Die Leben der Anderen

Ein Leben abseits des Gewöhnlichen und ein beeindruckendes Werk sind gute Voraussetzungen für eine gelungene Biografie, aber beides genügt nicht. Was eine gute Biografie ausmacht, ist so streitbar wie alle Fragen des Geschmacks, aber sicher tut es einer Lebensbeschreibung gut, die Gewichtung der erzählten Ereignisse sorgfältig zu prüfen (oder die Leser*innen mit einer völlig neuen Sichtweise zu überraschen), die Fakten korrekt wiederzugeben (oder ein fiktionales Labyrinth frei jeglicher Realitätszwänge zu errichten), die Figur in ihrem historischen Umfeld einzubetten (oder sie mit den Augen gegenwärtiger Leser*innen zu sehen) und die Besonderheiten der porträtierten Person zu berücksichtigen. Es ergeben sich also ebenso viele kreativen Möglichkeiten wie Risiken: langweilige Faktenhuberei entlang des Wikipedia-Artikels oder von der Wirklichkeit völlig befreite oder spekulative Fantasien.

Bei Comics kommt hinzu, dass eine Künstler*innen-Biografie oft den jeweiligen visuellen Stil zu adaptieren versucht. Im Falle von Musiker*innen-Biografien liegt das Augenmerk oft auf der Herausforderung, das Medium der Musik im tonlosen Comic abzubilden. Und von der Biografie eines Dichters oder Dichterin darf man erwarten, dass die sprachliche Gestaltung keinen allzu starken Kontrast zum Werk herstellt. Vor kurzem sind Biografien u. a. über M.C. Escher, Charlie Chaplin, Falco und Fritz Lang erschienen.

Kunst und Mathematik – M. C. Escher

Der niederländische Grafiker M. C. Escher (1898-1972) hat ein ähnliches Schicksal wie der norwegische Maler Edvard Munch erfahren: Die Popularität seines Werks hat seine Ästhetik auf ein kitschiges Deko-Element für Kunststoff-Tischsets und Kaffeetassen reduziert. Im Zuge des Escher-Hypes in den 1970er Jahren wurden vor allem seine illusionistischen Werke vielfach kopiert und zu einem Massenphänomen gemacht. Wie Kaufhausmusik. Büromalerei. Jugendzimmerkunst auf Buchenfurnier.

Dieser Comic von Lorenzo Coltellacci („Un singolo passo“) und Andrés Abiuso ehrt den 1972 verstorbenen Künstler mit einer Biografie, deren italienische Originalausgabe im vergangenen Jahr zum 50. Todestag bei Tunué erschien. Wir blicken dem jungen Mauk über die Schulter, einem Schüler mit viel Begeisterung für seine Zeichenkunst und wenig Leidenschaft für den schulischen Mathematikunterricht. Mauk wird von einer ephemeren Gestalt heimgesucht, eine Mischung aus Zippel, dem Schlossgespenst, dem Silver Surfer und den Geistern aus Charles Dickens Weihnachtsgeschichte. Dieser führt Mauk und damit uns durch die Zeiten hinweg, wo die beiden als unsichtbare Zuschauer Eschers Leben beobachten.

Wir sehen den jungen Escher, der an seinem Architekturstudium keinen Gefallen findet und sich stattdessen der Malerei zuwendet. Er geht nach Italien, heiratet dort die Schweizerin Jetta Umiker und gründet eine Familie. Seine Abscheu gegenüber dem politischen Erfolg der Faschisten unter Mussolini veranlasst sie Mitte der 1930er Jahre zu mehreren Umzügen. In dieser Zeit wendet Escher sich von der Landschaftsmalerei ab und immer mehr seinen illusionistischen Werken mit perspektivischen Spielereien zu, die ihn später berühmt machen sollten.

Strukturell gelingt dem Künstler-Duo eine Entsprechung zu der Illusionskunst Eschers, in der Anfang und Ende, Ursache und Wirkung spielerisch miteinander verschmelzen. Die Lebensgeschichte Eschers beeindruckt den jungen Mauk und führt dazu, dass dieser sich letztlich konsequent der Kunst zuwendet. Erst am Schluss (Achtung: Spoiler) erfahren wir, dass Mauk in Wirklichkeit der junge Escher ist – ein Paradoxon ganz im Sinne Eschers.

Bei einer Künstlerbiografie ist es, wie gesagt, naheliegend für den Künstler, den Stil des Porträtierten zu kopieren oder zu zitieren. Ebenso wie Coltelacci sich bemüht, diesen Escher-Effekt erzählerisch zu erzielen, so versucht auch Abiuso, die berühmten Metamorphosen Eschers grafisch nachzuvollziehen und imitiert die Illusionen, die Escher mit seiner unendlichen Treppe und ähnlichen Bildern erzeugte, mit seinen Kreuzungen aus Piranesis Treppen und dem paradoxen Möbiusband. Die Zeichnungen Abuisos sind aber weit von dem Detailreichtum und der Plastizität Eschers entfernt. Anhand der Zeichnungen erkennt man die Ideen Eschers, sie funktionieren aber nur als Zitat.

Sparsam mit Hintergründen und Details und etwas vage in der Chronologie legt diese Biografie den Fokus voll und ganz auf den Escher-Effekt und vernachlässigt die Details, die eine Lebensbeschreibung interessant machen. Außerdem nehmen die Gesprächspassagen zwischen der Zippel-Gestalt und Mauk viel Raum ein, und vielleicht ist das doch zu viel Raum.

Tragischer Tramp – Charlie Chaplin

Biografien über Regisseure haben gerade Konjunktur: Neben Charlie Chaplin wurden auch die Filmemacherin Alice Guy und Fritz Lang porträtiert. Im September ist außerdem der Band „Klassiker der Filmgeschichte“ erschienen, in dem allerdings nicht Regisseure im Fokus stehen, sondern Filme. Laurent Seksik und Dacid Francois haben sich dem Komiker zugewandt, der mehr Menschen zum Lachen gebracht habe als je ein Mensch zuvor – soweit man der Laudatio zu Ehren Chaplins anlässlich der Oscar-Verleihung 1972 glauben mag.

Schon 1922 nannte Kurt Tucholsky Chaplin den berühmtesten Mann der Welt, und seine Figur des Tramp ist bis heute nicht aus dem kollektiven Gedächtnis wegzudenken. Zwölf Minuten hielt der Applaus des Publikums bei der 44. Verleihung der Academy Awards an. Die Comic-Biografie zeichnet Chaplins Leben vom Oktober 1912 bis zur Oscar-Verleihung 1972. Die Jugendjahre und ersten schauspielerischen Erfolge in London spielen nur als kurze Rückblenden eine Rolle.

„Hallo, Amerika! Da bin ich, und ich werde dich erobern! Alle werden meinen Namen kennen, jeder Mann, jede Frau, jedes Kind!“ – zu diesem Zeitpunkt im Oktober 1912 hat Chaplin seine erste USA-Tournee bereits hinter sich, aber der folgende Aufenthalt wird zum Durchbruch führen. David Francois zeigt in seinen Zeichnungen einige Liebe zum Detail, wenn er das Schiff etwa korrekt als SS Oceanic zeichnet, auch wenn er den Namen gar nicht erwähnt, wohingegen Chaplin in seiner Autobiografie doch fälschlicherweise schrieb, er sei mit der SS Olympic in die USA gereist – ein offensichtlicher Irrtum, dem der Comic nicht aufsitzt.

Wir begleiten Chaplin bei seiner ersten Station bei Keystone, sehen seine Ambitionen, mehr Einfluss auf die Arbeit am Filmset zu nehmen, rasen durch die Anfänge seiner mehr als 80 Werke umfassenden Filmografie: „Kid Auto Races at Venice“ (7 Panels), „A Film Johnnie“ (3 Panels), „Tango Tangles“ (3 Panels). Allzu viel Einblick in die Filme darf man angesichts dieser Raffung natürlich nicht erwarten.

Die Trampwerdung schildern Seksik und Francois auf immerhin drei Seiten und folgen damit der offiziösen Legendenbildung: die übergroßen Schuhe seines Schauspielerkollegen Ford Sterling, der falsche Schnurrbart von Mack Swain, fertig ist der kauzige Landstreicher. In seiner Autobiografie hat Chaplin sich nicht sehr ausführlich dazu geäußert, und so bleibt nur der Mythos des Kostüms, das Chaplin zwischen 1914 und 1936 so populär macht. Dies ist aber auch eine Schwäche der Biografie, die sich nicht traut, diesen gängigen Mythos anzuzweifeln oder ihm andere Erzählungen gegenüberzustellen. Hier zeigen sich die Vorzüge etwa von David Robinsons wortreicher Biografie „Chaplin – His Life and Art“ von 1985, worin der Autor mindestens drei Varianten formuliert, wie die Genese dieses Kostüms sich zugetragen habe. Der Comic verkürzt an dieser Stelle, anstatt zu verdichten, und glättet damit bedauerlicherweise die Geschichte. Viele Ereignisse wie die Honorarverhandlungen mit Sennett werden entlang der bekannten Details aus Chaplins Leben erzählt, und auch die Filme der frühen Jahre werden brav aneinandergereiht, aber das Charakteristische der jeweiligen Filme kann der Comic nicht einfangen.

Der studierte Mediziner Laurent Seksik hat bereits Biografien über den italienischen Künstler Amedeo Modigliani und den österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig vorgelegt, letztere ist auch auf Deutsch (Jacoby & Stuart 2016) verfügbar. Diese Chaplin-Biografie erschien zuerst in drei Alben zwischen 2019 und 2022.

Kunst und Koks – Falco

Eine Comic-Biografie über Falco, wirklich? Ja, und es ist sogar schon die zweite. 2017 erschien eine eigenwillige Lebensbeschreibung von Reinhard Trinkler (Amalthea), nun ein Comic von Arnulf Rödler über den österreichischen Popmusiker Johann Hölzel, der 1998 mit vierzig Jahren bei einem Autounfall in der Dominikanischen Republik verstarb.

Falcos Popularität beruht im Wesentlichen auf dem internationalen Erfolg von „Der Kommissar“ (1981), dem kalkulierten Skandal um den Song „Jeanny“ aus dem Jahr 1985 (hier im Detail nachzulesen) und dem Welterfolg von „Rock me, Amadeus“, der Falco überraschenderweise eine Top-Platzierung in den US-amerikanischen und britischen Charts einbrachte. Falcos spontane Reaktion, als er davon erfuhr, war: „Des schoff i nie wieder. Jetzt is‘ aus.“ Und damit sollte er recht behalten.

An seinen Erfolg mit dem Album „Falco 3“ konnte er außerhalb Österreichs zu Lebzeiten nicht mehr anknüpfen. Auch sein Familienglück hatte zu dieser Zeit seinen Höhepunkt erreicht. 1986 kam seine Tochter Katharina Bianca zur Welt, und für den Sänger erfüllte sich ein Lebenstraum. 1989 kam die Scheidung, und nachdem die musikalischen Erfolge seiner beiden Alben „Data de Groove“ (1990) und „Nachtflug“ (1992) ausblieben, stürzte ein Vaterschaftstest Hans Hölzel 1993 in die nächste Krise. „Ich bin ein Grenzgänger, der immer auch mit seinem Leben spielt“, sagte er in einem seiner letzten Interviews.

Die Diskrepanz zwischen dem exaltiert-arroganten Popstar und dem einfühlsamen Menschen, den wir dahinter vermuten müssen, ohne ihn zu kennen, könnte kaum größer sein, so konsequent und künstlich war die Bühnenfigur Falco, hinter dessen Fassade Hölzel seine Unsicherheit mit Alkohol und Drogen betäubte. 1996 zog er sich in die Karibik zurück. Sein Album „Out of the Dark“ erschien erst nach seinem Tod am 6. Februar 1998. Es wurde sein größter Erfolg seit mehr als zehn Jahren, darin die Zeile „Muss ich denn sterben, um zu leben“.

Von all dem erfährt man fast nichts in diesem Comic. Weder Falco noch Hans Hölzel wird in Arnulf Rödlers Comic greifbar. Der Comic beginnt mit Falcos tödlichem Unfall in seiner karibischen Wahlheimat: Der PKW des alkoholisierten Musikers kollidierte mit einem LKW auf den Gegenfahrbahn. Von dort aus windet sich der Comic durch die glanzlosen Phasen seines Lebens. Koksen auf einer karibischen Disco-Toilette. Die Vision eines aus der Kloschüssel auftauchenden Stefan Weber, mit dem Falco in der Punkband Drahdiwaberl gespielt hatte. Viel mehr gibt die Story nicht her, ein Drogenrausch in den letzten Minuten seines Lebens.

Der Comic ist durchgehend in zwölf quadratischen Panels pro Seite gestaltet, wobei die Seiten als Ganzes und zugleich als Panels wirken. Die silbern glänzenden Figuren werden durch die hervorstehenden Adern zu Fratzen verzerrt, die Farbgestaltung in Grau und Rot ist ermüdend, der Seitenaufbau zugleich streng und chaotisch. Kurzum: Die Lektüre ist mühsam. Damit überträgt Arnulf Rödler aber die Distanz, die Falcos Bühnen-Ego ausgezeichnet hat, auf das Verhältnis von Leser*in und Comic, und die Kühle der Bilder entspricht Falcos gespielter Arroganz.

Wer Falco auf der Bühne sieht, wird keinen Hölzel finden. Wer in diesem Comic nach Falco sucht, findet nur Rödler, der „anders an diese Person herangehen“ wollte als die bekannten Filmdokumentationen. Man darf dem Comic nicht abverlangen, Falcos Lebensgeschichte abzubilden, und sicher ist der Untertitel „Leben und Sterben des Hans Hölzel“ denkbar ungeschickt, weil es eigentlich nur um Falcos letzte leidensvolle Zeit geht. Die Tragik eines ganzen Lebens, zwischen Punk und Pop, zwischen Koks und Kunst, zwischen Ambitionen und Absturz, kommt nicht zur Geltung.

Dabei ist es zugleich eine mutige, wenn auch ungewöhnliche Hommage an den österreichischen Künstler. Detail-Anspielungen an Falco-Songs in Text und Bild richten sich an die wenigen Musik-Fans, die auch die weniger bekannten Stücke noch kennen. Das macht „Falco“ zu einem ungewöhnlichen und deshalb auch interessanten Projekt. Wenn auch nicht rundum gelungen, sticht dieser Comic unter den Wikipedia-Lookalikes deutlich hervor. Eine Leseempfehlung für Mutige.

Film und Faschismus – Fritz Lang

Der österreichische Regisseur Fritz Lang hat mit seinen Filmen Kulturmonumente geschaffen und nicht nur die Frühzeit des Mediums in den 1920er Jahren entscheidend geprägt. Viele seiner Filme, darunter „Metropolis“ (1927) und „M“ (1931), gehören heute zum kulturellen Allgemeinwissen. Letzterer hat sogar auf Falcos „Jeannie“ eingewirkt, aber das nur am Rande…

Arnaud Delalande und Éric Liberge machen gleich klar, worum es ihnen geht, denn wir sehen in der Eingangssequenz Fritz Lang und Thea Harbou, während sie Langs Ehefrau hintergehen, die kurz darauf erschossen aufgefunden wird. Zentrales Thema dieses Comics ist die Schuld, die Lang und seine spätere Drehbuchschreiberin und Ehefrau damit auf sich nehmen. Und wie groß diese Schuld ist, d. h. ob Lang womöglich selbst abgedrückt hat oder er „nur“ den Suizid verursacht hat, lässt der Comic offen.

Während der jüdische Lang 1933 in die USA emigrierte, verblieb die nationalistische Kitsch-Autorin Harbou in Deutschland. Dass manche ihrer Romane heute noch bekannt sind, verdankt sie ausschließlich den Fritz-Lang-Verfilmungen von „Metropolis“, „Das indische Grabmahl“ oder „Frau im Mond“. Im Jahr 1912 sehen wir Thea von Harbou zu, wie sie im bayrischen Tauperlitz am Schreibtisch sitzt, und wir beobachten sie beim Denken: „Also: Der Krieg und die Frauen. Mein zweiter Roman.“ Ob man Gedankenblasen in Comics mag oder nicht, in diesem Comic wird man sie zumindest dulden müssen, denn Delalande und Liberge greifen oft auf diese etwas unglückliche Form der Informationsübermittlung zurück. Und es ist zwar leser*innenfreundlich, dass Harbou uns direkt darauf vordenkt, wie ihr erster Roman hieß und wie erfolgreich der war, aber wirkt erzählerisch schon etwas hilflos. Hinzu kommt, dass hier falsches Wissen vermittelt wird, denn Thea von Harbous „Der Krieg und die Frauen“, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs erschienen, ist keineswegs ein Roman, sondern eine Sammlung von Erzählungen.

Auffällig ist, dass Delalande und Liberge Langs Filmkarriere immer wieder parallelführen zu Hitlers politischem Aufstieg, so als gebe es einen inneren Zusammenhang zwischen Lang und Hitler. Er handle am Dreh „wie ein Puppenspieler, ein Diktator“, so raunen die Journalisten. Lang spricht von einer „Armee nackter Männer“, die er für „Metropolis“ brauche, und der russische Regisseur Sergej Eisenstein sagt über diesen Film, er sei im Wesentlichen „Militarismus und Disziplin“. Was wollen Delalande und Liberge uns damit sagen: Fritz Lang als Filmhitler? Als Kinofaschist? Das ist auch auf den zweiten Blick etwas fragwürdig.

Thea von Harbou nimmt in dieser politischen Konstellation eine besondere Rolle ein, denn sie kann ihre Faszination für Hitler nicht verbergen. Das machen Delalande und Liberge durchaus deutlich. Diese Begeisterung entfremdet sie von Fritz Lang, der Hitlers Aufstieg mit großer Skepsis beobachtet. Als der Film „Das Testament des Dr. Mabuse“ (1933) von den Nationalsozialisten verboten wird, bestellt Goebbels den jüdischen Filmemacher ein. Völlig unerwartet, so erzählen Fritz Lang und der Comic, habe Goebbels ihm in diesem Gespräch die Führung über den deutschen Film angeboten. Ein Angebot, das Lang zu einer unvorbereiteten Flucht nach Paris am folgenden Tag drängte.

Nun hat Lang, ganz im Gegensatz zum sich akkurat erinnernden Chaplin, es nicht immer ganz genau mit der Wahrheit genommen, und bis heute ist zweifelhaft, ob sich dies wirklich so zugetragen hat. Weder Goebbels Tagebücher noch Zeugenaussagen bestätigen Langs Fassung, die in all ihren Details wirklich filmreif wirkt. Dass die Flucht so überstürzt stattgefunden habe, hat Norbert Grob in seiner Fritz-Lang-Biografie 2014 widerlegt. Arnaud Delalande und Éric Liberge kennen keinen Zweifel und lassen diesen Mythos wieder aufleben – die Geschichte ist halt einfach zu gut.

Man kann einer Biografie nicht vorwerfen, dass sie sich auf die Lebensereignisse konzentriert, denn das ist ja immerhin ihre Definition, aber es ist eigentlich jedes Mal bedauerlich, wenn die Liebschaften eines Lebens mehr Gewicht bekommen als die künstlerischen Innovationen. Es wäre Fritz Lang etwas weniger Harbou zu wünschen gewesen, sowohl in seinem Leben als auch in diesem Comic. Von letzterem hätte man sich aber auch wünschen können, dass er, dem Titel entsprechend, sich nicht nur auf die wenigen Jahre in der Weimarer Republik beschränkt, sondern auch das Leben Langs in den USA beschreibt. Im Laufe dieser Zeit verantwortete er weitere 22 Filme, und auch nach seiner Rückkehr nach Europa im Jahr 1956 drehte er noch drei weitere Filme. Dem wird die Biografie nicht gerecht.

Lorenzo Coltelacci (Autor), Andrès Abiuso (Zeichner): M.C. Escher – Unmögliche Welten. • Knesebeck, München 2023 • 144 Seiten • Hardcover • 24,00 Euro

Arnulf Rödler: Falco. Leben und Sterben des Hans Hölzel. Knesebeck, München 2023 • 96 Seiten • Hardcover • 22,00 Euro

Laurent Seksik (Autor), David François (Zeichner): Charlie Chaplin – Die Comic-Biografie. • Aus dem Französischen von Anja Kootz • Knesebeck, München 2023 • 224 Seiten • Hardcover • 28,00 Euro

Arnaud Delalande (Autor), Éric Liberge (Zeichner): Fritz Lang – Die Comic-Biografie. • Aus dem Französischen von Anja Kootz • Knesebeck, München 2023 • 112 Seiten • Hardcover • 25,00 Euro

Gerrit Lungershausen, geboren 1979 als Gerrit Lembke, hat in Kiel Literatur- und Medienwissenschaften studiert und wurde 2016 promoviert. Er hat Bücher über Walter Moers, Actionkino und den Deutschen Buchpreis herausgegeben. 2014 hat er zusammen mit anderen das e-Journal Closure gegründet und ist bis heute Mitherausgeber. Derzeit lebt er in Mainz und schreibt für Comicgate.de, Alfonz und die Comixene. An der TU Hamburg-Harburg unterrichtet er Comic-Forschung.