Eine Comicbiografie beleuchtet die wechselhafte Karriere des Komiker-Duos Laurel und Hardy.
Eines vorweg: „Dick und Doof“ geht gar nicht. Welch ein Frevel. Denn mit dieser tumben Bezeichnung wird man dem genialsten Komiker-Duo der Filmgeschichte nicht gerecht. Deshalb: Laurel und Hardy. Oder Stan und Ollie. Darauf müssen wir bestehen. Zuerst die nackten Zahlen, damit das erledigt ist: 80 Kurzfilme (die meisten in der Stummfilmära) und 27 Langfilme zwischen 1926 und 1951 (im ersten gemeinsamen Film 1921 traten sie noch nicht als Duo auf). Dazwischen und danach erfolgreiche Tourneen, auch in Europa, bis 1954. Oliver „Babe“ Hardy starb 1957, Stan Laurel folgte ihm 1965 nach. Ihr filmisches Erbe: außergewöhnlich.
Womit wir zu diesem Buch kommen, der ersten Graphic Novel über Laurel und Hardy: Anfang der 1960er Jahre telefoniert Stan Laurel – sein kongenialer Partner Babe ist bereits verstorben – mit einem jungen Fan namens Seth. Stans Nummer steht im Telefonbuch, er freut sich über jeden Anruf seiner noch immer zahlreichen Fans und plaudert gerne und höflich mit allen über die alten Zeiten. Seth will über Laurel und Hardy ein Referat in der Schule halten, und Stan berichtet ihm, und damit auch uns, in mehreren Telefon-Sessions bereitwillig, humorvoll, aber auch melancholisch über sich und Oliver Hardy, über sein Leben und seine Karriere.
Bis sie sich als Duo formierten und durchsetzten, waren Stan und Ollie schon einige Jahre beim Film, weshalb man die beiden noch als Filmpioniere bezeichnen kann. Schon früh kamen sie mit dem neuen Medium in Kontakt, wenn auch noch lange nicht in ihren berühmten Rollen. Oliver Hardy war Filmvorführer, ehe er 1914 in ersten Filmen als Bösewicht zu sehen war. Der Brite Stan Laurel, der eigentlich Arthur Stanley Jefferson hieß, kam mit Fred Karnos Schauspiel-/Comedy-Truppe, zu der übrigens auch ein gewisser Charles Chaplin gehörte, 1910 nach Amerika, spielte 1917 in ersten Filmen, fand seine vorläufige Berufung dann aber hinter der Kamera als Drehbuchautor in den Hal Roach Studios – Roach war im noch jungen Hollywood der führende Komödien-Produzent. Als Duo wurden sie aber keineswegs von Roach entdeckt. Dieses Verdienst ist dem Regisseur Leo McCarey zuzuschreiben, der später auch mit den Marx Brothers zusammenarbeitete und Laurels Potenzial in der anfangs noch zufälligen Paarung (Laurel half als Schauspieler aus) mit Hardy erkannte.
So begann der steile Aufstieg des Comedy-Duos, zuerst in Kurzfilmen und stumm, dann auch in Langfilmen und mit Ton. Als sich das Studio-System durchsetzte, verloren sie jedoch nach und nach die Kontrolle über ihre Filme. Improvisation war tabu, so ging der „Drive“ der beiden verloren, was ihnen wohl bewusst war. Eine Entwicklung, die sich fortsetzte, nachdem sie von Hal Roach zu Fox gewechselt waren. Nach dieser Zeit voller Frust und Krisen fanden Laurel und Hardy doch noch einmal großes Vergnügen an ihrer Arbeit, als sie – im Kino zuletzt ins Niemandsland der B-Filme abgestürzt – nach Jahren wieder auf Bühnen-Tournee gingen, besonders in Europa – und dort in Großbritannien – ihre ungebrochene Popularität genossen und vor ausverkauften Häusern spielten. Bis das Alter sie schließlich einholte.
Der italienische Zeichner Gianluca Buttolo gestaltet die Biografie in angemessenem Schwarz-Weiß (meines Wissens drehten Laurel und Hardy keinen einzigen Farbfilm). Dabei fällt der reduzierte, klare Zeichenstil auf, bei dem jeder Strich stimmt und der die Gesichter und Mimik der beiden stets punktgenau trifft. Dazu kommen viele Schwarzflächen als Kontrast. Und immer wieder viel Text, denn es gibt eine Menge zu erzählen. Dann glänzt Buttolo mit visuellen Experimenten und grafischen Finessen, beispielsweise um zu zeigen, wie die beiden sinnbildlich als Duo eine Einheit werden oder die Seiten-Panels als Kulisse nutzen. Wir erfahren viel über den kreativen Prozess, in den in erster Linie Stan involviert war. Auch die zahlreichen Ehen der beiden, verbunden mit Alkoholproblemen werden angesprochen, gelegentlich visualisiert mit Ausschnitten aus ihren Filmen visualisiert.
Übrigens: Der letzte Film von Laurel und Hardy wird nur kurz und nicht namentlich erwähnt: „Atoll K“ (auf Deutsch u. a. „Dick und Doof erben eine Insel“ – argh!) stellt ein durchaus trauriges Kuriosum dar. 1951 als italienisch-französische Koproduktion entstanden, gerieten die Dreharbeiten zum Desaster; das Alter der beiden Hauptdarsteller machte sich massiv bemerkbar. Die Kritiken waren entsprechend schlecht. Allein dieses Thema würde eine weitere Graphic Novel füllen. Einstweilen sei dieses Buch allen Fans von Stan und Ollie und denen, die es noch werden, wärmstens empfohlen.
Hier gibt es eine weitere Kritik zu „Laurel und Hardy“.
Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de
Gianluca Buttolo: Laurel und Hardy • Aus dem Französischen von Christoph Haas • Splitter Verlag, Bielefeld 2024 • 176 Seiten • 29,80 Euro
Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.