Nach seiner historischen Japan-Serie „Samurai“, die gerade bei Splitter neu aufgelegt und fortgeführt wird und deren Spin-Off „Samurai Legenden“ (ebenfalls neu), widmet sich Autor Jean-François Di Giorgio noch einer weiteren fernöstlichen Historien-Reihe. Im Gegensatz zu den vorher genannten spielt „Senseï“ im alten China, wenngleich man (als Laie?) den Unterschied beim Lesen und Betrachten kaum bemerkt, zumal die Hauptakteurin Yukio obendrein noch aus Japan stammt. Yukio ist ein weiblicher Samurai von der „Schule der einsamen Wölfe“. Was genau sie als Ronin, als herrenlose Samurai, nach China führt, erfahren wir noch nicht. Auf jeden Fall ist sie zur rechten Zeit am rechten Ort, denn just als ein Liebespaar Zeuge eines feigen Mordes an einem Ermittler wird und ebenfalls von der Mörderbande zur Strecke gebracht werden soll, ist sie zur Stelle und schlägt die Unholde tot, bzw. in die Flucht.
Das kann Zhang, der Anführer der Bande, nicht auf sich beruhen lassen und macht fortan im großen Stil Jagd auf Kang Jie, dessen Geliebte Nuo und Yukio, die es sich zur Aufgabe macht, die beiden zu beschützen und in sichere Gefilde zu begleiten. Was sie nicht wissen: Zhang handelt auf Befehl des Ministers, der etwaige Untersuchungen gegen seinen Sohn Ren, der ein potentieller Frauenmörder und das schwarze Schaf der Familie ist, hintertreiben soll. Zur Not ebenfalls durch Mord – siehe oben. Jetzt sind Kang Jie, Nuo und Yukio gefährliche und lästige Zeugen und das Netz um sie zieht sich immer enger, denn Zhang lässt mit Kanonen auf Spatzen schießen und bietet gleich eine ganze Truppe auf, um das Trio zu finden und auszuschalten. Und die drei begeben sich ohne es zu wissen schnurstracks in die Höhle des Löwen…
In „Senseï“ verzichtet Di Giorgio auf Fantasy-Elemente, wie wir sie in „Samurai“ finden. Die Geschichte des Albums ist gradliniger und auch abgeschlossen. Er scheint als reise Yukio durch China und erlebe dort ihre episodischen Abenteuer. Warum sie sich in China aufhält, ihre Hinter- und Beweggründe kennen wir noch nicht, lediglich ein kurzer Rückblick deutet an, dass sie eine Vertriebene ist. In China brilliert sie mit ihren Samurai-Schwertkünsten und misst sich problemlos mit den stärksten Gegnern – Kämpfe, die actionreich und gekonnt inszeniert sind. Die Auflösung der Geschichte, bzw. deren Ende birgt dann die eine oder andere Überraschung und verläuft doch anders als vermutet, da sich eine unerwartete Familienbande offenbart. Am Ende segelt die einsame Heldin in den Sonnenuntergang und dem Leser wird gewahr, dass sich die Geschichte ebenso vor dem Hintergrund des Wilden Westens, in der Ritterzeit oder in fast beliebiger historischer Epoche beinahe problemlos ansiedeln lassen würde.
Inszeniert wird die neue Reihe von Vax (d.i. Vincent Cara), den wir als Zeichner des SciFi-Action-Spektakels „Yiu“ kennen und schätzen gelernt haben. Hier lässt er es Themen bezogen etwas ruhiger angehen, wenngleich seine Action-Sequenzen, wie bereits erwähnt, tadellos sind. Sein Strich ist rund und elegant, seine Frauenfiguren sind schön anzusehen. Dabei sind seine Bilder nicht überfrachtet, ohne jedoch an Details zu sparen. Es bleibt immer wieder Platz für Landschaften – seien es Berge, Seen oder Bambuswälder (was dann doch noch eine Gemeinsamkeit mit „Samurai“ darstellt). Und gegen Ende, beim Finale im Palast, werden die Seiten durch den massiven Einsatz von Rot richtiggehend farbenfroh (die Kolorierung stammt nicht von Vax, sondern von Bertrand Denoulet). Übrigens: Der Begriff „Senseï“ ist eine edle japanische Anrede, beispielsweise für verdiente Lehrer.
Jean-François Di Giorgio, Vax: Senseï, Band 1: Die Schule der einsamen Wölfe. Splitter Verlag, Bielefeld 2017. 48 Seiten, 14,80 Euro