Raymond Briggs (1934-2022)

Bild aus "Wenn der Wind weht" (© Turbine Medien)

Raymond Briggs, geboren 1934 in London, ist einer der populärsten britischen Illustratoren und Autoren. Wie nun sein Verlag Penguin Random House mitteilt, ist Briggs am Dienstagabend mit 88 Jahren gestorben. Seine Bücher „Oje, du Fröhliche“ und „Der Schneemann“ sind Klassiker des Kinderbuchs, und auch seine Comics, u. a. „Ethel & Ernest“ und „Wenn der Wind weht“, wurden vielfach ausgezeichnet und verfilmt. Letzterer erschien zuletzt auf Deutsch in den 80ern, eine traurige editorische Schieflage, wenn man mal allein die weltpolitische bedenkt. Zumindest eine wunderschöne Blu-ray-Edition der Verfilmung ist bei bei Turbine Medien erhältlich.

In „Ethel & Ernest“ erzählt Briggs die Geschichte seiner Eltern als sozialhistorisches Kaleidoskop, ein bewegend unaufgeregter Blick auf das Leben der Arbeiterklasse. 2015 erschien eine deutsche Übersetzung bei Reprodukt. Aus diesem Anlass erschien auch das folgende Presse-Interview, mit dem wir an den großen britischen Humanisten der Illustrationskunst erinnern möchten.

Sie sind einer der berühmtesten Absolventen der Wimbledon Art School. Wann haben Sie sich entschieden, Kunst zu studieren, und betrachten Sie dies als hilfreich für die Arbeit eines Zeichners?

Als ich 15 Jahre alt war, wollte ich zur Kunstakademie, um Comiczeichner zu werden, aber weil das damals nicht ging, war ich dazu gezwungen, Malerei zu studieren. Ich musste mich regelrecht überwinden, in diese Seminare zu gehen, aber am Ende war ich doch heilfroh, so mein Handwerk gelernt zu haben. Nicht zuletzt, weil ich von der Pike auf gelernt habe, den menschlichen Körper zu zeichnen.

Als Sie mit dem Zeichnen anfingen, gab es da Künstler, die Ihre Arbeit beeinflusst haben?

Viele, aber am meisten haben mich Breughel sowie Rembrandts Zeichnungen und Radierungen geprägt.

Ursprünglich arbeiteten Sie als Kinderbuch-Illustrator. Wie sind Sie dazu gekommen, Comics zu zeichnen?

Arbeit als Illustrator zu bekommen, war nicht einfach. Allerdings war einer der ersten Jobs, den ich bekam, die Illustration eines Buches mit Feenmärchen, was mir nach anfänglichen Bedenken wirklich Freude bereitete.

„Wenn der Wind weht“ wurde zu einer Zeit veröffentlicht, als Comics noch nicht sonderlich ernst genommen wurden. War es eine bewusste Entscheidung, ein so ernstes Thema mit den Mitteln des Comics zu erzählen?

Das Comic-Medium hat sich mir bei „Wenn der Wind weht“ gewissermaßen aufgedrängt. Ich wollte meine Geschichte unbedingt in Bildern erzählen, aber ein illustriertes Buch hat in der Regel nur ein Bild pro Seite. Ich hätte niemals all das in ein illustriertes Buch packen können, was ich erzählen wollte. Also entschied ich mich, eine Comicgeschichte daraus zu machen, weil man bei Comics zum Teil zwanzig Panels auf einer Seite unterkriegt.

„Ethel & Ernest“ beschreibt die Ehe Ihrer Eltern, die über 40 Jahre gehalten hat. Wann haben Sie beschlossen, einen Comic zu gestalten, der auf ihrer Lebensgeschichte basiert?

Ich wollte schon immer die Geschichte erzählen, wie meine Mutter und mein Vater sich trafen: Mein Vater radelte an einem Haus vorbei, aus dessen Fenster ein Mädchen einen Staubwedel ausschüttelte, und mein Vater winkte ihr zu, im Glauben, sie würde ihm zuwinken: Es schien mir ein romantischer Start. Sie waren 41 Jahre lang verheiratet.

In welcher Weise unterschied sich die Arbeit an diesem Buch von Ihren anderen? War es schwer, mit der Geschichte Ihrer Familie umzugehen?

Ich fand es nicht schwer, nur interessant. Ich habe meine Eltern sehr geliebt und habe klare Erinnerungen an das Haus, von innen und außen. Ich habe dort 20 Jahre meines Lebens verbracht.