Pest, Kriege, Handelsboykotte – Jens Natters Geschichtscomic „Der Kopf der Hanse“

Der Hamburger Comiczeichner Jens Natter ist schon einige Jahre im Geschäft. Seine Adaption von Theodor Storms „Schimmelreiter“ erschien 2014, „Hammaburg“, eine Graphic Novel über Hamburgs frühe Tage, folgte 2020. Sehr beliebt sind auch seine comicartigen Wimmelbücher über Regionen in Schleswig-Holstein, darunter „Nordfriesland“, „Schlei“ und demnächst „Büsum“. In seinem neuen Comic widmet sich Natter einem besonderen Aspekt der Geschichte Norddeutschlands, der Hanse.

Die Lübecker Kaufleute Johann Wittenborg und Brun Warendorp sind Freunde seit jeher. In der Mitte des 14. Jahrhunderts sind sie Teil des erstarkenden Hansebundes und der ersten Hansetage. Johann Wittenborg mausert sich durch zwielichtige Methoden zum obersten Kopf des Städtebundes. Diesen droht er im wahrsten Sinne zu verlieren, als ihn seine Vergangenheit einholt. Folgend ein Interview mit Jens Natter zu seiner Graphic Novel „Der Kopf der Hanse“ (Edition 52).

Hallo, Jens! Wie entstand die Idee zu deinem Comic „Der Kopf der Hanse“?

Im Grunde war es fast ein Wunder, dass mir die Idee erst so spät kam, denn historische Themen und norddeutsche Regionalia sind schon seit Jahren Schwerpunktthemen in meinem Werk. Die Initialzündung bildete ein Besuch im Holstentormuseum in Lübeck, wo natürlich viel über die Hanse zu finden ist und ich obendrein dort auch noch auf die Geschichte des Lübecker Bürgermeisters Johann Wittenborg gestoßen bin.

Beschreib mal bitte kurz, worum es in deinem Hanse-Comic geht.

Es geht um den realen Aufstieg und Fall des Lübecker Kaufmanns und Bürgermeisters Johann Wittenborg, der sich machthungrig in politische Ämter drängt. Es ist auch die Geschichte einer ungleichen Freundschaft zu dem charakterlich völlig gegensätzlichen Kaufmann Brun Warendorp, die sich wegen einer gemeinsamen Liebe zu Telse von Bardewick immer komplizierter gestaltet und in einer Katastrophe endet. Die Geschichte an sich fand ich schon spannend, aber in der Lebenszeit von Wittenborg sind außerdem viele Ereignisse verankert, welche die Hanse ausmachen. So bezeichnete sich der Städtebund zum ersten Mal selbst offiziell als Hanse, es gibt den großen Handelsboykott gegen Flandern, auch die erste große Pestwelle erreicht Nordeuropa, und die bürgerlichen Städte trauten sich plötzlich Krieg gegen den dänischen König zu führen. Und Wittenborg agiert immer mittendrin.

Bist du Fan historischer Geschichten? Auf welche Dokumentationen konntest du dich stützen?

Ja, speziell die Begeisterung für Comics mit historsichen Hintergründen existiert bereits seit Kindertagen. An „Asterix“ und „Lucky Luke“ führte kein Weg vorbei. Nach der Lektüre begann dann immer sofort die wahren historischen Anteile dieser Comicalben überprüft. Im Grunde hat sich bis heute an diesen Vorlieben nicht viel geändert. Nur dass ich jetzt die Geschichten selber zeichne und die Recherche nun davor stattfindet.

Für den „Kopf der Hanse“ habe ich gleich mehrere Museen aufgesucht, zum Beispiel das Schifffahrts-Museum in Bremerhaven (dort befindet sich echt eine Original-Kogge aus der Hansezeit aus dem 14.Jahrhundert) oder das Salzmuseum in Lüneburg (um den Salzhandel zwischen Lüneburg und Lübeck erklären zu können). Ich bin sogar bis nach Helsingborg in Schweden für den Comic gereist, denn in der Story findet in einer Schlacht um Helsingborg ein entscheidender Wendepunkt für die Protagonisten statt. Für die Abbildungen im Comic wollte ich unbedingt sehen, wie die Stadt mit ihrem auch heute noch bestehenden mächtigen Festungsturm, dem Kärnan, in die Landschaft am Øresund eingebettet ist.

Sehr gute Fachberatung während der gesamten Projektdauer erhielt ich dankenswerter durch das Europäische Hansemuseum in Lübeck. Natürlich musste ich mich aber auch auf eigene Faust in alles einlesen, was für dieses Projekt wichtig war. 30 bis 40 Fachpublikationen werden es wohl gewesen sein.

Wie entstand der Kontakt zur Edition 52?

Bei der Hanse war mir klar, dass das Thema auch überregional interessant sein könnte, sodass ich nicht unbedingt, wie sonst, auf einen Regional-Verlag angewiesen war. Das war die Chance, mal bundesweit nach einem Comicverlag zu schauen. Ich bin auch einfach gespannt, ob sich dadurch neue Vermarktungsmöglichkeiten ergeben werden. Mit der Edition 52 wurden die gemeinsamen Vorstellungen einfach am schnellsten sehr konkret. Ich finde, das ist immer ein wichtiges Zeichen, wenn es mit einem Projekt auch vorangehen soll.

Wie hast du deinen neuen Titel „Der Kopf der Hanse handwerklich umgesetzt? Zeichnest du noch klassisch auf Papier?

Nach der Recherche habe ich mir Kurzbiographien der Protagonisten und einen mehrseitigen Handlungstext als „Roten Faden“ angelegt. Dann habe ich immer die Szenen für einige Seiten vorentworfen und danach in der Regel auf A3 Papier gezeichnet. Die komplette Farbgebung fand dann auf dem Wacom-Tablet statt.

Auffällig ist, dass du eine Mischung aus verschiedenen Stilen verwendest. Es gibt klassische Panels mit Sprechblasen und auch Bilderbögen.

Ja, ich mag es gerne abwechslungsreich, letztendlich um mir die eigene Arbeit auch spannend zu gestalten. Ich erhoffe mir dadurch aber auch für die Leserinnen und Leser grafisch mehr Abwechslung. Darum überlege ich vor jeder Seite, wie ich dieser ein eigenes Gesicht geben kann. Da werden dann auch schon mal Segel oder Heringsfässer zu Panels.

Liest du selbst noch Comics?

Ja, doch, jede Menge. Neben den Ur-Einflüssen wie „Asterix“ war lange Zeit „Hate“ von Peter Bagge mein Lieblingscomic. Ralf König geht eigentlich auch immer bei mir. Ansonsten war in den letzten Jahren „Der Araber von morgen“ einer meiner Favoriten. Von den deutschen Autoren und Autorinnen mag ich außerdem die Sachen von Simon Schwartz und Barbara Yelin ziemlich gern.

Dieses Interview erschien zuerst auf PPM-News.

Jens Natter: Der Kopf der Hanse • Edition 52, Wuppertal 2025 • Softcover • 104 Seiten • 18 Euro