Die Affenbande brüllt ein letztes Mal

Die Zeitreise in die 1960er und 70er Jahre, als die Blockbuster-Kino-Serie um den „Planet der Affen“ die Zuschauer faszinierte, endet jetzt mit dem vierten Archiv-Band der Comics, die Marvel zwischen 1974 und 1977 veröffentlichte.

Der Band enthält drei Storys, die in Umfang und Qualität nicht unterschiedlicher sein könnten: „Die Schlacht um den Planet der Affen“ (S. 11-162), „Chroniken der Zukunft“ (S. 171-284) und „Der Albtraum der Evolution“ (S. 293-318). Zwischen den voneinander unabhängigen Geschichten finden sich kurze Texte des Planet-der-Affen-Experten Rich Hanley von der amerikanischen Quinnipiac University.

Doug Moench (Autor), Tom Sutton u. a. (Zeichner): „Planet der Affen Archiv Band 4“.
Cross Cult, Ludwigsburg 2020. 336 Seiten. 50 Euro

Schlacht um den Planet der Affen

Die „Schlacht um den Planet der Affen“ basiert auf dem Drehbuch des letzten Teils der Film-Pentalogie (1973), der bis heute als mit Abstand schlechtester Teil der Affen-Filme gilt. Im Jahr 2670 hat sich eine Affengesellschaft entwickelt, die von inneren Konflikten zwischen Orang-Utans und Schimpansen einerseits und den gewaltliebenden Gorillas andererseits zerrissen ist. Es spaltet sie ihr Verständnis von gesellschaftlichem Miteinander mit den Menschen, die von Schimpansen-Anführer Caesar als gleichberechtigte Mitglieder des Sozialgefüges, von Gorilla-Rudelführer Aldo aber als Sklaven betrachtet werden.

Das simple Tableau wird durch völlig verstrahlte Menschen bereichert, die in einem radioaktiv belasteten Großstadtgebiet leben und dort eine Atombombe anbeten. Nach einem Aufeinandertreffen mit den Affen, die in der Stadt nach Aufzeichnungen suchen, von denen sie sich Aufschluss über die Zukunft des Planeten versprechen, greifen die völlig deformierten Menschen die Affenstadt an – und verlieren. Die eigentliche Schlacht aber, wenngleich die weniger pompöse, ist der Kampf Affe-gegen-Affe zwischen Caesar und Aldo, in dem die Weichen für die Zukunft des Planeten gelegt werden sollen.

Der Plot folgt nicht immer dem tatsächlich realisierten Film, bleibt aber in seiner trashverliebten Schlichtheit dicht am hanebüchenen Original. Die Zeichner wechseln von Kapitel zu Kapitel, aber das macht keinen allzu großen Unterschied, weil auch die erzählerische Logik auf der Strecke bleibt.

Chroniken der Zukunft

Die zweite Geschichtensammlung, „Chroniken der Zukunft“, entbehrt einer filmischen Vorlage und geht ganz und gar auf die Fantasie von Doug Moench zurück. Die zukünftigen Weltmeere werden von kolossalen Schiffen befahren, die wie gigantische Städte aufgebaut sind und an deren Rudern Menschen darben. Moench hält sich nicht lange mit Begründungen auf, warum die von Natur aus wasserscheuen Affen sich zu einem maritimen Nomadenvolk entwickelt haben, unterhaltsam ist es allemal: Während die erste Geschichte eine Pointe hat, die fast an die erfolgreichen Filme anknüpfen kann, erweist sich die zweite Geschichte als Adaption von Jules Vernes „20.000 Meilen unter dem Meer“. Die Zeichnungen von Tom Sutton beschränken sich auf das Nötigste, die meist bloß skizzierten Hintergründe sind kein optischer Höhepunkt der Serie, die abrupt endet. Mit #29 setzte Marvel das Affen-Experiment nicht mehr fort, und Doug Moench konnte diesen Geschichtenstrang nicht zu Ende erzählen – seine Skripts der niemals realisierten Fortsetzungen immerhin sind hier verfügbar.

Der Albtraum der Evolution

Die letzte Geschichte, „Der Albtraum der Evolution“, ist in #5 der Marvel-Serie erschienen und stellt eine kurze, abgeschlossene Story dar. Nach einem Kampf der Affen gegen die Menschen zwingt das Schicksal zwei schwerverwundete, aber verfeindete Krieger zueinander. Die beiden Überlebenden können ihre Arme (Gorilla) bzw. Beine (Mensch) nicht mehr bewegen, sodass sie sich dazu entschließen, zusammenzuarbeiten, um der Wüste zu entkommen.

Seite aus „Planet der Affen Archiv Band 4“ (Cross Cult)

Rich Hanley zählt in seinem Vorwort zahlreiche Umsetzungen dieser Idee auf, neben diversen Weltkriegs-Filmen auch den Science-Fiction-Klassiker „Enemy Mine“ (1985) – „Der Albtraum der Evolution“ aber endet nicht sehr aussichtsreich, sondern mit Gewalt: „Ein Kreislauf. Er wiederholt sich. Ein Kreislauf … Er stinkt.“

Äffisches Dilemma

Begann das Affendrama 1968 mit einem herrlichen Zeitreise-Blockbuster, der den Roman von Pierre Boulle, „La Planète des singes“ (1963), erst richtig berühmt machte, endete es kläglich. Profitierte der erste Teil der fünf Filme (die ab 2001 veröffentlichten Filme seien einmal ausgenommen) noch von der durchdachten Romanvorlage, verloren sich die Fortsetzungen in ihren Bemühungen, die Geschichte als actionreiche (und leicht zu durchschauende) Allegorie auf Rassismus darzustellen.

Von Anfang an scheitert dieser Versuch daran, dass die Filme genau das reproduzieren, was sie anprangern: rassistische Stereotype. Zwar sollen die Menschen der Affengesellschaft gleichgestellt werden, aber die zur Gewalt neigenden Gorillas geben allen Rassentheoretikern recht. Aldos Aggressivität geht eben nicht auf seine Sozialisierung zurück, sondern auf seine Gene. Der Gorilla ist böse, der Gorilla ist schlecht. Der Schimpanse ist klug, der Schimpanse ist gut. Ganz und gar unfreiwillig erzählen die Filme (wie auch die Comics) eine von Grund auf rassistische Geschichte im Gewand der Rassismuskritik. In der „Schlacht um den Planet der Affen“ wird diese Aporie auf die Spitze getrieben, und daher scheitert diese Geschichte auch am krachendsten. Die anderen Storys dieses Bandes schaffen es, andere Akzente zu setzen, und das tut ihnen gut.

Die Archiv-Serie ist 2017 und 2018 in den USA bei BOOM Entertainment erschienen und nun, zwischen 2018 und 2020, bei Cross Cult. Damit sind die 29 Hefte erstmals komplett auf Deutsch verfügbar – unter Ausschluss allerdings der Interviews und mancher Berichte über die Dreharbeiten, die in den Heften eben auch enthalten waren.

Die kurzen Einführungen von Rich Hanley sind lesenswert, wenngleich die Texte, das gilt für den gesamten Band, derart nachlässig korrigiert sind, dass es ärgerlich ist. Auch in den Comics, deren Texte längst nicht fehlerfrei sind, machen viele Formulierungen in der vorliegenden Übersetzung stutzig, sodass erst ein Blick in die alte Übersetzung der 1970er aus dem Williams Verlag oder in die Marvel-Originale Aufschluss darüber gibt, was Doug Moench uns sagen will. Genug gebrüllt, nun muss die Affenbande schweigen.

Gerrit Lungershausen, geboren 1979 als Gerrit Lembke, hat in Kiel Literatur- und Medienwissenschaften studiert und wurde 2016 promoviert. Er hat Bücher über Walter Moers, Actionkino und den Deutschen Buchpreis herausgegeben. 2014 hat er zusammen mit anderen das e-Journal Closure gegründet und ist bis heute Mitherausgeber. Derzeit lebt er in Mainz und schreibt für Comicgate und die Comixene. An der TU Hamburg-Harburg unterrichtet er Comic-Forschung.

Seite aus „Planet der Affen Archiv Band 4“ (Cross Cult)