Bärenfallen haben etwas Rabiates. Vor allem, wenn man als kleines Mädchen darin feststeckt. Dabei wollte Hit-Girl doch einfach ein paar Lumpensöhnen den Garaus machen, die schlechten Stoff nach New York geschmuggelt haben. Nach dem Tod von Big Daddy verdingt sich das vorlaute und schlagkräftige Fräulein namens Mindy McCready nämlich gerne auf Verbrecherhatz – eben noch gegen Drogenkartelle in Kolumbien, reist Hit-Girl nach Kanada, um Billy Baker zu schnappen, den Dealer, der sich in seiner Hütte in Kashechawan verschanzt hat.

Jeff Lemire (Autor), Eduardo Risso (Zeichner): „Hit-Girl in Kanada“.
Panini, Stuttgart 2019. 100 Seiten. 14,99 Euro
Mit der Reihe um die gewalttätige Mindy erleben wir ein weiteres Spin-off der wunderbaren Superhelden-Hommage/Parodie „Kick-Ass“, in der Hit-Girl als überdreht-soziopathischer Robin für den ebenso quartalsirren Batman-Schatten Big Daddy lieferte. In der Serie darf sich in jeder Episode ein neues Kreativteam verewigen – nach Band 1 („Hit-Girl in Kolumbien“), in dem sich noch Erfinder Mark Millar selbst die Ehre gab, übernehmen nun Jeff Lemire („Descender“) und Eduardo Risso (u. a. „100 Bullets“) das Ruder. Lemire, nicht zuletzt dank der aufsehenerregenden Heldendekonstruktion „Black Hammer“ sattsam als Genre-Jongleur bekannt, bietet hier straighte Action, die ohne viel Tricks und doppelten Boden daherkommt.
Nach einem kurzen Intro in New York verlagert er die Handlung flugs in den ewigen Schnee Kanadas, wo sich Hit-Girl rigoros durch die Reihen der Lumpensöhne mäht, wobei Lemire nicht vor durchaus drastischen Szenen zurückschreckt, die Risso knallig umsetzt. Ein wenig Tiefgang bekommt die Chose durch Mindys Sehnsucht nach ihrem verlorenen Vater, der sich in der Trauer des Einsiedlers, den sie liebevoll „Grizzly Adams“ (deutschen TV-Sehern der frühen 80er besser bekannt als „Der Mann aus den Bergen“) nennt, um dessen verstorbene Tochter spiegelt. In erster Linie aber erleben wir hier ein krachiges Action-Spektakel, das mit Blut und Schmerz nicht geizt, gleichzeitig aber auch genug dialoglastigen Witz hat, um die Gravitas nicht allzu sehr zu betonen. Band 3, „Hit-Girl in Rom“, erscheint Ende April. Ob sie da den Papst verprügelt, werden wir sehen.
Dieser Text erschien zuerst auf Comicleser.de.
Holger Bachmann ist Autor diverser Bücher und Aufsätze zur Film- und Literaturgeschichte. Neben dem Comicleser.de schreibt er auf kühleszeug.de über Konzerte und geistvolle Getränke.

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