In Wilfrid Lupanos Funny-Reihe „Wikinger im Nebel“ sehen sich die Raubeine ziemlich köstlich mit allerlei Sinnfragen der Gegenwart konfrontiert.
Will man den Herren Lupano („Die alten Knacker“) und Ohazar glauben schenken, dann waren die alltäglichen Probleme der alten Wikinger gar nicht so fundamental anders als unsere heutigen. Wenn die knubbelnasigen, augenlosen Hornhelme auf miteinander verbundenen Halbseitern sich über Kommunikationsschwierigkeiten in Beziehungen, zwischen Generationen oder auf der „Arbeit“ austauschen, wird eins ziemlich schnell deutlich: Auch der geneigte Leser könnte ein Wikinger sein und ist herzlich zur Identifikation und Reflexion eingeladen. Denn wenn die brandschatzende Horde von ihren Raubzügen zurückkehrt, dann sind es zum Beispiel immer die gleichen, einfallslosen Geschenke, die den daheimgebliebenen Gattinnen verhalten höfliche Freunde abringen. Nur dass es in diesem ersten Softcover-Band der Funny-Reihe „Wikinger im Nebel“ halt keine Nippes-Figürchen oder Kaffeetassen sind, die aus falscher Höflichkeit zustauben, sondern die Helme der gefallenen Feinde, die in der Regel auch erst von Blut und anderen Leichnamresten gereinigt werden müssen.
Unerreicht bleibt ein entwaffnender Dialog zwischen dem Häuptling und seinem Sohn, in dem der Senior die kulturellen Errungenschaften seines Volkes anpreisen möchte, seinem Nachkommen aber zuerst Mord und Raub als wenig hochkulturelle Beispiele einfallen. Das darauffolgende, kleinlaute „Aber wir haben auch schöne Lieder“ fasst in erstaunlich wenig Worten völkische Gesinnung und ihren tatsächlichen „kulturellen Wert“ zusammen. Da möchte man gar nicht mehr aufhören, diesen knuffigen Einfaltspinseln dabei zuzusehen, wie sie verbissen unsinnige Argumente austauschen, um ihren idiotischen und destruktiven Lebensstil zu verteidigen. Geschlechtsspezifische Stereotypen kommen dabei genau so schlecht weg wie erzwungene religiöse Annäherungsversuche. Denn Kirchen zünden unsere Wikinger hier nicht etwa aus humanitärer Einsicht nicht länger an, sondern nur weil die Frauen des Dorfes diese Barberei nicht länger dulden wollen.
Wilfrid Lupanos gewohnt meisterhaftes komisches Timing braucht sich nicht vor der herrlich ratlosen Gestik der von Ohazar zu Papier gebrachten Figuren verstecken. Beides sorgt Hand in Hand für pausenlose Lacher im Takt der Schiffstrommel. Ob der Witz am Konzept ist, dass die Wikinger hier stark modernisiert wurden, oder Ansichten, die uns auch in unserer heutigen Gesellschaft begegnen, vielleicht doch eher in die finstere Zeit der Drachenboote passen, wird dabei das Publikum für sich selbst entscheiden.
Diese Kritik erschien zuerst auf: DeinAntiheld.de
Wilfrid Lupano (Autor), Ohazar (Zeichner): Wikinger im Nebel. Band 1 • Aus dem Französischen von Thomas Schöner • Carlsen, Hamburg 2023 • 64 Seiten • Softcover • 12,00 Euro
Matthias Penkert-Hennig liebt seit frühen Kindheitstagen wilde Fantasy- und SF-Storys. In einer Zeit vor der großen CGI-Revolution fand er solche Epen vor allem in Comicbüchern. 2015 gründete er das Online-Magazin DeinAntiHeld.de. Zudem schreibt für den Tagesspiegel, Panini Comics Deutschland, Comic.de und ist Teil des POW!-Podcast. Darüber hinaus produziert er animierte Video-Trailer für Comics. Sein aktuelles Mammutprojekt ist die deutsche Übersetzung der „Teenage Mutant Ninja Turtles Splitter Collection“.