zu finden. Manchmal gelingt es einem, es ist wie ein Wunder.
»Die alten Knacker« auf der großen Leinwand? Das könnte auf jeden Fall passieren.

Zunächst wurden drei Bände angekündigt, schließlich wurde die Serie um einen vierten Band erweitert. Wie hoch sind die Chancen auf eine weitere Fortsetzung?
Diese Ankündigung, dass drei Bücher geplant sind, ist wirklich witzig, denn viele haben darüber berichtet, aber Paul und ich haben nie etwas in der Art verlauten lassen. Wir sagten immer, mindestens drei Bände sind geplant, am Anfang wussten wir noch nicht genau, wie viele es werden sollten. Wahrscheinlich werden es sechs.

Seite aus „Die alten Knacker Bd. 3: Der, der geht"

Seite aus „Die alten Knacker Bd. 3: Der, der geht“