Beschwerlich ist der Weg, den Lis und Lun einschlagen: Mitten durch die schwarzen Sümpfe müssen sie marschieren, um das sagenumwobene Gegenmittel gegen die Seuche zu finden, die immer weitere Teile der Welt in Ödland verwandelt. Allerlei Halluzinationen durchleben die beiden dabei, sodass wir ganz nebenbei erfahren, dass Lis wohl auch indirekt für die Ausrottung von Luns Stamm verantwortlich ist. Irgendwie rauft man sich aber doch zusammen und erreicht dank der teilweise abenteuerlichen Führung der auf dem Wege aufgegabelten Haan mitten durch das Ringgebirge tatsächlich die fließende Stadt und das Reich der Bibliothekare. Dort will man anfangs nichts von den drängenden Nachfragen des bunten Trupps wissen, aber eine nur als X bezeichnete Dame geht tatsächlich auf die Suche nach dem verborgenen Wissen.
In der Unterwelt, so findet man gemeinsam heraus, muss es eine ganze Armada von kleinen Phagen geben, die ein Gegengift zur gewaltigen Seuche enthalten sollen. Auch hinter die Gründe des beklagenswerten Zustandes des Planeten kommt Lis: Einst gab es blühende Landschaften, aber Wissenschaftler experimentierten mit Saatgut, um die Ernte noch reichhaltiger zu machen – was ganz gehörig in die Hose ging. Seitdem paktieren Harpyien, Söldner und Bibliothekare um die bestmögliche Nutzung der verbliebenen bewohnbaren Gebiete. Bewaffnet mit dem Gegenmittel, riskiert Lis alles und beruft eine Versammlung der herrschenden Kasten ein…Frauke Bergers Öko-Fantasy geht in die zweite und letzte Runde – und beantwortet dabei alle Fragen, die Band 1 aufwarf. Dass man sich die verheerenden Zustände der Heimat selbst zuzuschreiben hat, das stand zu vermuten, und dass Frau Berger hier einen Diskussionsbeitrag zur brandheißen Debatte um genmanipulierte Pflanzen liefert, passt ebenfalls in den Duktus dieses Epos. Die Wanderung quer durch die teilweise bizarre, teilweise gefährliche Welt, inklusive Bannwäldern, finsteren Gebirge und geheimnisvollen Türen in gewaltigen Felsmassiven, haucht wieder den Atem des Herrn der Ringe, gewürzt mit einer gehörigen Prise „Dune“ – und dieses Mal kommen auch die psychedelischen Elemente nicht zu kurz.
Mit einem versöhnlich-elegischen Ausblick, der ganze Jahrzehnte überspannt, entlässt uns „Grün“ dabei halbwegs beruhigt, wobei erneut eigentlich die optische Gestaltung der Star des Geschehens ist. Ausladend, leicht stilisiert, teilweise abstrahiert, so erinnert die Ausführung im besten Sinne an die SF-Werke eines Moebius – und das ist für das Debüt einer deutschen Künstlerin ja nun mal wahrlich keine schlechte Referenz.
Dieser Text erschien zuerst auf Comicleser.de.
Holger Bachmann ist Autor diverser Bücher und Aufsätze zur Film- und Literaturgeschichte. Neben dem Comicleser.de schreibt er auf kühleszeug.de über Konzerte und geistvolle Getränke.