„Wir sind ein Produzent*innenfestival“

Am 28. September startet zum 17. Mal das Comicfestival Hamburg. Seit seiner Gründung im Jahre 2006 hat sich das Festival zu einem der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte der deutschsprachigen, aber auch internationalen Comic-Gemeinde entwickelt. Bis zum 1. Oktober wird das Festival auf St. Pauli, im Karoviertel, in der Neustadt und anderen Orten Comickünstler*innen aus In- und Ausland, Verlagshäuser, Hochschul- und andere Gruppen und natürlich zahlreiche Comicfans und Kulturinteressierte in die Hansestadt locken.

Der Auftakt erfolgt am Donnerstag, den 28. September, mit der Vernissage der Hauptausstellung, die dieses Jahr der Comickünstlerin und Hochschulprofessorin Anke Feuchtenberger gewidmet ist. Am Freitag wird Anke Feuchtenberger zudem mit einem Symposion geehrt. In weiteren Ausstellungen werden die Arbeiten von u. a. Kate Charlesworth, Léa Murawiec, Nando von Arb, Jan Soeken, Jul Gordon und Künstler:innen-Gruppen und Independent-Verlagen wie „Spring“ und Éditions Adverse zu sehen sein. Am Wochenende werden wie gewohnt im Stadtteilzentrum Kölibri Verlage, Künstler:innen, Kollektive und Hochschulklassen bei der Verlagsmesse ihre Bücher, Zines, Poster und vieles mehr feilbieten. Im folgenden Presse-Interview spricht der Hamburger Comiczeichner Sascha Hommer, der seit fast 20 Jahren das Comicfestival Hamburg mitorganisiert, über Geschichte und Hintergrund des Festivals.

Das Comicfestival Hamburg geht in wenigen Tagen in die 17. Runde. Du bist seit dem ersten Jahr im Orga-Team des Festivals mit dabei. Kannst du uns ein bisschen über die Anfänge des Festivals erzählen?

Ich war damals noch Student an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften und wollte gemeinsam mit anderen Studierenden ein Festival starten, um Comics zu zeigen, die uns gefielen. Den Begriff Graphic Novel gab es damals noch nicht, aber das war grob die Richtung: Wir wollten künstlerisch und literarisch anspruchsvollen Bildgeschichten ein Forum bieten. Gleichzeitig sollte das aber keine elitäre Veranstaltung sein, deshalb sind bis heute fast alle Teile des Festivals kostenfrei.

Wie hat sich das Festival über die Jahre entwickelt und verändert? Welchen Stellenwert nimmt es heute in der Hamburger Kulturlandschaft ein?

War es zu Beginn noch eine sehr kleine Veranstaltung, die man eigentlich nicht wirklich Festival nennen konnte, ist das Comicfestival mittlerweile zu einem etablierten Teil des kulturellen Lebens in Hamburg geworden. Seit einigen Jahren besteht auch ein enger Kontakt mit der Behörde für Kultur und Medien, die uns wo immer dies möglich ist unterstützt. Vor allem durch die Hochschule für Angewandte Wissenschaften und die in Hamburg ansässigen Verlage, Carlsen ist hier ohne Frage der bekannteste Name, ist diese Stadt ein attraktiver Standort für Menschen, die gerne Bildgeschichten lesen oder zeichnen möchten. Das Comicfestival ist Teil der lokalen Infrastruktur und ein produktiver Treffpunkt für Studierende, Fans und Profis.

Das Festival hatte stets sowohl die deutschsprachige als auch internationale Comicszene im Blick und hat über die letzten Jahre Künstler*innen wie Catherine Meurisse, Jillian Tamaki, Tom Gauld und viele andere internationale Größen ausgestellt. Wie wählt ihr eure Künstler*innen aus?

Wir sind ein Produzent*innenfestival, das bedeutet, dass fast alle Menschen, die das Festival organisieren, selbst Zeichner*innen sind oder zumindest in einem ähnlichen Bereich arbeiten. Die Auswahl der Künstler*innen erfolgt dann je nach Interessen innerhalb des Teams. Generell kann man sagen, dass wir immer versuchen, neue Positionen zu zeigen und nicht nur das abzubilden, was in Deutschland ohnehin schon bekannt ist. Letztlich entsteht jeweils eine Mischung aus internationalen, nationalen und lokalen Positionen.

Das Comicfestival steht 2023 im Zeichen der renommierten Künstlerin und HAW-Professorin Anke Feuchtenberger, die nicht nur eine Ausstellung erhält, sondern auch mit einem eigenen Symposion gewürdigt wird. Welche Rolle spielt Anke Feuchtenberger für die deutsche Comiclandschaft und die Geschichte des Comicfestivals?

Ohne Anke Feuchtenberger gäbe es vielleicht auch das Comicfestival nicht – sie hat vor allem mit ihren eigenen künstlerischen Projekten, aber auch mit ihrer Arbeit als Professorin, Verlegerin und Aktivistin die Hamburger Szene seit Ende der 90er Jahre entscheidend geprägt sowie die Wahrnehmung deutscher Comics auch international auf eine andere Ebene gebracht. Deshalb wird sie in diesem Jahr nicht nur mit einer umfangreichen Ausstellung, sondern auch mit einem ganztägigen Symposion geehrt, das den Blick von Literat*innen, Wissenschaftler*innen und Kolleg*innen auf die Ausnahmekünstlerin Anke Feuchtenberger abbildet.

Welche Höhe- und Schwerpunkte neben Anke Feuchtenberger gibt es noch dieses Jahr auf dem Festival?

Besonders herausheben möchte ich die Ausstellung „Bitte übersetzen!“, die vier spannende europäische Zeichner*innen zeigt. Wie der Titel der Ausstellung bereits besagt, ist es höchste Zeit, dass diese Künstler*innen einen deutschsprachigen Verlag finden. Vielleicht kann das Comicfestival einen Teil dazu beitragen.

Bild oben aus der Ausstellung „Kate Charlesworth – United Queerdom“