Bat news are good news

Bild aus "Joker: Killer Smile" (DC Comics/Panini)

Joker: Killer Smile

Mal wieder Jeff Lemire. Der kanadische Vielschreiber und Starautor („Essex County“, „Black Hammer“) hat sein Erzähltalent schon in vielen Genres bewiesen, längst auch in klassischen Superhelden-Geschichten („Animal Man“). Nun also Batman.

Zunächst einmal ist „Joker: Killer Smile“ gar kein Dark-Knight-Debüt für Lemire, der schon 2013 und 2014 mehrere Storys zur Batman-Bibliografie beisteuerte. Besonders aber ist die Zusammenarbeit mit dem italienischen Zeichner Andrea Sorrentino. Dieses dynamische Duo hat midasmäßig zu Gold gemacht, was es anpackte, sei es „Green Arrow“, „Old Man Logan“ oder die so beeindruckende Horror-Serie „Gideon Falls“. Die aktuelle Joker-Renaissance im Comic wie im Film könnte fast schon ermüdend wirken, würden Lemire und Sorrentino ihren Job nicht so verdammt gut machen.

Jeff Lemire (Autor), Andrea Sorrentino (Zeichner): Joker: „Killer Smile“.
Aus dem amerikanischen Englisch von Josef Rother.
Panini, Stuttgart 2021. 156 Seiten. 29 Euro.

Im Zentrum steht nämlich weniger der kanonische Schurke als vielmehr der Psychiater Ben Arnell, zuständig für die gesprächstherapeutische Begleitung des Jokers im Arkham Asylum. Oder wie der Joker selbst es sagt: „Aber hier geht’s gar nicht um mich, nicht wahr? Hier geht’s auch nicht um meine Opfer. Hier geht’s um dich.“ Das klingt für einen Wahnsinnigen erstaunlich hellsichtig, und es ist auch als direkte En-Face-Ansprache an die Leser*innen zu verstehen, die hier bloß keine Action erwarten sollten, sondern sich auf ein Spiel mit Perspektive, Wahrnehmung und Unzuverlässigkeit einlassen müssen.

Ben wird von seiner Arbeit stärker geprägt, als er wiederum dem Joker seinen Stempel aufdrücken kann. Die Bilder, die Geschichten, die Alpträume diffundieren durch die gläserne Trennscheibe zwischen dem Joker und Ben zunächst in dessen Seele, alsbald auch in sein gar nicht so trautes Heim. Der Wahnsinn ist ansteckend, und bald entkommt niemand mehr dem erzählerischen Strudel, den Lemire und Sorrentino erzeugen.

Die Black-Label-Story „Joker: Killer Smile“, im großzügigen Albenformat, kommt ohne Batman aus, zumindest fast, und als er dann doch seinen Auftritt bekommt, gewinnt die Geschichte noch mehr an Komplexität. Lemire und Sorrentino erzählen den Joker als virale Form des Bösen, deren Ursprung wir nach all den erzählerischen Wendungen nur noch erahnen. Lange ist die Geschichte des Jokers nicht mehr so faszinierend aufbereitet worden.

Batman – Die drei Joker

Wie anders gehen Geoff Johns und Jason Fabok an die Sache heran. Ihr Joker sagt zu Nightwing: „Denn hier dreht sich alles nur um ihn. Nicht um dich. Nie um dich.“ Aber mag man der geschminkten Fratze wirklich glauben? Besser nicht – tatsächlich steht auf den ersten Blick der Joker im Fokus, und zwar gleich mehrfach. An verschiedenen Stellen von Gotham City werden Morde vom Joker verübt, rasch kommen die Polizei und Batman dahinter, dass hier gleich drei todkomische Verbrecher am Werk sind. Zusammen mit Batgirl und Jason Todd versucht Batman, das Rätsel zu lösen.

Geoff Johns (Autor), Jason Fabok (Zeichner): „Batman – Die drei Joker 1“.
Aus dem amerikanischen Englisch von Josef Rother.
Panini, Stuttgart 2021. 60 Seiten. 13 Euro

Johns und Fabok lassen sich viel Zeit: Beeindruckend gemächlich und ohne Worte dokumentieren sie zum Einstieg über vier Seiten hinweg die Widersacher Batmans anhand der Wunden, die sie seinem Körper zugefügt haben. Parallel dazu sehen wir die Erinnerungsfetzen, die Bruce Wayne bzw. Batman in Schwarz-Weiß heimsuchen: von den Äußerlichkeit des Körpers zu den Geheimnissen des Inneren – per visibilia ad invisibilia. Ein wunderschöner Auftakt.

Neben dem Joker stehen Barbara Gordon (alias Batgirl) und Jason Todd (alias Red Hood) im Fokus, fast als würde die Geschichte, die auf drei Bände angelegt und in den USA bereits abgeschlossen ist, neben den drei Jokers noch ein zweites Trio etablieren. Dass der Joker die Schnittstelle darstellt, ist auch durch die Origin Story von Red Hood begründet, die Alan Moore und Brian Bolland in ihrem Batman-Klassiker „The Killing Joke“ (1988) mit derjenigen des Jokers verknüpften.

Nicht nur inhaltlich, auch formal knüpft „Die drei Joker“ an einen der großen Klassiker des Batman-Kanons an: Das vorherrschende Seitenlayout, drei Zeilen mit je drei Panels, mag man als ein Zitat der Schlüsselszenen in „The Killing Joke“ lesen. Überhaupt erscheint die erste Seite als einzige Hommage an die Exposition Bollands: der Regen, das Batmobil, der einsame Batman, der auf ein erleuchtetes Gebäude (dort Arkham Asylum, hier Wayne Manor) zugeht. Und natürlich grinst vom Cover eine Jokerfratze, die Batman-Leser*innen von Bolland bereits kennen. Das ist für Batman-Fans amüsant und für Batman-Einsteiger*innen schön anzusehen. Den ganzen Reiz entfaltet die Story erst, wenn man „The Killing Joke“, nach Meinung vieler der beste Batman-Comic aller Zeiten, noch einmal parallel liest.

Ob man „Die drei Joker“ im Schrank direkt neben „The Killing Joke“ einsortieren muss, wird der zweite Band (Mai 2020) zeigen. Irgendwo in den Schrank gehört der Comic auf jeden Fall.

Die Nächte von Gotham

„Gotham Nights“ – ein Wortspiel, so überraschend wie der glanzlose Geschäftsname eines Vorort-Friseursalons. Hinter der gewöhnlichen Phrasen-Fassade verbergen sich zehn Batman-Kurzgeschichten, die zuerst im Sommer 2020 erschienen – ein ganz schön bunter Strauß für den Dark Knight, und die Sammlung beginnt extravagant: In „Ehrenmedaille“ erscheint ein urbaner Einsatz Batmans als paramilitärisches Unterfangen mit viel Getöse und Granaten. Irgendwie aber geraten Text und Bild ständig aneinander, und die Captions treten durch Anführungszeichen in Distanz zum Geschehen. Kein Wunder: Der Text basiert auf einer Rede Barack Obamas, die er am 16. November 2010 anlässlich einer Verleihung der Medal of Honor hielt, nachdem Salvatore A. Giunta seinen Mut während eines Einsatzes in Afghanistan unter Beweis stellte. Er wird als Autor der Story geführt, während Brad Meltzer für die Comic-Adaption der Story verantwortlich zeichnet.

Mark Russell u.a. (Autoren), Jim Lee u.a. (Zeichner): „Batman – Die Nächte von Gotham“.
Aus dem amerikanischen Englisch von Jörg Fassbender.
Panini, Stuttgart 2021. 156 Seiten. 18 Euro

„Ehrenmedaille“ ist weniger klassische Batman-Detektiv-Story als vielmehr fiktionale Würdigung des Soldaten, dessen patriotischer Einsatz im Krieg mit dem Wirken Batmans in Gotham City parallelgeführt wird. In seiner politischen Dimension erinnert das heroisch-patriotische Konzept an die Nine-Eleven-Comics von DC. Besonders aber ist die Story allemal, auch durch die grandiosen Zeichnungen von Jim Lee.

In „Balyushka!“, geschrieben von Mark Russell, gezeichnet von Viktor Bogdanovic, geht es (natürlich) um den Joker: Durch Batmans erfolgreichen Kampf gegen das Verbrechen werden ironischerweise öffentliche Gelder gekürzt und die sozialen Nöte umgehend vergrößert. Der Joker bietet den gebeutelten Bürgern Gotham Citys via Social Media an, sich mit einem möglichst extravaganten Video, an dessen Ende sie „Balyuschka“ rufen, um ein Joker-Stipendium zu bewerben. Die absurden Bemühungen der verzweifelten Bürger, die Aufmerksamkeit des Psychopathen zu erringen, bilden ein ebenso einfallsreiches, tragisches wie komisches Bild einer Gesellschaft, deren soziale Probleme sich durch soziale Medien keineswegs lösen lassen.

Beide Geschichten sind, auf sehr unterschiedliche Weise, lesenswert, was natürlich nicht für alle der zehn Storys gilt – andere sind eher etwas bieder geraten, aber alles andere wäre von einem bunten Strauß auch zu viel verlangt.

Ach so – eins muss mal gesagt werden, weil Vorworte und Begleittexte eine so unliebsame wie oft überflüssige Textsorte sind: Die Einführungs- und Erläuterungstexte von Christian Endres, die sämtliche Batman-Ausgaben bei Panini seit Jahren bereichern, stechen unter diesen wirklich hervor. Selten wird man so pointiert und kenntnisreich in einen Comic hineingeführt wie von Endres.

Gerrit Lungershausen, geboren 1979 als Gerrit Lembke, hat in Kiel Literatur- und Medienwissenschaften studiert und wurde 2016 promoviert. Er hat Bücher über Walter Moers, Actionkino und den Deutschen Buchpreis herausgegeben. 2014 hat er zusammen mit anderen das e-Journal Closure gegründet und ist bis heute Mitherausgeber. Derzeit lebt er in Mainz und schreibt für Comicgate und die Comixene. An der TU Hamburg-Harburg unterrichtet er Comic-Forschung.