Robin & Batman – Der Weg zum Helden
Batman ist Batman, aber Robin (also Dick Grayson) weiß noch nicht so genau, wer er ist und wo er hingehört. Die ikonische Catchphrase „I am Batman“ geht nur dem großen Fledermausmann leicht über die Lippen, und selbst bei ihm könnten wir uns fragen, was dieses zwanghafte Mantra über den Dunklen Ritter eigentlich aussagt. Robin hingegen ist voller Unsicherheit: „Ich glaub, ich hab mich in allem geirrt … wer ich bin.“
Dem Autor Jeff Lemire gelingt es – natürlich, möchte man sagen –, die Konstellation von Superheld und Sidekick vor allem durch die Brille des Familientherapeuten zu betrachten: Wie ist es um die Vater-Sohn-Beziehung zwischen Bats und Robin bestellt? Batman erweist sich als strenger Vater, der von seinem (Zieh-)Sohn mehr erwartet, als dieser einlösen kann. Als Robin in einer Kampfsituation scheitert, weil er nicht den Anweisungen seines Mentors folgt, entzieht Batman ihm sein Vertrauen und lässt ihn mit dem Training von vorn anfangen. Die elterliche Bindung leidet unter dem Autonomiebestreben Robins einerseits und dem Kontrollzwang Batmans andererseits. Wie in allen anderen Lemire-Storys geht es vornehmlich um eine problematische Vater-Sohn-Beziehung. Alfred tritt als Anwalt des jungen Mündels auf, und Killer Croc spielt ebenfalls eine große Rolle.
In seinem Vorwort zu der Panini-Ausgabe nennt Christian Endres Jeff Lemire („Black Hammer“, „Essex County“) und Dustin Nguyen („Little Gotham“) in Anlehnung an Batman und Robin ein „dynamisch-kreatives Duo“. Zusammen haben sie die beiden erfolgreichen Serien „Descender“ und „Ascender“ hervorgebracht. Dass sich die beiden nun gemeinsam dem Dark Knight zuwenden, ist tatsächlich ein Glücksfall für die Leser*innen. Jeff Lemire hatte sich schon einmal an Batman versucht („Joker: Killer Smile“), und auch Nguyen hatte mit „Little Gotham“ schon einmal die Gelegenheit, den Caped Crusader durch seinen Wasserfarbkasten zu ziehen. Erst in der Kombination entfalten sie aber ihre Superkräfte.
Dustin Nguyens Zeichnungen sind durchgehend umwerfend, wenngleich man als „Descender“-Leser*in immer wieder Tim-21 in den Gesichtszügen Robins erkennen wird. Einen besonderen Stil zu pflegen, den Fans in verschiedenen Kontexten wiedererkennen, ist ein Auszeichnungsmerkmal, allerdings ist es auch schade, dass Nguyen seinem Robin keinen eigenständigeren Look verleihen konnte.
Die Mini-Serie lebt voll und ganz von der Figurenkonstellation und den daraus resultierenden Konflikten: Derzeit funktionieren nicht alle der zahlreichen Projekte Jeff Lemires ganz reibungslos, aber hier haben die beiden Künstler ein glückliches Händchen bewiesen.
Ich bin Batman 1: Das Erbe des Dunklen Ritters
Der Comic „Ich bin Batman 1 – Das Erbe des Dunklen Ritters“ von Autor John Ridley und diversen Zeichnern (Travel Foreman, Olivier Coipel, Stephen Segovia und Christian Duce) beginnt auch mit Identitätsfragen: „Viel Nachdenken. Wer ich eigentlich bin. Die Antwort … ist klar. Ein Niemand.“ Das sind die Sorgen von Jace Fox, der in einer Zeit lebt, in der Batman verschwunden ist. Und der Sohn des Wayne-Industries-Ingenieurs Lucius Fox tritt allmählich in dessen Fledermausfußstapfen. Seinem Vater ist sein neuerliches Engagement in der Verbrecherhatz bislang verborgen geblieben, aber die nächtlichen Ausflüge nimmt er sehr wohl mit abschätziger Miene zur Kenntnis. Seine Erwartungen an den Sprössling als sein Nachfolger im Familienunternehmen drohen an der Realität zu scheitern.
Das zukünftige Gotham City, das wir aus „Future State“ kennen, ist ein Polizeistaat, in dem Superhelden nicht länger erwünscht sind. Das führt aber erwartungsgemäß nicht zur Entstehung blühender Landschaften, sondern bietet politischen Spekulanten die Gelegenheit, das Machtvakuum mit Korruption zu füllen. Die Peacekeeper sind das brutale Vollstreckungsorgan dieser bedingungslosen Machtpolitik, und Jace Fox wird ihr ärgster Feind. Als Jace in seinem Batman-Kostüm beobachtet wird, blickt er in erstaunte Gesichter: „Batman! Du lebst?“ Ja, aber leider im Körper eines unvergleichlichen Phrasendreschers, dessen Plattitüden vielleicht noch im Effektgetümmel eines Christopher Nolan funktioniert haben mögen, in den Zeichnungen Travel Foremans aber sicher nicht.
Die Bevölkerung wird von einer Gruppe in Aufregung versetzt, die sich „Moral Authority“ nennt und den Einflüsterungen der mysteriösen „Seherin“ folgt. Diese verbreitet politische Verschwörungserzählungen, die allerdings womöglich einen wahren Kern haben. Jace Fox kämpft einerseits gegen die Moral Authority, andererseits gegen die Regierung, die Maskierte grundsätzlich bekämpft. Zwischen den Fronten.
Die Serie hätte einiges Potential: der Konflikt zwischen Vater und Sohn, die verführerische Gefahr von Verschwörungsnarrativen, ein Batman mit dunkler Hautfarbe. Insgesamt aber gelingt es Ridley nicht, der Story eine klare Richtung zu geben. Die Handlung hangelt sich von Szene zu Szene, von einer Actionsequenz zur nächsten, ohne in irgendeiner Weise voranzuschreiten. Dazu tragen die Wechsel der Zeichner letztlich auch bei, wenngleich es eine Erleichterung ist, das Travel Foreman nur das erste der vier hierin veröffentlichten Hefte gezeichnet und getuscht hat. Sein Artwork ist, wie in „Second Son“, erschreckend einfallslos und fad. Das seiner Nachfolger ist zwar etwas variabler, aber immer noch nicht in irgendeiner Weise besonders. Dieser Auftaktband ist schlichtweg enttäuschend.
Batman – Das Reptil 2
Im ersten Band von „Das Reptil“, der die erste Hälfte der sechsteiligen Mini-Serie von Autor Garth Ennis und Zeichner Liam Sharp umfasste, wurden Gotham Citys Topganoven von einem Unbekannten angegriffen bzw. dazu verleitet, sich gegenseitig zu verletzen. In den Verdacht gerät, man glaubt es kaum, muss es laut vor sich hinsprechen und dabei auf der Zunge zergehen lassen: ein trächtiges Krokodil. Killer Croc kommt als Täter zwar nicht infrage, aber Garth Ennis führt uns natürlich in dem kürzlich erschienenen Band 2 zu dem legendären Superschurken.
Bei dem Reptil handelt es sich um einen Nachkommen von Killer Croc, der sich seiner Vater- bzw. Mutterrolle bislang nicht bewusst war. Dieses Reptil, optisch an den Giger-Horror von „Alien“ erinnernd, sondert Pheromone ab, die andere dazu veranlassen, sich gegenseitig anzugreifen. Batman versucht, gemeinsam mit Killer Croc einen Weg zu finden, um dieses Ungetüm aufzuhalten, und spekuliert, dass Croc es entweder stillen oder befruchten könne. Die Phantasie Batmans ist ebenso zu bestaunen wie diejenige von Garth Ennis.
Dass diese absurde Geschichte funktioniert, ist hauptsächlich den Zeichnungen von Liam Sharp zu verdanken, die an das Werk von Bill Sienkiewicz oder Dave McKeans „Arkham Asylum“ (1989) erinnern. Die gekritzelten, geschmierten, gekratzten Bilder zeigen uns diese Welt weniger, als dass sie sie im Halbdunkel zu verbergen versuchen. Die abwechslungsreichen Seitenlayouts profitieren von dem Black-Label-Großformat und den schmalen Texten, die Garth Ennis dazu beisteuert, sodass sie die schönen bzw. schrecklichen Bilder nicht allzu sehr stören.
Batman und die Ritter aus Stahl 1
Der Ritter der Nacht und der Mann aus Stahl sind seit jeher eng miteinander verknüpft. Nicht nur war die Veröffentlichung von Batman in „Detective Comics“ #27 im März 1939 der verlegerische Versuch, den Superman-Erfolg aus dem Vorjahr mit ähnlichem Konzept noch einmal zu wiederholen. Die beiden DC-Zugpferde wurden lange zusammen vermarktet und trafen in Comics oft aufeinander – etwa in Frank Millers legendärem „The Dark Knight Returns“ (1986).
Das aktuelle Black-Label-Projekt von Tom Taylor und Yasmine Putri, die sechsteilige Mini-Serie „Batman und die Ritter aus Stahl“ (auf Deutsch in zwei Bänden), geht aber noch viel weiter, und ganz folgerichtig verschmelzen die beiden gegensätzlichen Helden im Titel geradezu miteinander. In dieser mittelalterlichen Alternativwelt landen Supermans Eltern nach dem Kollaps von Krypton gemeinsam mit ihrem Sohn Kal-El auf der Erde und ziehen ihn dort in aller Zurückgezogenheit auf. Sie begegnen der Königsfamilie der Waynes, wobei Thomas und Martha zwar früh versterben, aber immerhin einen Sohn hinterlassen: Bruce.
Bruce und Kal El werden Freunde und zugleich Mitstreiter in den dynastischen Auseinandersetzungen, die so ein Setting halt mit sich bringt. Viel mehr darf man kaum erzählen, ohne zu spoilern, denn der Reiz der Story besteht auch darin, dass immer mehr DC-Figuren in diese Welt integriert und so neu interpretiert werden. Das gilt für Lex Luthor ebenso wie für den Joker, aber auch für viele weitere Figuren. John Constantine, Wonder Woman und Poison Ivy kommen auch vor. Besonders einprägsam wird Harley Quinn als Hofnärrin inszeniert, die unbequeme Wahrheiten ausspricht und immer wieder starke Pointen hervorbringt.
Die Idee mag etwas konstruiert klingen, aber das Setting ist tatsächlich faszinierend, weil sowohl die allmähliche Erweiterung des Personals das Interesse nicht ermüden lässt und die Zeichnungen von Putri eine Abwechslung gegenüber den düsteren Batman-Zeichnungen (etwa von Liam Sharp) darstellen. Taylor und Patri wagen eine kühne Neuinterpretation, die in der Tradition der Elseworld-Storys steht. In den Storys, die mit diesem DC-Label zwischen 1989 und 2004 erschienen, wurde Batman von seiner kanonischen Figurenbiographie befreit und in andere Zeiten oder andere fiktive Kontexte versetzt.
Diesem Prinzip verpflichtet sich „Batman und die Ritter aus Stahl“, deren erste sechs Hefte in diesem Panini-Sammelband publiziert wurden. Man darf auf den zweiten Band, mit dem die Serie abschließt, gespannt sein.
Gerrit Lungershausen, geboren 1979 als Gerrit Lembke, hat in Kiel Literatur- und Medienwissenschaften studiert und wurde 2016 promoviert. Er hat Bücher über Walter Moers, Actionkino und den Deutschen Buchpreis herausgegeben. 2014 hat er zusammen mit anderen das e-Journal Closure gegründet und ist bis heute Mitherausgeber. Derzeit lebt er in Mainz und schreibt für Comicgate und die Comixene. An der TU Hamburg-Harburg unterrichtet er Comic-Forschung.