Was mit Tieren

© DreamWorks / Paramount

Die Drachenrolle ist also leer. Das Geheimnis, auf dem alles ruht, dem alle Kraft sich verdankt, ist nichts als der reine Glaube. Darauf läuft die Botschaft von „Kung Fu Panda“ hinaus. Jeder, der an sich glaubt, oder auch: Jeder, an den geglaubt wird, kann Taten vollbringen, die ihm, glaubte er nicht, unmöglich wären und blieben. Man muss die Hintergründe erläutern: Die Drachenrolle ist das Arkanum, das geheime Dokument, das einzig dem bei Gelegenheit höchst feierlicher Zeremonie auserwählten Drachenkrieger überreicht werden darf als dem mythischen Verteidiger des Staats, der vom Feind in seiner Existenz bedroht ist. Der Feind allerdings ist der einstige Hoffnungsträger des Staats, das große Kampftalent, der Schneeleopard Tai Lung, ausgebildet vom mythischen Ausbilder Shifu.

Die Gegenfigur, die „Kung Fu Panda“ in der Titelfigur nun mobilisiert, scheint als Drachenkrieger die denkbar größte Fehlbesetzung: der in der Suppenküche seines (gewiss nicht biologischen) Gänse-Vaters mit Tiegeln und Tellern hantierende Pandabär Po. Der ist ein Nerd, ein Fanboy, einer, der von den mythischen Kämpferfiguren des Hofes – das Ensemble: die Schlange, die Tigerin, der Affe, die Heuschrecke, der Kranich – nur träumen und die Helden einzig als Actionfiguren aufs Fenstersims seines heimatlichen Teenager-Zimmers holen kann. Der Traum, den man sieht, in den ersten Bildern des Films, ist an der ganzen Sache das Allerschönste: zweidimensionale, grafisch-antihyperrealistische Heldenträumerei. Dann wird die Grafik, wie es im Digitalkino leider üblich ist, hyperrealistisch und man sieht, obwohl man sie nicht sehen will, die tagelange Arbeit, die noch im kleinsten Pandahaar steckt.

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In der Folge macht der Film, das ist zu erwarten, die feuchtesten Träume des durchschnittlichen Fanboys wahr. Der dicke, ziemlich faule und nicht sonderlich helle Panda gerät, durch Zufall und fehlgesteuerten eigenen Antrieb, mitten hinein in die Drachenkrieger-Wahlzeremonie und wird von der sehr greisen und entweder sehr weisen oder schlicht und einfach dementen Staatsführerschildkröte Master Oogway zum Entsetzen der Anwesenden als Drachenkrieger erwählt. Die mythischen Helden, als Actionfiguren bekannt von Pos Fenstersims, sehen ihre eigenen Hoffnungen zerstört und mobben den Parvenu und totalen Kampfsportversager, wo sie nur können. Der aber ist nicht – oder jedenfalls kaum – unterzukriegen und zeigt zuletzt allen, was eine Pandabär-Harke ist.

Der Fanboy-Traum Po stammt aus der Schule Shrek. Soll heißen: Die Macher des Films lassen keine naheliegende Anspielung auf existierende Filme aus. Sie biedern sich an zeitgenössische Teenagersprache an, wo sie nur können. Sie lieben das Brachiale und je fetter der Bär, desto besser nach ihrem Verständnis der visuelle Gag. Allerdings wird auch Kampfsport zelebriert. Nur: Das Atemberaubende am Kampfsportfilm ist doch, dass er vorführt, was Körper können. Nicht immer aus eigener Kraft, auch Körper am Draht. Aber doch Körper, menschliche Körper im ständigen Kampf gegen die Schwerkraft, die es – und dann noch mit scheinbarer Leichtigkeit – zu überwinden gilt. Die Animationskrieger aber haben solche Probleme, versteht sich, nicht. Ihre Körperkunst ist geschenkt. Und da nützt die Körpergewichtbetonung durch Auswahl des Dickpandabärs als Zentralfigur wenig. Aller Zauber bleibt in „Kung Fu Panda“ darum reine Behauptung.

Dieser Text ist zuerst erschienen am 02.07.2008 in: perlentaucher.de

Kung Fu Panda
USA 2008

Regie: Mark Osborne, John Stevenson – Darsteller*innen (Stimmen): Hape Kerkeling, Gottfried John, Thomas Fritsch, Ralf Schmitz, Cosma Shiva Hagen, Bettina Zimmermann, Stefan Gosslar, Tobias Kluckert, Tobias Kluckert – Verleih: Universal Pictures – Länge: 95 min. – Kinostart (D): 03.07.2008

Ekkehard Knörer, geboren 1971, in Würzburg, Austin (Texas) und Frankfurt (Oder) Deutsch, Englisch, Philosophie, Kulturwissenschaften studiert. Promoviert zur Theorie von Ingenium und Witz von Gracián bis Jean Paul. Von 1998 bis 2008 die Filmkritik-Website Jump Cut betrieben. Texte zu Film, Theater, Literatur für Perlentaucher, taz, Freitag, diverse andere Medien. Seit 2012 Redakteur, seit 2017 auch Mitherausgeber des Merkur. Ebenfalls Mitherausgeber des Filmmagazins Cargo.