Der Letzte macht das Licht aus – „Batman: Der letzte Ritter auf Erden“

Scott Snyder und Greg Capullo treten ein schweres Erbe an – ihr eigenes. Mit ihrer langjährigen Zusammenarbeit am Batman-Kosmos haben sie eine ganze Reihe von Klassikern geschaffen, die das Bild Batmans und einiger seiner Kontrahenten geprägt haben: Hierzu zählen „Night of the Owls“, „Court of the Owls“ ebenso wie „Death of the Family“ oder „Endgame“. Mit „The Last Knight on Earth“ möchten sie ihre Zusammenarbeit nun beenden. Panini hat die 2019 bei DC (Black Label) in drei Bänden erschienene Miniserie nun ins Deutsche übertragen: „Der letzte Ritter auf Erden“.

„Wir haben viel zusammen erlebt. Batman und ich. Ich war immer an seiner Seite, sein Leben lang.“ Der Erzähler ist ein Vertrauter des Dunklen Ritters, aber es braucht ein paar Seiten, bis wir merken, dass nicht etwa Robin oder Alfred uns das Geschehene präsentieren. „Ich hatte diesen Fall falsch eingeschätzt“ – genau, wir auch: Es ist der Joker, aus dessen Perspektive wir die Geschichte lesen.

Greg Capullo (Autor), Scott Snyder (Zeichner): „Batman: Der letzte Ritter auf Erden“.
Panini, Stuttgart 2020. 188 Seiten. 20 Euro

Batman findet in der Crime Alley eine Kinderleiche, schon irritiert ein harter Schnitt die Leser*innen: Bruce Wayne erwacht in einem Sanatorium, umgeben von medizinischem Personal, das sich als ein Best of von Batmans Bösewichten identifizieren lässt. Seit zwanzig Jahren sei Wayne in Arkham Asylum, und seine Batman-Fantasien seien ein Teil seiner Wahnvorstellungen.

Schnitt. Batmans Hand durchstößt orangeroten Wüstensand, irgendwo in der Ferne schlägt eine Lampe gegen die Halterung, aber anstelle einer Glühbirne oder Kerze findet er den Kopf des Jokers darin, der es kaum abwarten kann, Knock-Knock-Witze zu erzählen.

Schnitt. Durch Green-Lantern-Ringe erzeugte Projektionen aggressiver Riesenbabys verfolgen Batman und seinen schurkischen Begleiter, bis plötzlich die Tür eines unsichtbaren Panzers sich öffnet, Batman einsammelt und in eine unterirdische Höhle, Gemworld, zu Wonder Woman (mit Irokesenschnitt) bringt. Was passiert ist? „Es ist ganz einfach.“ Glatt gelogen.

Eine höllische Maschine ist es, die Snyder und Capullo da in Gang gesetzt haben, ein wilder Ritt durch den eigenen Batman-Kosmos, so kommt Scott Snyders (und Sean Murphys) Klon-Maschine aus „Detective Comics“ #27 (2014) wieder zum Einsatz: Jede Zeit bekommt den Batman-Klon, den sie verdient. Antike Unterweltsvorstellungen etwa vom Hades oder Styx sind stets präsent, und in diesem popkulturellen Mashup mit Batman und Wonder Woman auch ganz witzig. Ob man Dantes „Göttliche Komödie“ als Referenz bemühen muss (Batman und Joker als Dante und Vergil), sei dahingestellt.

Was die Lektüre erschwert, sind die harten Szenenwechsel. Dass der Erzähler kein unproblematischer Charakter ist und oft unklar bleibt, was nun Rückblende, Traum oder Fantasie ist, fordert einige Konzentration – und selbst diese ist nur notwendige Voraussetzung, hinreichend ist dies noch nicht. Der letzte Ritter auf Erden durchschreitet das DC-Universum in einem wahnsinnigen Tempo, wenn auch oft nur in Andeutungen. Ein wenig erinnert „Der letzte Ritter auf Erden“ darin an Neal Adams gescheiterte, weil völlig überladene „Odyssee“ (2010-12).

Die visuellen Einfälle Capullos machen auch abseits der Erzählung große Freude, so etwa der beständig kalauernde Joker-in-der-Flasche, den Batman so sorgsam mit sich herumträgt. Oder die Interpretation des Batman-Outfits als falschverstandene Zwangsjacke. Keine Frage: Dieses „diabolische Duo“ auf seinem Weg durch groteske Szenen zu verfolgen, ist unterhaltsam, wenn auch der Reiz vor allem in den einzelnen Szenen besteht. Das Kunststück, zugleich durchschnittlichen Batman-Leser*innen und versierten Scott-Snyder-Expert*innen eine unterhaltsame Lektüre zu bieten, ist Snyder und Capullo dabei nicht ganz gelungen, dafür haben die Anspielungen zu viel Gewicht und fungieren als abweisend dreinschauende Türsteher. Auf der Abschiedsparty von Snyder und Capullo sei es ihnen vergönnt. Der Letzte macht das Licht aus.

Gerrit Lungershausen, geboren 1979 als Gerrit Lembke, hat in Kiel Literatur- und Medienwissenschaften studiert und wurde 2016 promoviert. Er hat Bücher über Walter Moers, Actionkino und den Deutschen Buchpreis herausgegeben. 2014 hat er zusammen mit anderen das e-Journal Closure gegründet und ist bis heute Mitherausgeber. Derzeit lebt er in Mainz und schreibt für Comicgate und die Comixene. An der TU Hamburg-Harburg unterrichtet er Comic-Forschung.

Seiten aus „Der letzte Ritter auf Erden“ (Panini)