„Captain Marvel“ setzt den Schlussstein

Alle Abbildungen: © The Walt Disney Company Germany GmbH

„Captain Marvel“ ist der erste Film des Marvel Cinematic Universe (MCU), der nach dem Tod von Stan Lee in die Filmtheater kommt. Außerdem ist er der erste Marvel-Film mit einer Heldin als Titelgeberin.

Vor allem aus diesem Grund zog „Captain Marvel“ nach dem Erfolg von DCs „Wonder Woman“ schon im Vorfeld besondere Aufmerksamkeit auf sich. Doch wer jetzt ganz besonders aufgesetzte feministische Statements erwartete, wird wohl enttäuscht. Denn „Captain Marvel“ entpuppt sich als im Grunde ganz normaler Superhelden-Film, dem trotzdem besondere Bedeutung zukommt, nachdem er erste Anlaufschwierigkeiten überwunden hat.

Denn in der Vergangenheit hatten MCU-Filme oftmals das Problem, dass das letzte Drittel in mehr oder weniger austauschbaren Kampforgien absoff, bei denen man selbst im Kino gerne die Vorspultaste betätigt hätte, um endlich zum Finale zu kommen. Bei „Capain Marvel“ wurde jetzt interessanterweise der langweiligste Teil gleich an den Anfang verlegt, wo man fast befürchten muss, in einem eher zweitklassigen Sience-Fiction-Streifen gelandet zu sein.

Immerhin bekommen wir hier das grundsätzliche Setting vermittelt, dass sich nämlich in den Weiten des Weltalls die beiden Völker der Kree und Skrull in einem epischen Krieg befinden, in dem die Kree-Kriegerin Vers (Brie Larson) angeleitet von ihrem Mentor Yon-Rogg (Jude Law) in ihren ersten Kampfeinsatz geschickt wird. Dieser entpuppt sich als Hinterhalt, der zur Gefangennahme von Vers durch die Skrull führt.

Zurück in das Amerika der Neunziger

Doch Vers gelingt die Flucht, die sie auf die Erde in das Amerika der 1990er Jahre verschlägt. Wobei man genauer ausführen sollte, dass sie einem Geschoss gleich in eine Blockbuster-Videothek einschlägt. Das erregt verständlicherweise die Aufmerksamkeit der dortigen Behörden, zu denen die S.H.I.E.L.D.-Agenten Nick Fury (Samuel L. Jackson) und Phil Coulson (Clark Gregg) gehören.

Nur noch ungläubig staunen lässt einen in diesem Zusammenhang die Leistung, die die Tricktechniker bei der Verjüngung von Samuel L. Jackson vollbracht haben. Der Mann ist immerhin 70 Jahre alt und legt in „Captain Marvel“ einen Auftritt hin, als hätte er gerade mit Kurzhaarfrisur das Set von „Pulp Fiction“ verlassen. Allerdings ist der Buddy mit schulterlangen Haaren an seiner Seite diesmal nicht John Travolta, sondern Brie Larson. Und das Dialogfeuerwerk, das sich zwischen Vers und Fury in der Folge entspinnt, kann es mit den seinerzeitigen Wortgefechten zwischen Vince und Jules durchaus aufnehmen und gehört zu den großen Highlights.

Damit hat der Film seinen eher komödiantischen Ton gefunden, der es zu einem unterhaltsamen Unterfangen macht, Vers dabei zu begleiten, wie ihr langsam dämmert, dass die Erde ihre eigentliche Heimat ist. Auch dass die Kree und Skrull wieder auftauchen und sie keineswegs in Ruhe lassen, ist wenig verwunderlich. Doch gerade an diesem Punkt können sich selbst altgediente Leser von Marvel-Comics auf die eine oder andere veritable Volte gefasst machen, bis aus Vers schließlich Carol Danvers und Captain Marvel werden (mehr zu den schillernden Hintergründen der Figur „Captain Marvel“ gibt es im Beitrag „Eine Geschichte zweier Captains“).

Viele Köche verderben es doch nicht

Überhaupt ist man verblüfft, wie das Regie-Duo Ryan Fleck und Anna Boden im Zusammenspiel mit nicht weniger als fünf weiteren Drehbuchautoren und unter der Oberaufsicht von Produzent sowie MCU-Mastermind Kevin Feige doch noch einen ziemlich runden Film zustande gebracht hat, in dem wieder eine Vielzahl von Dingen aus den Marvel-Comics so für das Filmuniversum adaptiert wurden, dass sie trotz der einen oder anderen Veränderung nie Verrat an ihrer Herkunft begehen.

Ein gelungenes Beispiel hierfür ist der Auftritt von Carol Danvers Katze, die viele bereits für den heimlichen Star des Films halten und für die es sich auch diesmal wieder lohnt, den ganzen Abspann über im Kino zu verharren. Denn dann erfährt man nicht nur, dass in „Captain Marvel“ tatsächlich auch Filmfördergeld aus Baden-Württemberg steckt, sondern eine Mid-Credit- wie auch eine Post-Credit-Szene verdeutlichen, welche Rolle der Film im Marvel Cinematic Universe einnimmt.

Plötzlich wird einem klar, warum dieser Film – den Prolog um Captain America und Agent Carter einmal außer Acht gelassen – als Ouvertüre ganz an den Anfang der Chronologie gesetzt werden musste. Wie ein Schlussstein vollendet „Captain Marvel“ die jetzt selbsttragende Konstruktion des Marvel Cinematic Universe, auf die dann das große Finale von „Phase Drei“ mit „Avengers: Endgame“ in eineinhalb Monaten aufsetzen kann – mit der Heldin Captain Marvel ganz im Mittelpunkt!

Captain Marvel
USA • 2019 • 124 min• FSK: 12 Jahre
Regie: Ryan Fleck & Anna Boden • Drehbuch: Meg LeFauve, Nicole Perlman, Geneva Robertson-Dworet, Liz Flahive, Carly Mensch, Anna Boden, Ryan Fleck • Produktion: Kevin Feige • Musik: Pınar Toprak • Kamera: Ben Davis • Schnitt: Elliot Graham, Debbie Berman
Darsteller: Brie Larson (Vers/Carol Danvers/Captain Marvel), Samuel L. Jackson (Nick Fury), Jude Law (Yon-Rogg), Ben Mendelsohn (Talos/Keller), Clark Gregg (Phil Coulson), Lee Pace (Ronan, der Ankläger), Lashana Lynch (Maria Rambeau), Annette Bening (Supreme Intelligence/Dr. Wendy Lawson)